Land setzt auf elektrisches Fliegen
Wie Baden-Württemberg zum Vorreiter beim elektrischen Fliegen werden möchte
(md) - Mit 1,3 Millionen Euro fördert das Land BadenWürttemberg den Aufbau zweier Testzentren für elektronisches und autonomes Fliegen. In Lahr im Schwarzwald und in Mengen bei Sigmaringen sollen Unternehmen die Möglichkeit bekommen, ihre Entwicklungen in Sachen Drohnen und Flugtaxis zu testen. Der Aufbau soll spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) am Montag. Das Land sieht laut Ministerin in elektrisch und automatisiert betriebenen Drohnen und Flugzeugen einen wichtigen Zukunftsmarkt.
- Baden-Württemberg ist das Land der Erfinder, Tüftler und Denker. Vor allem in Sachen Fortbewegung ist das Bundesland einsame Spitze. Das Automobil hat hier seinen Ursprung, genauso wie das Fahrrad. Und auch was die Mobilität der Zukunft betrifft, möchte der Südwesten Deutschlands eine Vorreiterrolle einnehmen. „Die gesellschaftlichen Veränderungen wie Klimawandel und Urbanisierung bringen große Herausforderungen mit sich. Die Mobilitätskonzepte der Zukunft müssen offen für Innovationen sein“, sagte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) am Montag bei einer telefonischen Pressekonferenz. „Wir möchten die Zukunft aus Baden-Württemberg heraus gestalten.“
Konkret geht es um Fliegen mit Elektroantrieb. „Elektrisches, energieeffizientes und autonomes Fliegen kann ein wichtiger Baustein der Mobilität der Zukunft sein“, meinte die Ministerin. Schon in wenigen Jahren sollen Personen und Waren mit elektrischem Antrieb und bestenfalls ohne Pilot in der Luft unterwegs sein. Um die Entwicklung auf diesem Gebiet voranzutreiben, fördert das Land an zwei Standorten das sogenannte Testfeld eFliegen, bei dem Entwickler und Hersteller ihre neuesten Ideen in Sachen Flugkörper mit elektronischem Antrieb testen können. In Lahr im Schwarzwald testet aktuell vor allem die Firma Volocopter ihre neuesten Entwicklungen in Sachen Flugtaxi. Am Regio Airport in Mengen bei Sigmaringen geht es vor allem um das autonome Fliegen. Hier sollen künftig etwa Drohnen getestet werden, die später im Lieferdienst oder als Unterstützung der Rettungskräfte bei Katastrophen zum Einsatz kommen könnten.
Erste Testflüge hatte es im Herbst schon gegeben, wegen der CoronaBeschränkungen ruhte der Betrieb zuletzt allerdings. Nun soll es in einigen Wochen wieder losgehen – dann auch mit der Möglichkeit für externe Partner, ihre Fluggeräte zu erproben, teilte die Wirtschaftsministerin mit. Für die Forschung und Entwicklung sei die Freigabe der Testfelder ein enorm wichtiger Schritt, betonte Walter Fichter vom Institut für Flugmechanik und Flugregelung der Universität Stuttgart, der den Aufbau der Testfelder, an dem ein Konsortium mit mehr als zehn Partnern beteiligt ist, koordiniert. „Ohne die Möglichkeit,
neue Entwicklungen zu erproben, würden die Aktivitäten in eine Sackgasse laufen.“
„Das ist ein großer Sprung, den wir jetzt machen“, betonte auch Hoffmeister-Kraut. Vor allem drei Bereiche sollen in Lahr und Mengen realisiert und erprobt werden: die Schaffung der benötigten Bodeninfrastruktur wie Büros, Stellplätze für die Flugkörper und Vermessungsgeräte, die Testung der Betriebsfähigkeit der einzelnen Entwicklungen und die Integration der teilweise autonomen Flugzeuge und Drohnen in den laufenden Flugverkehr.
1,3 Millionen Euro schießt das Land vorläufig zum Aufbau der Testzentren zu. Spätestens zum Jahresende soll dieser abgeschlossen sein. Zu sehen wird es davon aber kaum etwas geben. „Wenn der Betrieb losgeht, wird sich der Himmel nicht mit Drohnen verdunkeln“, sagte Walter Fichter. Im Gegenteil: Für Außenstehende sei kaum etwas zu sehen, weder am Flughafen selbst, wo es nur einige infrastrukturelle Veränderungen
geben wird, noch am Himmel. „Man sieht nur etwas, wenn ein Flugkörper abhebt oder wieder reinkommt“, erklärte der Professor, der froh ist, dass die Tests bald starten können. Dies sei enorm wichtig, um bei der rasanten Entwicklung auf diesem Gebiet international konkurrenzfähig zu sein. Wir sind in einer guten Ausgangsposition, müssen jetzt aber etwas tun.“Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut betonte, dass die Fördersumme in den kommenden Jahren noch wachsen könnte: „Für die Zukunft sind wir da noch flexibel. Es gibt noch kein Stoppschild.“
Denn, das betont die Ministerin mehrfach, es sei enorm wichtig, dass Baden-Württemberg bei der Entwicklung der Mobilität von Morgen eine tragende Rolle einnehme. „Die Erfahrung zeigt, dass wenn die Voraussetzungen stimmen, die Innovation in der Region stattfindet und dass sich auch Firmen dort ansiedeln.“Neben den direkten Herstellern profitierten auch viele Zulieferer von den Neuentwicklungen.
Vor allem aber geht es auch darum, bedeutende Unternehmen wie Volocopter im Südwesten zu halten. Die junge Firma aus Bruchsal zählt laut Aussage von Walter Fichter von der Uni Stuttgart zu den top drei Firmen weltweit bei der Entwicklung von urbanen Fortbewegungsmitteln in der Luft. Im September sorgte Volocopter mit einem unbemannten Testflug über dem Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum europaweit für Aufsehen. „Wir hatten einige Angebote aus anderen Ländern“, sagte Fabien Nestmann von Volocopter bei der Pressekonferenz. Durch die Möglichkeit vor Ort testen zu können, sei die Entscheidung aber für einen Verbleib in Baden-Württemberg gefallen. „Wir hoffen, mit dem Testfeld weiter in der führenden Position bleiben zu können.“
Wann es die ersten Entwicklungen aus dem Testzentren in Lahr und Mengen tatsächlich in den Regelbetrieb schaffen werden, sei offen und sehr stark abhängig von Genehmigungen. „Die Behörden werden die zeitliche Perspektive am meisten treiben“, sagte Professor Fichter.
Etwas konkreter wurde da schon Fabien Nestmann von Volocopter: Das Ziel sei es im Jahr 2023 mit einem zugelassenen Flugtaxi mehrere Routen in einer Millionenstadt zu bedienen – zunächst mit einem Piloten und einem Fluggast, später mit zwei Gästen in einem autonomen Fluggerät. Bis es aber Flugtaxis in Baden-Württemberg geben wird, wird es noch deutlich länger dauern. Zwar sei auch der ländliche Raum als Einsatzgebiet interessant, aber Volocopter wolle sich zunächst auf urbane Ballungszentren konzentrieren. „Wir können uns heute noch nicht vorstellen, wie groß der Markt ist“, sagte Nestmann und ließ aufhorchen: „Ich glaube, auch Gottlieb Daimler wusste damals nicht, wie viele Autos einmal herumfahren werden.“Ob das Flugtaxi aus Baden-Württemberg letztlich wirklich zu so einer Erfolgsgeschichte wird wie das Automobil und das Fahrrad, das wird sich wohl erst in ferner Zukunft zeigen.