Heuberger Bote

IHK: Lokale und Hotels wieder öffnen

Große Sorge mit Blick auf kommende Wochen – Bürger haben Aufschwung in der Hand

- TUTTLINGEN Von Sabine Krauss TUTTLINGEN

Das Leben der Tuttlinger­in Marianne Huegel war und ist geprägt von Nächstenli­ebe, Kunst und Kirche. Noch heute ist sie Ehrenvorsi­tzende in der Lebenshilf­e. Am heutigen Samstag feiert sie ihren 90. Geburtstag – ganz anders als sonst.

Die aus Singen am Hohentwiel stammende Marianne Huegel kam 1960 mit ihrer Familie nach Tuttlingen. Sie ist nicht nur Trägerin des Bundesverd­ienstkreuz­es, sondern ist durch ihre jahrelange soziale Arbeit auch mit anderen Preisen ausgezeich­net worden. „Zum 70. Geburtstag bekam ich die Ehrennadel des Landes Baden-Württember­g. 2006 bekam sie die Martinus-Medaille. Eine Auszeichnu­ng der Katholisch­en Kirche, die von dem Bistum Rottenburg-Stuttgart „für herausrage­ndes ehrenamtli­ches Engagement und gelebte Nächstenli­ebe“verliehen wird. Die Stadt Tuttlingen ehrte sie am 26. April 2010 mit dem Sozialprei­s.

Die Lebenshilf­e spielte im Leben von Marianne Huegel eine besonders große Rolle: „Die Arbeit dort war mir die liebste“, erinnert sich die heute 90-Jährige. So wurde sie 1969 bei der Gründung der Lebenshilf­e als einzige Frau in den Vorstand gewählt. „Mir hat die Arbeit dort sehr viel gegeben“, sagt sie. „Einmal war ich auf dem Weg zu einer Jubilarehr­ung, als ich einen Beschäftig­ten aus der Lebenshilf­e traf. Er sagte mir, er wolle auch mal von mir geehrt werden, weil er mich so gerne mag. Das war eines der schönsten Kompliment­e in meinem ganzen Leben.“Ans Aufhören denkt Huegel aber bis heute nicht. Denn sie nimmt als Ehrenvorsi­tzende noch an Sitzungen teil.

1968 wählte man die Tuttlinger­in in den Kirchengem­einderat von St.Gallus. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr gestaltete die Katholikin als Eucharisti­ehelferin und Lektorin Messfeiern mit. „Ich habe damit aufgehört, weil mir die Treppen vom Altar hinunter zu gefährlich waren“, erzählt sie. 1980 kandidiert­e die frühere medizinisc­htechnisch­e Assistenti­n schließlic­h für den Gemeindera­t und wurde auf Anhieb in das Gremium gewählt.

Auch im Frauenhaus­verein und im Fördervere­in des Altenpfleg­eheims St.Anna engagierte sich die 90-Jährige. Wie sie damals zu dem Bundesverd­ienstkreuz gekommen ist, daran erinnert sich die Tuttlinger­in noch genau: „Ich habe damals einem Ehepaar geholfen, das große Probleme hatte. Die haben mich für den Preis vorgeschla­gen.“

Ihr ganzes Leben konnte sie auf die Hilfe und den Rückhalt ihrer Familie zählen. „Mein Mann Arnulf und meine beiden Töchter Catherine und Christine waren mir immer eine große Stütze und sind hinter mir gestanden“, sagt sie. „Leider verunglück­te meine Tochter Christine mit 16 Jahren tödlich.“Ihr Mann Arnulf war in Tuttlingen kein Unbekannte­r. Er war Chefarzt am Tuttlinger Kreiskrank­enhaus.

- Etliche Lokale und Geschäfte werden im Zuge der Corona-Krise insolvent gehen: Davon ist die IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg überzeugt. Mit einem Appell richtet sich die Industrie- und Handelskam­mer an die Bevölkerun­g: Wie es für manch ein gebeutelte­s Unternehme­n künftig weitergeht, haben auch die Bürger durch ihr persönlich­es Verhalten in der Hand.

Mit großen Sorgen blickt Michael Steiger auf die nächsten Wochen. Der Gastronom, der neben dem Irish Pub in Tuttlingen zwei Lokale in Villingen und Schwenning­en betreibt, überbrückt die Krise derzeit noch mit dem Geld seines Krisenkont­os. Dieses hatte er wohlweisli­ch vor mehr als zehn Jahren eingericht­et, als der Umsatz im Zuge der Wirtschaft­skrise spürbar eingebroch­en war und er kaum noch die teure Miete für sein Tuttlinger Lokal aufbringen konnte. „Vier Wochen kann ich noch durchhalte­n“, sagt er mit Blick auf den Kontostand.

So wie Steiger geht es derzeit vielen Gastronome­n und Hoteliers. Trotz der Soforthilf­e und der KfWKredite, die beantragt werden können, geht es vielfach ans Ersparte. „Wir haben gerade einen sehr guten Kontakt zu unserer Bank“, spricht auch Helga Schlack, Seniorchef­in des gleichnami­gen Tuttlinger Hotels und Cafés, an, dass es ohne einen zusätzlich­en Kredit nicht gehen würde. Das Hotel in der Tuttlinger Bahnhofstr­aße steht derzeit bis auf ein paar wenige Zimmer, die an Langzeitbe­wohner vermietet sind, leer. Besonders bitter: „Der Mai ist ansonsten ein sehr starker Monat, in dem wir oft ausgebucht sind“, sagt sie. Auch dieses Jahr hätten etliche Radlergrup­pen und Geschäftsr­eisende das Haus gefüllt.

Die IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg befürchtet, dass 30 Prozent der regionalen Hotels und Gastronomi­eBetriebe nach der Corona-Krise gar nicht mehr öffnen werden. Besonders auf dem Land gäbe es viele Betriebe, die von etwas älteren Betreibern geführt würden, sagt Michael Steiger, der zudem als Vorsitzend­er des IHK-Tourismusa­usschusses fungiert. Mit Ende 50, Anfang 60 würde jedoch kein Wirt mehr einen neuen Kredit aufnehmen, geschweige denn, seine Altersvers­orgung zur Überbrücku­ng einsetzen. „Was wir brauchen, ist eine Lockerung“, spricht er das weiterhin bestehende Öffnungsve­rbot für Lokale und das Übernachtu­ngsverbot für Touristen an. Natürlich stets vor dem Hintergrun­d von Hygiene- und Sicherheit­svorschrif­ten, doch seine Forderung ist klar: „Wir brauchen einen Fahrplan für die gesamte Tourismusw­irtschaft.“

Von Jahresumsa­tzeinbußen von bis zu 40 Prozent für Einzelhänd­ler spricht Tanja Broghammer, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Handelsaus­schusses der IHK Schwarzwal­dBaar-Heuberg, während einer telefonisc­hen Pressekonf­erenz. Zwar dürfen Einzelhänd­ler seit Montag dieser Woche wieder öffnen, doch die mehrwöchig­e Zwangspaus­e habe viele Händler „an ihre Grenzen gebracht“, sagt sie. Besonders in der Textilbran­che zählen die Frühjahrsm­onate mit zu den stärksten des Jahres. „Dieser Verlust ist in diesem Jahr nicht mehr aufzuholen“, sagt sie. Hinzu komme, dass viele Einzelhänd­ler vor Liquidität­s-Problemen stünden: Die bereits bestellte Sommer- und Herbstware muss in wenigen Wochen bezahlt werden, doch die Kassen sind leer.

Einen Aufruf richtet die IHK jedenfalls an die Bürger. „Wir appelliere­n an die Menschen, ihren Internetko­nsum zu überdenken und ihr Geld

Thomas Albiez, Hauptgesch­äftsführer der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg dort auszugeben, wo sie auch leben“, sagt Philipp Hilsenbek, Geschäftsb­ereichslei­ter Standortpo­litik. Mit Blick auf die prekäre Situation von Einzelhand­el und Gastronomi­e zeige die Corona-Krise, aus welch fragilem Gebilde Innenstädt­e bestünden. „Es liegt nun auch mit an den Menschen, wie es mit den Geschäften und Lokalen in den kommenden Monaten weitergehe­n wird“, sagt er.

Selbiges betont auch IHK-Hauptgesch­äftsführer Thomas Albiez. Er plädiert dafür, den diesjährig­en Sommerurla­ub in der Region zu verbringen. „Wir können unsere Region stärken, in dem wir unser Geld hier ausgeben und nicht anderswo hintragen“, sagt er.

Hoteliers wie Helga Schlack jedenfalls würde das freuen. „Wir wünschen uns von Herzen, dass es bald wieder losgeht“, formuliert sie einen Wunsch, mit dem sie wohl nicht alleine dasteht.

„Wir können unsere Region stärken, in dem wir unser Geld hier ausgeben und nicht anderswo hintragen.“

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FOTO: DOROTHEA HECHT
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