Heuberger Bote

Den Horizont erweitern: Krawietz jobbt am Kühlregal

Der Grand-Slam-Doppelsieg­er arbeitet auf 450-Euro-Basis im Supermarkt

- KÖLN

(SID) - Obst und Gemüse gehen gut weg, in Gang sieben werden die Nudeln schon wieder knapp. Und am Kühlregal ist sowieso immer was zu tun. Der Alltag des Tennisprof­is Kevin Krawietz hat an Glamour verloren, keine Frage. Knapp elf Monate ist es her, da gewann der DoppelSpez­ialist an der Seite von Andreas Mies die French Open in Paris. Heute räumt Krawietz im Supermarkt Regale ein, um den eigenen Horizont zu erweitern, wie er sagt.

„Seit ein paar Wochen arbeite ich auf 450-Euro-Basis bei einem Discounter“, erzählte Krawietz im Interview mit dem „Spiegel“, und er fühlt sich an Erfahrung reicher. Zum ersten Mal in seinem Leben geht der 28Jährige einem Job abseits des gelben Filzballs nach, die Zwangspaus­e während der Corona-Krise macht es möglich.

„Ich räume zusammen mit einem Kumpel Regale ein und aus, schaue, dass Wurst und Käse aufgefüllt sind und sortiere leere Kartons aus, wir nennen das abschachte­ln“, berichtet Krawietz: „Letzte Woche habe ich einmal vor dem Eingang Security gemacht und die Einkaufswa­gen mit Desinfekti­onsmittel besprüht.“

Er habe generell schon länger vorgehabt, „mal in einen normalen Job reinzuscha­uen. Durch Corona habe ich nun die Gelegenhei­t dazu“, sagte Krawietz, der über eine Bekannte erfuhr, dass zurzeit händeringe­nd Leute für die Filialen gesucht werden. Durch seinen neuen Job habe er vor allem „mehr Wertschätz­ung“. „Die Kollegen hier stehen teilweise um fünf Uhr auf, sind ab halb sechs im Laden, um die Regale zu befüllen. Ich hingegen hatte in meinem Leben den Luxus, mein Hobby zum Beruf machen zu können“, sagte Krawietz.

Das war allerdings auch für den Coburger kein ganz einfacher Weg.

Krawietz gehörte nie zu denen, die Unsummen auf der Profitour verdienen. Bis zum Durchbruch 2019 war es beschwerli­ch. Für einen Turniersie­g in der zweithöchs­ten internatio­nalen Serie (Challenger) etwa gebe es zuweilen nur „etwas über tausend Euro an Preisgeld“, sagt Krawietz: „Das war dann also mein Wochenlohn. Den muss ich versteuern, dann gehen noch die Fahrtkoste­n runter und das Honorar für den Trainer.“

Für Krawietz hat es funktionie­rt, dank eines persönlich­en Sponsors und Unterstütz­ung durch die Eltern. Für die Zukunft sei dennoch wünschensw­ert, „dass man auch jenseits der Top 100 gut von dem Sport leben kann“. Es müsse möglich sein, „das Niveau mithilfe von Turnierver­anstaltern und Sponsoren auf das im Profigolf anzuheben – dort verdient der Spieler auf Weltrangli­stenplatz 200 deutlich mehr als sein Pendant im Tennis“.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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