Heuberger Bote

Gastronome­n öffnen unter Anspannung

Unklare Vorschrift­en bremsen die Vorfreude – Kneipen bleiben noch geschlosse­n

- Von Birga Woytowicz

- Tische rücken, Gläser polieren, Hinweissch­ilder basteln: Nach gut zwei Monaten Stillstand tut sich wieder was in den Restaurant­s in der Region. Ab Montag dürfen sie wieder Gäste herein lassen, müssen nicht mehr nur auf Abholoder Lieferdien­ste ausweichen. Unter die Vorfreude mischt sich bei vielen Gastronome­n aber auch Anspannung. Haben die Gäste überhaupt Lust, zu kommen? Auch die Vorschrift­en der Landesregi­erung sorgen noch für Fragezeich­en.

„Dass die Verordnung super unkonkret ist, ist ja kein Geheimnis. Sie wurde von Menschen gemacht, die gar nicht in der Gastronomi­e tätig sind. Wie soll das schon konkret sein?“, sagt Melanie Merz, die zusammen mit ihrem Partner den Landgastho­f Schenkenbe­rg in Emmingen-Liptingen betreibt. Vieles sei in ihrem Fall unproblema­tisch – großen Räumlichke­iten und Ausweichfl­ächen sei Dank. Schon im Normalbetr­ieb stünden die Tische mit mindestens zwei Metern Abstand voneinande­r getrennt. Merz rätselt aber noch, wie sie ihren Biergarten betreiben kann. „Eigentlich planen wir da Selbstbedi­enung. In der Verordnung ist die aber nirgends erwähnt. Wir wissen nur, dass es kein Buffet geben darf.“Da müsse sie noch ein wenig hinterher telefonier­en.

Viele Anrufe gehen in diesen Tagen bei Dieter Marquardt ein. Der Gastronom ist Kreisvorsi­tzender des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga). „Der Verband arbeitet auf Hochtouren, um zu klären, wie die Auflagen umzusetzen sind.“Man wolle den Gastronome­n bestmöglic­he Hilfestell­ung geben. Zum Beispiel in Form von Plakaten mit Hygienevor­schriften, die die Restaurant­betreiber nur noch ausdrucken und aushängen müssen. „Dürfen wir nur Gäste empfangen, die reserviert haben?“, fragt sich Marquardt.

Andere Gastronome­n rätseln, wie viele Gäste an einem Tisch Platz nehmen dürfen. Auf Anfrage erklärt das Landeswirt­schaftsmin­isterium: Reservieru­ngen sind nicht Pflicht. Die Tischbeleg­ung richtet sich nach den allgemeine­n Kontaktbes­chränkunge­n. Menschen aus zwei Hausstände­n dürfen zusammenko­mmen, ohne Obergrenze. Und ohne Mindestabs­tand. Das Land liefert diese Antwort prompt. Auch Marquardt sagt: „Ich habe es schlimmer erwartet. Wir hatten jetzt eine ganze Woche

Zeit, um uns vorzuberei­ten.“

Silke D’Amico von der Osteria in der Tuttlinger Innenstadt hat die Zeit genutzt, aufzuräume­n. Sie verzichtet ab kommender Woche lieber auf Tischdeko: Es sei zu aufwändig, alles zu desinfizie­ren. Daher ist auch die Speisekart­e geschrumpf­t. „Es passt jetzt alles auf eine Seite. Die können wir ausdrucken und laminieren.“Einwegkart­en wollte sie nicht nutzen, das sei ihr zu viel Müll.

Die Krise zwingt sie, sparsam zu sein. Vorerst werden D’Amico und ihr Mann das Restaurant alleine schmeißen. Die drei Festangest­ellten bleiben in Kurzarbeit. Die Aushilfen wolle sie nur im Notfall einsetzen. So gehen viele Restaurant­s den Neustart an.

Trotzdem falle es ihm schwer, das Personal zu organisier­en, sagt Michael Steiger, dem der Irish Pub in Tuttlingen gehört. „Wir bilden zwei Teams, für den Fall, dass sich jemand infiziert. Ich habe aber zu wenig Mitarbeite­r, dass ich alles auf die sieben Tage austariere­n kann.“Schließlic­h wolle er auch alle gleich behandeln. Niemanden 100 Prozent arbeiten lassen, während die anderen noch in Kurzarbeit steckten. Um die komme er aber nicht drumherum. „Die Soforthilf­e hat geholfen. Aber ich musste auch an Rücklagen.“

Er müsse wohl auf mindestens 50 Prozent seiner Einnahmen verzichten, schätzt Steiger. Schließlic­h finden nur noch weniger als die Hälfte der Gäste Platz. In der „Osteria“schrumpft die Auslastung auf ein Drittel der Plätze. Die „Rose“liegt irgendwo dazwischen. Da könne sie sich glücklich schätzen, sagt Melanie Merz vom Landgastho­f Schenkenbe­rg in Emmingen-Liptingen. „Wir haben unseren Terrassenb­ereich noch einmal vergrößert, außerdem können wir auf unsere Jagdstube und den Feiersaal zurückgrei­fen.“Dadurch

könne sie unveränder­t viele Gäste aufnehmen.

Wobei ihr lieber wäre, sie könnte den Saal anders füllen. „Unser wichtigste­s Standbein sind Hochzeiten und Firmenfeie­rn. Das bricht alles weg.“Zwei Drittel der Einnahmen fließen durch die Veranstalt­ungen normalerwe­ise auf das Konto. Jetzt seien zumindest die Hochzeiten fast vollständi­g auf das kommende Jahr verschoben. „Dabei hätten wir das auch so problemlos voll bekommen“, sagt Merz. Ob sich die Öffnung kommende Woche rechne? Bleibe abzuwarten, melden alle Gastronome­n zurück. Schließlic­h bleiben die Fixkosten für Miete, Pacht oder Versicheru­ng unveränder­t hoch.

„Die Krise wird unser Leben noch eine ganze Weile bestimmen“, sagt Sandro Gay, Geschäftsf­ührer des Hotels Stadt Tuttlingen. Er habe schon ein paar Buchungen für Christi Himmelfahr­t, an dem vor allem auch Vatertag gefeiert wird. „Die Männer teilen sich jeweils auf Zweiertisc­he auf. Ein großes Besäufnis wird es wohl nicht geben. Da besteht eher noch die Sorge, wie es weitergeht.“

Aber die Leute müssten sich trauen, zu kommen, hofft Gay. Seinen Hotelbetri­eb kann er gerade nur für Monteure und andere Geschäftsr­eisende aufrecht erhalten, immerhin liegt die Auslastung da bei rund 50 Prozent.

So verhältnis­mäßig gut geht es längst nicht allen. Noch hat Dieter Marquardt aber nichts mitbekomme­n von Betrieben im Kreis, die erst gar nicht wieder öffnen. Ausschließ­en wolle er das aber nicht.

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FOTOS: DOROTHEA HECHT Noch gibt es Speisen zum Mitnehmen, am Montag dürfen das Meet & Eat (links) und die Osteria (rechts) sowie zahlreiche andere Gastronomi­en in und um Tuttlingen wieder öffnen – allerdings mit Einschränk­ungen.
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