Freudenschreie in Spaniens Straßen
Kinder dürfen nach Ausgangssperre wieder raus, Spaziergänge und Sport erlaubt – Proteste zeigen Wirkung
- Tausende spanische Kinder stürmten am Sonntag auf die Straße. Alle unter 14-Jährigen durften erstmals nach sechs Wochen Ausgangssperre wieder zum Spielen und Herumtoben vor die Tür. Zwar sind Spaniens Parks und Spielplätze weiterhin geschlossen. Doch die Kinder machten trotzdem von ihrer wiedergewonnenen Freiheit ausgiebig Gebrauch.
Viele Straßen in der Hauptstadt Madrid, die in den letzten Wochen wie ausgestorben waren, erwachten am Sonntag zum Leben. Man sah endlich wieder Kinder mit Fußbällen, Rollschuhen und Fahrrädern auf den Bürgersteigen. Freudenschreie hallten durch die Stadt. Zunächst gilt die Ausgeherlaubnis nur für eine Stunde pro Tag in Begleitung eines Erwachsenen und mit der Auflage, sich nicht weiter als einen Kilometer von der Wohnung zu entfernen.
Schritt für Schritt wird nun also auch in Spanien, wo es die meisten bestätigten Infektionsfälle in Europa gibt, der Corona-Ausnahmezustand gelockert. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez kündigte an, dass auch die erwachsenen Bürger vom 2. Mai an, dann nach sieben Wochen nationaler Quarantäne, zum Spazierengehen und zum Sport wieder an die frische Luft dürfen. Voraussetzung sei, dass sich die Infektionskurve, wie bereits in den letzten Tagen, weiter abflache.
Die Entwicklung der Corona-Zahlen in Spanien gibt Anlass zur Hoffnung: Am Sonntag wurden nur noch 1729 neue Infektionen gemeldet. Ein Zuwachs von weniger als ein Prozent – die niedrigste Steigerungsrate seit Beginn der Epidemie. Die Gesamtzahl der erfassten Covid-19-Erkrankten kletterte auf 207 350, nahezu 100 000 Betroffene gelten inzwischen aber als weitgehend genesen. Die Zahl der Toten erhöhte sich gegenüber dem Vortag um 288 auf annähernd 23 200.
„Wir haben den kritischen Punkt überschritten“, sagte Sánchez. Aber man müsse gegenüber der noch nicht gebannten Virusgefahr wachsam bleiben. „Wir dürfen den Feind nicht unterschätzen.“Sánchez kündigte an, dass die Regierung am kommenden Dienstag eine Exit-Strategie für die Rückkehr zur Normalität beschließen werde. Einzelheiten nannte er noch nicht. Doch er machte klar, dass es eine langsame Fahrt Richtung Alltag sein werde. „Wir werden es in Etappen machen.“
Die Geschwindigkeit dieser Fahrt könne je nach Region variieren, erklärte Sánchez. Urlaubsinseln wie Mallorca oder die Kanaren, auf denen die Epidemie weniger schlimm verlief, können sich somit Hoffnung auf eine schnellere Rückkehr zum gewohnten Leben machen. Das wird vor allem die Ferienbranche freuen, die versuchen will, einen Teil der Urlaubssaison zu retten. In den Tourismushochburgen laufen bereits Vorbereitungen, um im Sommer wenigstens einen Teil der Hotels öffnen zu können. Soweit die Regierung bis dahin das Einreiseverbot aufhebt, könnten dann auch ausländische
Gäste kommen. Zuletzt hatte der Druck auf die spanische Mitte-linksRegierung, die härteste Ausgangssperre Europas zu lockern, immer weiter zugenommen. Das wurde am Wochenende erneut spürbar: Hunderttausende von Menschen in ganz Spanien protestierten wieder, indem sie mit Töpfen, Pfannen und Kochlöffeln an den Fenstern einen Höllenlärm veranstalteten.
Der anschließende übliche Beifall für die Ärzte und Krankenschwestern
fiel vielerorts aus: Das Krankenhauspersonal hatte die Spanier aufgefordert, statt mit Applaus mit Schweigen zu reagieren, um so ihren Unmut darüber auszudrücken, dass in den Hospitälern immer noch Schutzausrüstung und Testkapazitäten fehlen. Ein dramatischer Mangel, der dafür verantwortlich ist, dass inzwischen nahezu 20 Prozent aller Corona-Kranken in Spanien Mitarbeiter des Gesundheitswesens sind.