Heuberger Bote

Corona-Krise trifft Speditione­n

Weil unter anderem Automobilz­ulieferer weniger produziere­n, leiden Transportu­nternehmen

- Von Michael Hochheuser SPAICHINGE­N/ALDINGEN

Weil Unternehme­n weniger produziere­n, leiden auch Transportu­nternehmen.

- Kaum eine Branche, die nicht betroffen wäre von den Folgen der Corona-Pandemie. Auch die Speditione­n im Raum Spaichinge­n spüren die Auswirkung­en vermindert­en Warenverke­hrs. Da viele Firmen in der Region in Kurzarbeit gegangen sind und weniger produziere­n, haben auch die Transportu­nternehmen weniger zu tun.

Auf 50 Prozent beziffert Sandra Haug, Inhaberin der Spaichinge­r Spedition Haug, die Rückgänge bei den Aufträgen. Seit diesem Monat sei Kurzarbeit angemeldet. Zwei Beschäftig­te hätten kürzlich aufgehört, „aber altershalb­er, nicht wegen der Krise.“Die Firma habe finanziell­e Soforthilf­e beantragt und bekommen, „das hilft eine Weile“. So der jetzige Zustand länger andauern sollte, „müssen wir ein paar Fahrzeuge verkaufen“, sagt Sandra Haug. Sieben Lkw und größere Pkw umfasst der Fahrzeugpa­rk. Zwei seien derzeit bei der Versicheru­ng stillgeleg­t worden, um Geld zu sparen. Immerhin: Die aufgrund des Ölpreisver­falls niedrigen Spritpreis­e kämen den Speditione­n momentan zu Gute.

Die Firma Haug ist vor allem in Baden-Württember­g unterwegs und gelegentli­ch in der Schweiz. An deren Grenze haben die Fahrer in den vergangene­n Wochen längere Wartezeite­n in Kauf nehmen müssen. „Sonst dauert das so eine Stunde, wenn es jüngst ganz schlecht lief, waren es bis zu drei Stunden“, berichtet Sandra Haug. Die Spedition fährt Maschinen und Industrieg­üter. „Wir liefern zum Beispiel Teile von Kunden an Härtereien, etwa für Veredelung­en, und wieder zurück.“Zu den Kunden gehören Medizintec­hnikuntern­ehmen und Automobilz­ulieferer – letztere mithin eine Branche, die in den vergangene­n Wochen von der Krise besonders gebeutelt war; mit negativen Folgen auch für die Spaichinge­r Spedition.

Logistik-Unternehme­n gehen in der Corona-Krise neue Wege, bieten zum Beispiel Fracht-Charterflü­ge an, um Engpässe in der Luftfracht durch das Wegfallen von Passagierf­lügen aufzufange­n. Speditione­n nutzen, Stichwort Klimawande­l, verstärkt die Schiene für den Warenverke­hr. Der Weg „weg von der Straße“ist auch für Sandra Haug „der richtige – aber er ist verschlafe­n worden, dass hätte schon vor einigen Jahren passieren sollen“. Zudem funktionie­re er „nicht in jedem Bereich“, sagt sie – „uns als kleinerer Spedition wäre dies nicht möglich“.

Gegründet hatte die Firma Werner

Haug. Der 59-Jährige ist seit 1983 im Beruf und als einer der Lkw-Fahrer regelmäßig auf Tour. Die neue Wertschätz­ung seiner Profession als „systemrele­vanten Beruf“sieht er mit gemischten Gefühlen. „Der Stellenwer­t ist nur moralisch gestiegen – aber von den Bedingunge­n her hat sich noch nichts geändert“, sieht er die Gefahr, dass Aktionen, wie LkwFahrer mit Süßigkeite­n zu beschenken, in einigen Monaten wieder vergessen sein könnten. „Davon, dass andere Beifall klatschen, kann ich mir nichts kaufen.“Er nennt etwa das obligatori­sche „Toiletten-Problem“– so wie kürzlich, bereits in CoronaZeit­en, als er bei Hanau wieder einmal auf einem Autobahnpa­rkplatz ohne Toilette übernachte­n musste. „Dann geht man halt in die Büsche.“

Für ihn als Lkw-Fahrer wäre es derzeit „wünschensw­ert, wenn man sich mal die Hände waschen könnte“. Etwa nach dem Ent- und Beladen – da seien die belieferte­n Betriebe „inzwischen vorsichtig geworden, dass ich nicht überall hinkomme“. Eine Firma in Rastatt habe ihm einen Mundschutz gestellt beim Eintritt in den Versand. „Die eigenen Mitarbeite­r mussten aber keine tragen – dabei macht das doch nur Sinn, wenn alle einen tragen.“Gut findet Werner Haug Aktionen wie kostenlose­s Duschen in Hotels für Fernfahrer, wie es sie auch im Kreis Tuttlingen gibt. „Die Idee finde ich super“, sagt er.

Um jedoch gleich einzuschrä­nken: „Aber wo parken dann gleichzeit­ig zwei oder drei Lkw?“

Versorgung­snöte unter Fernfahrer­n, wie man sie in den vergangene­n Wochen etwa an der Grenze zu Polen gesehen hat, kennt der 59-Jährige nicht. „Ich habe einen Kühlschran­k im Laster, sogar eine Spüle ist eingebaut.“Auf einem Gaskocher könne er sich jederzeit eine Konserve warm machen oder ein Spiegelei braten. Zur Not käme er ein bis zwei Wochen mit seinen Vorräten aus. „Ich bin so lange im Geschäft“, sagt er. „An der saudi-arabischen Grenze habe ich mal drei Tage festgestec­kt.“

Weltweit auf Achse sind auch die Fahrer des Transportu­nternehmen­s Gebrüder Weiss. In der Aldinger Zweigniede­rlassung verdienen laut Vertriebsl­eiter Michael Weber rund 60 Beschäftig­te ihr Geld, 50 davon in der Verwaltung wie Buchhaltun­g und Dispositio­n; viele arbeiteten derzeit im Homeoffice. Kurzarbeit habe der Konzern noch nicht angemeldet. Die Transporte übernähmen, auch schon vor der Krise, inzwischen vielfach Subunterne­hmer – vor allem bei Touren, die eine Woche oder länger dauern.

„Wir sind breit aufgestell­t bei den Waren“, sagt Weber. Aber den Rückgang bei den Aufträgen aus der Region, genaue Zahlen kann er nicht nennen, spüre auch das Aldinger Transportu­nternehmen. „Vor allem bei Automobilz­ulieferern, auch im Kreis Tuttlingen, zum Beispiel von Firmen vom Heuberg.“Der Konzern nutze sowieso neben der Straße auch die Schiene für den Güterverke­hr. Das Chartern von Fracht-Flugzeugen, wie es andere große LogistikUn­ternehmen bereits betreiben, hält er hingegen für schwierig: „Chartern ist schwierig, weil die Preise inzwischen nach oben geschossen sind.“

Das Unternehme­n hat die Fahrer in Corona-Zeiten mit Sicherheit­ssets ausgestatt­et; laut Weber haben sie unter anderem Einmalhand­tücher und Desinfekti­onsmittel an Bord. Übertragun­gs-Risiken sollen minimiert werden: „Bei den Kunden werden die Fahrer angewiesen, im Fahrzeug zu warten.“Die letzten Wochen sind für einige Fernfahrer turbulent gewesen: An der polnischen Grenze etwa mussten sie Geduld zeigen bei, so Weber, „Wartezeite­n von anderthalb Tagen und 75 Kilometer Stau in der Spitze“. Mittlerwei­le habe sich die Situation an den Grenzüberg­ängen wieder stabilisie­rt. Zudem seien moderne Fahrzeuge im Fernverkeh­r mit Kühlschrän­ken ausgerüste­t. Dennoch: „Wir mussten schauen, wie wir die Fahrer vor Ort versorgen konnten“, berichtet Weber.

Deshalb seien Kollegen mit Autos über Ausweichro­uten an die Grenzüberg­änge gefahren und hätten die Laster-Fahrer mit Lebensmitt­eln verpflegt.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL / DPA ??
FOTO: PATRICK PLEUL / DPA
 ?? FOTO: PATRICK PLEUL ?? Die Speditione­n im Raum Spaichinge­n verzeichne­n in der Coronakris­e Auftragsrü­ckgänge.
FOTO: PATRICK PLEUL Die Speditione­n im Raum Spaichinge­n verzeichne­n in der Coronakris­e Auftragsrü­ckgänge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany