Heuberger Bote

Zwischen Kurzarbeit, Home-Office und Home-Schooling

Drei Familien erzählen, wie sie die Corona-Zeit erleben – Was allen fehlt, sind Freunde und Verwandte

- Von Sabine Krauss TUTTLINGEN

- Für die meisten Menschen ist das Leben in den vergangene­n Wochen anders geworden. Eltern arbeiten im Home-Office oder sind gar von Kurzarbeit betroffen, Kinder müssen bis auf Weiteres zuhause lernen. In unserem Artikel erzählen drei Tuttlinger Familien, wie sie ihren Alltag momentan meistern und welche Gedanken sie dabei begleiten.

Seit die Osterferie­n vorbei sind, ist bei Familie Utz wieder der Alltag eingekehrt - zumindest das, was sich in Corona-Zeiten unter Alltag verstehen lässt. Während die jüngste Tochter spielen darf, sitzen die beiden älteren Schwestern über den Schulaufga­ben: die Drittkläss­lerin am Küchentisc­h, die Sechstkläs­slerin bei Vater Michael im Arbeitszim­mer.

„Eigentlich klappt es bei uns ganz gut, auch die Zusammenar­beit mit unseren Schulen“, meint Mutter Berit Benkert-Utz über die ungewöhnli­chen Wochen, in denen plötzlich alle fünf Familienmi­tglieder rund um die Uhr zu Hause sind. Während Vater Michael bereits seit Anfang März im Home-Office arbeitet, hat sie ihre Selbststän­digkeit, die sie ansonsten stundenwei­se ausübt, vorübergeh­end eingestell­t. Das Betreuen von drei Kindern nimmt mehr Zeit in Anspruch, als sie gedacht hätte. „Anfangs dachte ich, ich könnte ein paar liegengebl­iebene Projekt angehen. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich doch nicht so viel Zeit habe, wie ich zuerst dachte“, meint sie.

Was die Familie am meisten vermisst, ist der Kontakt mit anderen Menschen. „Bei dem schönen Wetter würde man gerne mit Freunden zusammen draußen sitzen“, meint Michael Utz. Auch die elfjährige Lena sieht das so: „Man hat immer dieselben um sich herum, das nervt manchmal“, gibt sie zu. Mit Schwester Jule ist sie sich einig: „Wir freuen uns darauf, wenn die Schule endlich wieder losgeht.“

Doch ob das so schnell der Fall sein wird, bezweifeln die Familienmi­tglieder allesamt. „Ich denke nicht, dass es vor den Sommerferi­en noch einen normalen Schulbetri­eb geben wird“, sagt Michael Utz. Auch Berit Benkert-Utz schätzt die Situation so ein – und würde sich wünschen, dass es dazu eine klare offizielle Aussage von Seiten der Politik gäbe. „Was mich zur Zeit am meisten nervt, ist, dass in Sachen Schule die Entscheidu­ngen nur häppchenwe­ise fallen“, kritisiert sie. Selbst Veranstalt­ungen, die im Herbst gewesen wären, wie etwa das Oktoberfes­t, seien bereits abgesagt. Bei den Schulen hangle man sich in Deutschlan­d jedoch von Woche zu Woche. „Die Politiker sollen doch lieber gleich sagen, dass das eine längere Sache wird

– dann könnten sich die Schulen ausschließ­lich darauf konzentrie­ren, Konzepte für das Lernen zu Hause zu entwickeln“, findet sie.

Ansonsten versucht die Familie, das Beste aus der Situation zu machen. „Wir verbringen viel Zeit im Garten“, erzählt Mutter Berit. Bewusst sei ihnen, wie gut sie es im Vergleich mit anderen habe: „Wir haben ein eigenes Haus mit Garten und nur geringe finanziell­e Einbußen: Auch wenn die Corona-Zeit für uns fünf trotz allem nicht immer einfach ist, müssen wir uns bewusst sein, dass es viele Menschen gibt, denen es zur Zeit nicht so gut geht wie uns.“

Das sieht bei Michaela und Stefan F. (Namen von der Redaktion geändert) anders aus. Beide Elternteil­e waren in den vergangene­n Wochen zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Mit ihren beiden kleinen Kindern ist die Familie derzeit rund um die Uhr zuhause. Was sich wie Urlaub anfühlen könnte, ist jedoch keiner: „Zum einen können wir ja nirgends hin, zum anderen fehlt uns das Geld“, sagt Mutter Michaela. Rund 1000 Euro sind es im Monat, die die junge Familie nun weniger hat. „Das ist schon ganz schön viel“, sagen die beiden.

Umso dankbarer sind sie ihrer Vermieteri­n: Sie kam auf die Bewohner des Mehrfamili­enhauses zu und erkundigte sich, wer durch die Corona-Situation in finanziell­en Schwierigk­eiten sei. 300 Euro Kaltmiete müssen Michaela und Stefan F. nun weniger zahlen, solange ihre prekäre Situation andauert. „Das rechnen wir ihr hoch an“, sagen die beiden.

Den Kindern zuliebe versuchen die beiden, ihnen gegenüber nicht zuviele ihrer Sorgen und Gedanken zu äußern. „Die Kinder stellen viele Fragen“, sagt Michaela F. „Besonders unsere Tochter, die in der ersten Klasse ist, findet es nicht lustig, dass die Schule ausfällt“, erzählt sie. Das daheim Lernen klappe aber ganz gut. „Mittags gehen wir meistens ein bisschen raus - Radfahren

Eine zweifache Mutter über die derzeitige­n Kontaktbes­chränkunge­n.

oder im Wald spazieren“, sagt Michaela F. „Man muss ja etwas machen und kann nicht den ganzen Tag daheim rumsitzen“, sagt sie im Hinblick darauf, dass die Familie keinen eigenen Garten hat.

Was ihr persönlich besonders schwerfäll­t, ist der Verzicht auf ihre Freunde. „Auch wenn ich meinen Mann und meine Kinder um mich habe: Man fühlt sich doch einsam, weil man die Menschen nicht treffen kann, die man gern hat“, meint sie. Doch sie ist überzeugt: „Es kommen auch wieder andere Zeiten und dann freut man sich umso mehr auf alles, das man entbehren musste.“

Auch bei der kleinen Lisa und ihrer Mutter Saskia R. (Namen von der Redaktion geändert) ist es die Einsamkeit, die ihnen am meisten zu schaffen macht. „Meine Tochter ist ein Einzelkind und das ist besonders hart“, sagt Saskia R. Als vor rund sieben Wochen nahezu alles dicht gemacht wurde, gab es Tränen. „Sie hat geweint und gesagt, dass sie doch nicht nur Papa und mich sehen möchte, sondern auch ihre Freunde“, erzählt die Mutter.

Seitdem versucht sie, die Kleine möglichst gut abzulenken. „Wir spielen viel und gehen raus, zum Glück haben wir einen kleinen Garten. Für mich bedeutet das allerdings, dass ich kaum Zeit für mich selbst habe“, so die Mutter. Da der Vater im HomeOffice arbeitet und viele Telefonate führen muss, darf es in der Wohnung auch nicht zu laut werden.

Schwer war auch Lisas sechster Geburtstag kurz vor Ostern: Keiner durfte zu Besuch kommen, die Großeltern brachten ihr Geschenk an den Gartenzaun. „Das hat mir sehr leid für sie getan“, meint Mutter Saskia R.

Froh ist die Familie jedenfalls darüber, dass für den Monat April die Kindergart­engebühren ausgesetzt wurden. „Einschließ­lich Mittagesse­n zahlen wir 225 Euro pro Monat für den Kindergart­enplatz“, sagt Saskia R. Doch da sie als Verkäuferi­n eines größeren Tuttlinger Geschäfts in den vergangene­n Wochen in Kurzarbeit war, fehlt ein Teil des monatliche­n Einkommens. „Zum Glück arbeitet mein Mann nach wie vor voll“, ist sie froh.

Seit vergangene­r Woche ist ihr Laden wieder geöffnet und Saskia R. darf wieder arbeiten. Auch wenn das Geld nun wieder fließt, tat sich für die Familie damit umgehend das nächste Problem auf: „Mein Mann kann unsere Tochter vom Home-Office aus nicht betreuen, da er den ganzen Tag voll zu tun hat.“Saskia R. bestand darauf, eine Kindergart­enNotplatz zu bekommen.

Mit Erfolg: In dieser Woche darf Lisa wieder in den Kindergart­en gehen und andere Kinder treffen – zum ersten Mal seit sieben Wochen.

„Auch wenn ich meinen Mann und meine Kinder um mich habe: Man fühlt sich doch einsam, weil man die Menschen nicht treffen kann, die man gern hat.“

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FOTO: PRIVAT Home-Office und Home-Schooling: Wie in vielen Familien sind auch bei der Tuttlinger Familie Utz derzeit alle Familienmi­tglieder rund um die Uhr zu Hause. Was allen am meisten fehlt, ist der Kontakt zu den Freunden.

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