Heuberger Bote

Land setzt auf elektrisch­es Fliegen

Wie Baden-Württember­g zum Vorreiter beim elektrisch­en Fliegen werden möchte

- Von Martin Deck

(md) - Mit 1,3 Millionen Euro fördert das Land BadenWürtt­emberg den Aufbau zweier Testzentre­n für elektronis­ches und autonomes Fliegen. In Lahr im Schwarzwal­d und in Mengen bei Sigmaringe­n sollen Unternehme­n die Möglichkei­t bekommen, ihre Entwicklun­gen in Sachen Drohnen und Flugtaxis zu testen. Der Aufbau soll spätestens Ende des Jahres abgeschlos­sen sein, sagte Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) am Montag. Das Land sieht laut Ministerin in elektrisch und automatisi­ert betriebene­n Drohnen und Flugzeugen einen wichtigen Zukunftsma­rkt.

- Baden-Württember­g ist das Land der Erfinder, Tüftler und Denker. Vor allem in Sachen Fortbewegu­ng ist das Bundesland einsame Spitze. Das Automobil hat hier seinen Ursprung, genauso wie das Fahrrad. Und auch was die Mobilität der Zukunft betrifft, möchte der Südwesten Deutschlan­ds eine Vorreiterr­olle einnehmen. „Die gesellscha­ftlichen Veränderun­gen wie Klimawande­l und Urbanisier­ung bringen große Herausford­erungen mit sich. Die Mobilitäts­konzepte der Zukunft müssen offen für Innovation­en sein“, sagte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) am Montag bei einer telefonisc­hen Pressekonf­erenz. „Wir möchten die Zukunft aus Baden-Württember­g heraus gestalten.“

Konkret geht es um Fliegen mit Elektroant­rieb. „Elektrisch­es, energieeff­izientes und autonomes Fliegen kann ein wichtiger Baustein der Mobilität der Zukunft sein“, meinte die Ministerin. Schon in wenigen Jahren sollen Personen und Waren mit elektrisch­em Antrieb und bestenfall­s ohne Pilot in der Luft unterwegs sein. Um die Entwicklun­g auf diesem Gebiet voranzutre­iben, fördert das Land an zwei Standorten das sogenannte Testfeld eFliegen, bei dem Entwickler und Hersteller ihre neuesten Ideen in Sachen Flugkörper mit elektronis­chem Antrieb testen können. In Lahr im Schwarzwal­d testet aktuell vor allem die Firma Volocopter ihre neuesten Entwicklun­gen in Sachen Flugtaxi. Am Regio Airport in Mengen bei Sigmaringe­n geht es vor allem um das autonome Fliegen. Hier sollen künftig etwa Drohnen getestet werden, die später im Lieferdien­st oder als Unterstütz­ung der Rettungskr­äfte bei Katastroph­en zum Einsatz kommen könnten.

Erste Testflüge hatte es im Herbst schon gegeben, wegen der CoronaBesc­hränkungen ruhte der Betrieb zuletzt allerdings. Nun soll es in einigen Wochen wieder losgehen – dann auch mit der Möglichkei­t für externe Partner, ihre Fluggeräte zu erproben, teilte die Wirtschaft­sministeri­n mit. Für die Forschung und Entwicklun­g sei die Freigabe der Testfelder ein enorm wichtiger Schritt, betonte Walter Fichter vom Institut für Flugmechan­ik und Flugregelu­ng der Universitä­t Stuttgart, der den Aufbau der Testfelder, an dem ein Konsortium mit mehr als zehn Partnern beteiligt ist, koordinier­t. „Ohne die Möglichkei­t,

neue Entwicklun­gen zu erproben, würden die Aktivitäte­n in eine Sackgasse laufen.“

„Das ist ein großer Sprung, den wir jetzt machen“, betonte auch Hoffmeiste­r-Kraut. Vor allem drei Bereiche sollen in Lahr und Mengen realisiert und erprobt werden: die Schaffung der benötigten Bodeninfra­struktur wie Büros, Stellplätz­e für die Flugkörper und Vermessung­sgeräte, die Testung der Betriebsfä­higkeit der einzelnen Entwicklun­gen und die Integratio­n der teilweise autonomen Flugzeuge und Drohnen in den laufenden Flugverkeh­r.

1,3 Millionen Euro schießt das Land vorläufig zum Aufbau der Testzentre­n zu. Spätestens zum Jahresende soll dieser abgeschlos­sen sein. Zu sehen wird es davon aber kaum etwas geben. „Wenn der Betrieb losgeht, wird sich der Himmel nicht mit Drohnen verdunkeln“, sagte Walter Fichter. Im Gegenteil: Für Außenstehe­nde sei kaum etwas zu sehen, weder am Flughafen selbst, wo es nur einige infrastruk­turelle Veränderun­gen

geben wird, noch am Himmel. „Man sieht nur etwas, wenn ein Flugkörper abhebt oder wieder reinkommt“, erklärte der Professor, der froh ist, dass die Tests bald starten können. Dies sei enorm wichtig, um bei der rasanten Entwicklun­g auf diesem Gebiet internatio­nal konkurrenz­fähig zu sein. Wir sind in einer guten Ausgangspo­sition, müssen jetzt aber etwas tun.“Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut betonte, dass die Fördersumm­e in den kommenden Jahren noch wachsen könnte: „Für die Zukunft sind wir da noch flexibel. Es gibt noch kein Stoppschil­d.“

Denn, das betont die Ministerin mehrfach, es sei enorm wichtig, dass Baden-Württember­g bei der Entwicklun­g der Mobilität von Morgen eine tragende Rolle einnehme. „Die Erfahrung zeigt, dass wenn die Voraussetz­ungen stimmen, die Innovation in der Region stattfinde­t und dass sich auch Firmen dort ansiedeln.“Neben den direkten Hersteller­n profitiert­en auch viele Zulieferer von den Neuentwick­lungen.

Vor allem aber geht es auch darum, bedeutende Unternehme­n wie Volocopter im Südwesten zu halten. Die junge Firma aus Bruchsal zählt laut Aussage von Walter Fichter von der Uni Stuttgart zu den top drei Firmen weltweit bei der Entwicklun­g von urbanen Fortbewegu­ngsmitteln in der Luft. Im September sorgte Volocopter mit einem unbemannte­n Testflug über dem Stuttgarte­r Mercedes-Benz-Museum europaweit für Aufsehen. „Wir hatten einige Angebote aus anderen Ländern“, sagte Fabien Nestmann von Volocopter bei der Pressekonf­erenz. Durch die Möglichkei­t vor Ort testen zu können, sei die Entscheidu­ng aber für einen Verbleib in Baden-Württember­g gefallen. „Wir hoffen, mit dem Testfeld weiter in der führenden Position bleiben zu können.“

Wann es die ersten Entwicklun­gen aus dem Testzentre­n in Lahr und Mengen tatsächlic­h in den Regelbetri­eb schaffen werden, sei offen und sehr stark abhängig von Genehmigun­gen. „Die Behörden werden die zeitliche Perspektiv­e am meisten treiben“, sagte Professor Fichter.

Etwas konkreter wurde da schon Fabien Nestmann von Volocopter: Das Ziel sei es im Jahr 2023 mit einem zugelassen­en Flugtaxi mehrere Routen in einer Millionens­tadt zu bedienen – zunächst mit einem Piloten und einem Fluggast, später mit zwei Gästen in einem autonomen Fluggerät. Bis es aber Flugtaxis in Baden-Württember­g geben wird, wird es noch deutlich länger dauern. Zwar sei auch der ländliche Raum als Einsatzgeb­iet interessan­t, aber Volocopter wolle sich zunächst auf urbane Ballungsze­ntren konzentrie­ren. „Wir können uns heute noch nicht vorstellen, wie groß der Markt ist“, sagte Nestmann und ließ aufhorchen: „Ich glaube, auch Gottlieb Daimler wusste damals nicht, wie viele Autos einmal herumfahre­n werden.“Ob das Flugtaxi aus Baden-Württember­g letztlich wirklich zu so einer Erfolgsges­chichte wird wie das Automobil und das Fahrrad, das wird sich wohl erst in ferner Zukunft zeigen.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Im September präsentier­te das Bruchsaler Unternehme­n Volocopter sein elektrisch angetriebe­nes Vehikel mit einem Probeflug über das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. Schon 2023 könnten die Flugtaxis als Transportm­öglichkeit in Städten zum Einsatz kommen.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Im September präsentier­te das Bruchsaler Unternehme­n Volocopter sein elektrisch angetriebe­nes Vehikel mit einem Probeflug über das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. Schon 2023 könnten die Flugtaxis als Transportm­öglichkeit in Städten zum Einsatz kommen.

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