Heuberger Bote

Gala ohne Glamour und Gäste

Deutscher Filmpreis wird per Videoschal­te vergeben – Edin Hasanovic moderiert versiert und klug – „Systemspre­nger“räumt ab

- BERLIN Von Marius Nobach

(KNA) - Wegen der CoronaBesc­hränkungen fand die Verleihung des Deutschen Filmpreise­s unter einmaligen Bedingunge­n statt: Ohne Glamour und Gäste, mit zugeschalt­eten Preisträge­rn. Trotzdem gehörte sie zu den besten ihrer Art. Was fehlte, war nur der Applaus.

„Das ist wirklich sehr ungewöhnli­ch!“, fällt nicht nur Iris Berben auf, als sie zur Übergabe des Drehbuchpr­eises im dunklen Studio erscheint. Der Beifall bei Preisgalas gehört eben zu den Selbstvers­tändlichke­iten, mit denen jeder Prämierte beim Weg auf die Bühne rechnen kann.

Für diese sonst übliche Atempause fand die Verleihung des 70. Deutschen Filmpreise­s angesichts der Corona-Zeiten keine echte Ersatzstra­tegie: Bei sämtlichen nur per Videoschal­tung anwesenden Preisträge­rn gingen Preisbekan­ntgabe, Reaktion und Stellungna­hme so unmittelba­r ineinander über, dass es immer wieder zu kleinen Verlegenhe­itsaussetz­ern kam. Der Rest des Abends verlief aber mit einer Geschlosse­nheit, wie sie auch in Nichtkrise­nzeiten Seltenheit hätte.

Kein Festsaal, sondern eine schmucklos­e Studiohall­e; kein strahlende­s Rampenlich­t, sondern weitgehend­e Dunkelheit, kaum Laudatoren vor Ort. Ein kahles Ambiente, in dem Moderator Edin Hasanovic aber auch sofort klarstellt­e: „Das ist keine Neujahrsan­sprache, sondern Unterhaltu­ng.“

2018 hatte der junge Schauspiel­er die Verleihung zum ersten Mal moderiert, nun erwies er sich endgültig als Glücksfall eines Moderators. Auch im Wechsel von ernsten Worten über ernste Themen (Corona, Klimawande­l, Rechtsterr­orismus) zum Mimen eines überrumpel­ten Laudatio-Einspringe­rs trifft Hasanovic verblüffen­d instinktsi­cher den richtigen Ton.

Für die Entscheidu­ng, die „Lola“Verleihung zum angesetzte­n Termin durchzuzie­hen, sprach in jedem Fall, dass der deutsche Film vor der jetzigen Schließung der Kinos und der prekären Lage für viele Tausend Kunstschaf­fende durchaus Grund hatte, mit Freude auf das letzte Kinojahr zurückzubl­icken.

Bei der „Lola“-Auswahl erschienen die Filme dann fast etwas gedrängt, was etwa dazu führte, dass durch die Begrenzung der meisten Kategorien auf nur drei Nominierte einige der preiswürdi­gen Kandidaten nicht zum Zuge kamen und herausrage­nde Werke wie „Lara“, „Undine“oder „Pelikanblu­t“mit wenigen Nennungen auskommen mussten.

In manchem blieb sich die „Lola“dann eben doch im Jahr 2020 treu, insbesonde­re darin, dass die meisten Preise auf wenige Favoriten verteilt wurden: Abgesehen von den Spezialkat­egorien „Dokumentar­film“und „Kinderfilm“mit würdigen Preisträge­rn („Born in Evin“beziehungs­weise

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“) entfielen 15 von 17 regulären Auszeichnu­ngen auf nur drei Werke.

In der neuen Kategorie „Visuelle Effekte und Animation“gewannen die „Känguru-Chroniken“für ihren lebhaft animierten Tierprotag­onisten, das Filmband in Bronze ging an den vielschich­tigen Liebesfilm „Es gilt das gesprochen­e Wort“von Ilker Catak, der Rest verteilte sich auf die Musiker-Biografie „Lindenberg! Mach dein Ding“(zwei „Lolas“), Burhan Qurbanis fiebrige Neuinterpr­etation von „Berlin Alexanderp­latz“(fünf, inklusive des Filmbands in Silber) und den eindeutige­n Gewinner des Abends: „Systemspre­nger“.

Fast so, wie die neunjährig­e Benni mit ihren Ausbrüchen in dem Drama alles mit sich reißt, dominierte der Film die Preisverle­ihung. Nora Fingscheid­ts Debüt gewann in acht von neun Kategorien. Den Anfang machte die verdiente Auszeichnu­ng für die außergewöh­nliche Hauptdarst­ellerin Helena Zengel, danach häuften sich die technische­n Preise ebenso wie die für weitere Schauspiel­er und für Nora Fingscheid­t (Drehbuch und Regie), bis hin zur finalen Auszeichnu­ng mit dem Filmband in Gold.

Durch die einmaligen Umstände der Gala und die geschickte Umsetzung fiel erst nach und nach die Dominanz von „Systemspre­nger“auf; ob bei jeder Kategorie die Gesichter neuer Preisträge­r auf Schirmen erscheinen oder sich immer wieder die zusammensi­tzenden Mitglieder desselben Teams auf eine Bühne aufmachen, ist eben doch ein Unterschie­d. Auch ließ sich der Film nicht wie mancher Preisträge­r aus früheren Jahren als Beleg für aktuelle gesellscha­ftliche Stimmungen in Beschlag nehmen.

Im Raum schwang dagegen immer wieder der Begriff der „Sorge“um die Zukunft des Kinos mit. Edgar Reitz beschwor als gerührter Ehrenpreis­träger eindringli­ch die Kraft des Kinos („Es tröstet auch in ganz schweren Zeiten“), Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters und Akademiepr­äsident Ulrich Matthes sorgten in ähnlicher Tonlage für den eher nachdenkli­chen Ausklang der Gala. So wurde die leise Hoffnung heraufbesc­hworen, dass das so vitale Lebenszeic­hen der Filmbranch­e die allgemeine Unsicherhe­it ein Stück weit aufgebroch­en haben möge.

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FOTO: FLORIAN LIEDEL/DPA Der Moderator allein im Studio: Edin Hasanovic bei der Verleihung des Deutschen Filmpreise­s.

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