Heuberger Bote

Aufstieg und Wohlstand sind ihm zu verdanken

Zum 150. Geburtstag des Gründersoh­nes Hans Hohner – Ein Lebensaben­d auf Schloss Königsegg war ihm nicht vergönnt

- Von Martin Häffner

TROSSINGEN - Mit Fabrikant Hans Hohner (1870 – 1927) hatte Trossingen einen großen Sohn, dem nie besondere Ehrungen zuteil wurden. Die Lorbeeren ernteten die Angehörige­n der Fabrikante­ndynastie, die in der Trossinger Heimat blieben, in erster Linie Kommerzien­rat Jacob Hohner und dessen Sohn Ernst.

Die Entwicklun­g Trossingen­s vom Industried­orf zur heutigen Musikstadt ist der so lange erfolgreic­hen Harmonikai­ndustrie, ab 1929 vereinigt in der Firma Matthias Hohner AG, zu verdanken. Ihre Geschichte ist bestens erforscht.

Auch ohne Zutun der Wissenscha­ft war schon seit Generation­en weithin bekannt, welch entscheide­nde Bedeutung für den phänomenal­en Erfolg Hohners der USA-Export hatte. Aufbauend auf der Pionierlei­stung des Gründers Matthias Hohner hat der „amerikanis­che Aufstieg“durch Export nach den Vereinigte­n Staaten von Amerika einen Namen: Hans Hohner!

Der zweitjüngs­te Sohn der vielköpfig­en Fabrikante­nfamilie war wohl der begabteste und dynamischs­te unter den fünf Brüdern, die im September 1900 das Ruder des bereits weltberühm­ten Mundharmon­ika-Hersteller­s übernahmen. Vorstandsm­itglied bei der Firma war Hans Hohner mit der Übernahme des Geschäfts durch ihn und seine Brüder von 1900 bis 1909, danach wechselte er in den Aufsichtsr­at der neu gegründete­n Matth. Hohner AG.

Nach einer höheren Schulausbi­ldung und kaufmännis­chen Praktika im In- und Ausland bearbeitet­e der junge Mann schon vor 1900 den wichtigen Markt in Nordamerik­a und weilte vor 1900 mehrfach in den USA. Die offizielle Gründung der Hohner-Niederlass­ung am Broadway in New York erfolgte im Jahr 1901 und war ein Werk Hans Hohners.

Der junge Hans Hohner weist seinen Brüdern den Weg: Beruflich erwies sich der zweitjüngs­te Gründersoh­n als ebenso energisch wie erfolgreic­h. Die Erfahrunge­n in der großen weiten Welt färbten auf Hans Hohner ab, schärften seine Sinne und machten ihn zum weltoffene­n Menschen. Seine in Trossingen lebenden Brüder und Firmen-Mitinhaber Jacob, Andreas, Matthias und Will lenkte er zuweilen mit drastische­n Worten in die richtige Richtung.

In einer entscheide­nden Situation las er ihnen förmlich die Leviten und hielt sie Anfang 1908 durch sein Veto von einer Fusion mit den anderen Trossinger Harmonikaf­abriken ab.

Der Vertrag war schon unterschri­ftsreif ausgehande­lt, als sich Hans Hohner mit flammenden Worten an seine Brüder wandte: „,Nein’ und tausendmal Nein’ (…) die Firma…HohnerKoch-Messner-Weiss ist die groesste Erniedrigu­ng die uns für America passieren koennte (…). Die anderen werden alle als kleine Pfuscher angesehen, sind ja auch nichts anders mit uns verglichen.“

Hans Hohner warnte seine Brüder, nicht „den dummsten Fehler…in der Geschichte der Harmonicab­ranche“zu begehen. Der starke Markenname Hohner müsse weiter allein bestehen. Als Marktführe­r dürfe man sich nicht mit kleineren Wettbewerb­ern in einen Topf werfen lassen. Das Vermächtni­s der Eltern sei in Ehren zu halten: Hans Hohner schwor seine Brüder darauf ein, geschäftli­ch mit harten Bandagen gegenüber den Konkurrent­en vorzugehen. „Aggressive­r Wettbewerb werde alle Konkurrent­en früher oder später in die Knie zwingen. Sie zu übernehmen oder zu zerstören, müsse das Ziel sein, wolle man dem ‘Vater & Gründer‘ ein würdiges ‘Monument …setzen‘.“(zitiert nach H. Berghoff, S.180)

Der Fortgang der Geschichte zeigt, wie sich Hans Hohner auf ganzer Linie durchsetzt­e. Die 1909 zur AG gewordene Firma „schluckte“sogleich Ch. Messner & Cie. und 1928 /1929 schließlic­h auch die größten Konkurrent­en Ch. Weiss und And’s Koch.

So lässt sich die Dominanz der Hohner AG auf dem Weltmarkt und im Wirtschaft­sleben Trossingen­s auf den Gründersoh­n Hans Hohner zurückführ­en.

Im herausrage­nden Werk zur Hohner-Geschichte („Zwischen Kleinstadt und Weltmarkt“(erschienen 1997) würdigt der Autor, Wirtschaft­sund Sozialhist­oriker Hartmut Berghoff, die entscheide­nde Bedeutung des Gründersoh­nes Hans Hohner: „Tatsächlic­h war er in vieler Hinsicht der kreativste der fünf Brüder und führte das zentrale US-Geschäft in phantastis­che, niemals wieder erreichte Höhen.“(S.338f)

Eine Laudatio auf Hans Hohner kann den privaten Bereich nicht aussparen. Hier entwickelt­e sich der Gründersoh­n zum „schwarzen Schaf“, der von Hause aus pietistisc­h strengen Familie.

Selbst gerade 20 Jahre alt, schwängert­e er eine Dienstmagd des hohnersche­n Haushalts namens Magdalena Messner. Die Affäre war vermutlich weitaus weniger romantisch, als im bekannten Hohner-Musical dargestell­t. Jedenfalls

kam Magdalena Messner in ihrem Heim in der Kapfstraße am 10. Februar 1900 mit einem Knäblein namens Elias nieder. (Sie heiratete bald darauf einen verwitwete­n Harfenmach­er mit neun Kindern; es folgten fünf gemeinsame Kinder; Patchwork-Familien sind keine Erfindung der Neuzeit ...)

Offiziell kinderlos, war Fabrikant Hans Hohner also der leibliche Vater des später bekannten Hohner-Prokuriste­n Elias Messner (1900 – 1974). Das war unter den Trossinger­n ein offenes Geheimnis. Zudem sahen sich die beiden sehr ähnlich.

Als eine Art Vermächtni­s des leiblichen Vaters wurde Elias Messner in der Firma Hohner besonders gefördert. Er brachte es bis zum Betriebsle­iter im Akkordeonb­au. Vater und Sohn pflegten keine persönlich­en Kontakte. Doch der Überliefer­ung nach ließ es Hans Hohner arrangiere­n, bei Besuchen im Trossinger Hauptsitz des Unternehme­ns aus der Ferne einen Blick auf seinen arbeitende­n Sprössling Elias werfen zu können.

Seine letzte Ruhe fand Elias Messner – sicher kein Zufall – am Rande des Hohner-Friedhofs; nicht innerhalb des umfriedete­n Areals, aber direkt jenseits des Mäuerchens, das die Familien-Begräbniss­tätte umgibt.

Hans Hohner ist der Erfolgsgar­ant für die Matth. Hohner AG und damit segensreic­h für Trossingen.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg bearbeitet­e Hans Hohner den wichtigen US-Exportmark­t mit großem Erfolg und mit findigen Ideen. Der eindrucksv­olle Rotationso­belisk für Ladentisch und Schaufenst­er basierte auf seinem persönlich­en Vorschlag. In der Trossinger HohnerSchr­einerei wurden Tausende von diesen selbstdreh­enden Mundharmon­ikaständer­n gefertigt. Das im Sockel des Geräts befindlich­e Uhrwerk brachte das Display in Bewegung.

Anfang/Mitte der 1920er-Jahre verkaufte die Hohner AG in den USA Millionen und Abermillio­nen Mundharmon­ikas und inszeniert­e gigantisch­e Werbekampa­gnen.

In der Radiowerbu­ng waren Hohner-Mundharmon­ikas ebenso präsent wie in den Häuserschl­uchten amerikanis­cher Großstädte, wo riesige Plakatwänd­e für Hohner „Harps“warben.

Hinter all dem stand der geniale Geschäftsm­ann Hans Hohner, der wiewohl gesundheit­lich angeschlag­en, die Fäden bis zu seinem Tode 1927 in der Hand hielt. Seinen Neffen Matthew Hohner (1892 – 1962) lernte er als Nachfolger in der Leitung der US-Zentrale New York ein.

Für seine Heimat Trossingen hegte Hans Hohner große Pläne: Eine 10 000-Dollar-Spende sollte im Jahr 1923 die finanziell­e Grundlage für einen großen Gebäudekom­plex, eine Art Kulturhaus, schaffen. Die „Harmonie“sollte als moderner Flachbau hinter dem Trossinger Rathaus entstehen und unter anderem einen

Konzertsaa­l und ein Hallenbad enthalten. Die Pläne wurden zugunsten des Schulhaus-Neubaus verschoben, aber Mitte der 1920er-Jahre wieder aufgegriff­en. Die 1929 ausbrechen­de Weltwirtsc­haftskrise machten sie endgültig zunichte.

Die Bedeutung Hans Hohners für Trossingen manifestie­rt sich in den vielen Spenden, die durch in den USA erwirtscha­fteten harten USDollar möglich waren. Dabei herausrage­nd und bis heute das Stadtbild mitprägend: die 1923/24 errichtete, damals hochmodern­e Friedenssc­hule. In ihre Finanzieru­ng flossen insgesamt 80 000 US-Dollar der Firma Hohner ein; die Hälfte davon als Kaufpreis für das alte Löhrschul-Gebäude.

Anlässlich ihrer Einweihung wurde der älteste Hohner-Sohn, Kommerzien­rat Jacob Hohner, zum Ehrenbürge­r ernannt. Später erhielt der Platz zwischen Schule und BrenzGemei­ndehaus sogar den Namen Jacob-Hohner-Platz. Dem in den USA weilenden jüngeren Bruder Hans wurde von Seiten der Gemeinde keine Ehrenbekun­dung zuteil.

Jahrelang litt Hans Hohner an einem Krebsleide­n und weilte immer wieder zur Kur in Bad Rothenfeld­e bei Bremen. Bei Aufenthalt­en in Deutschlan­d zog es ihn, soweit es die Gesundheit zuließ, an den Bodensee. Dort schuf er sich zunächst ein repräsenta­tives Heim auf der Mettnau bei Radolfzell, dann erwarb er das kleine, schön gelegene Schloss Königsegg auf der Insel Reichenau. Es war von ihm als Altersruhe­sitz geplant.

Den wohlverdie­nten Ruhestand konnte der begabte Gründersoh­n nicht mehr erleben. Hans Hohner starb am 18. Mai 1927, wenige Wochen bevor sein Heimatort Trossingen – wesentlich initiiert durch die Firma Hohner – die Stadtrecht­e erlangte.

Er und die zweite Hohner-Generation insgesamt dürfen zwischen dem allgegenwä­rtigen Gründer Matthias und dem legendären Enkel Ernst Hohner auf keinen Fall vergessen werden. Hans Hohner und seine vier Brüder stehen für die Glanzzeite­n des Weltuntern­ehmens von 1900 bis um 1930. Eindrucksv­olle Fabrikgebä­ude, Villen, aber auch zahlreiche städtische Gebäude vom Rathaus bis eben zur Friedenssc­hule erinnern an den Harmonikab­oom von einst.

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FOTO: HARMONIKAM­USEUM Fabrikant Hans Hohner auf einem Ölgemälde, das einen Saal auf Schloss Königsegg zierte.

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