Milliarden-Hilfspaket für die Lufthansa
Staat beteiligt sich an der kriselnden Fluglinie – Kritik von Grünen und Linken
(dpa/sz) - Etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Verkauf der letzten Aktien wird die Bundesrepublik Deutschland wieder Anteilseigner bei der schwer angeschlagenen Lufthansa. Bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung über milliardenschwere Staatshilfen für die Fluglinie steht nun der Rettungsplan. Er sieht Steuergelder von insgesamt neun Milliarden Euro vor, um die Airline durch die Corona-Krise zu lotsen. Der Bund will sich mit 20 Prozent direkt an dem kriselnden Konzern beteiligen. Die Regierung erhält demnach wie erwartet zwei Sitze im Aufsichtsrat. Das Hilfspaket für die Lufthansa ist das größte für ein einzelnes Unternehmen während der Corona-Krise.
Die Lufthansa bestätigte in der Nacht zum Donnerstag in einer Pflichtmitteilung an die Börse, dass das Management aktuell „fortgeschrittene Gespräche“zur konkreten Ausgestaltung eines Stabilisierungspakets führe. Die Verhandlungen dauerten am Donnerstag an, es fehlte noch das offizielle Angebot der Bundesregierung an die Lufthansa. Vorstand
und Aufsichtsrat des Unternehmens müssen noch zustimmen.
Der Fluggesellschaft droht aktuell das Geld auszugehen. Der LufthansaKonzern war wie die gesamte Branche vom Corona-Schock hart getroffen worden und verliert derzeit rund 800 Millionen Euro Barmittel im Monat. Lufthansa reduzierte den Passagierbetrieb in der Krise auf ein Minimum und flog zwischenzeitlich nur noch knapp ein Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorjahr. Im Konzern mit seinen rund 138 000 Beschäftigten stehen Zehntausende Arbeitsplätze
auf der Kippe. Inzwischen läuft der Verkehr wieder an.
Der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion begrüßte den Plan. „Es ist gut, dass Lufthansa gestützt wird, ohne Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen“, sagte Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) dem „Handelsblatt“. Kritik kam dagegen von Grünen und Linken. Vertreter beider Parteien bemängelten den geringen Einfluss der Regierung auf Unternehmensentscheidungen bei gleichzeitig hohem Einsatz von Steuermitteln.
- Für Deutschlands große Fluglinie naht die Rettung vor der coronabedingten Insolvenz: Lufthansa und Bundesregierung haben die Eckpunkte für ein milliardenschweres Rettungspaket festgelegt. Das Unternehmen bestätigte am Donnerstag „fortgeschrittene Gespräche“über die Hilfen. Der Staat würde demnach neun Milliarden Euro in die Airline investieren und dafür erstmals seit 23 Jahren wieder Anteilseigner werden.
Am Mittwochabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine baldige Einigung angekündigt. Damit enden acht Wochen des Ringens um den richtigen Weg zur staatlichen Rettung des Großkonzerns. Die Manager des Unternehmens wollten staatlichen Einfluss möglichst vermeiden, damit Politiker nicht künftig in geschäftlichen Fragen mitreden können. Es bleibt ihnen aber derzeit keine andere Wahl, als die Hilfe der Regierung anzunehmen.
Bei der Rettung der Lufthansa geht es nicht nur um den Erhalt eines deutschen Prestigeunternehmens, sondern auch um wertvolle Arbeitsplätze und um wichtige Infrastruktur.
Das neue Coronavirus hatte einen anderthalb Jahrzehnte langen Boom der Luftfahrt abrupt beendet. Mit den Reisebeschränkungen ist der Flugverkehr im März und April um 80 Prozent eingebrochen, wie der Weltverband der Luftfahrtbranche IATA mitgeteilt hat. Die IATA erwartet in diesem Jahr einen Rückgang des Ticketverkaufs um gut die Hälfte und damit einen Ausfall an Einnahmen in Höhe 300 Milliarden Euro.
Anders als bei regionalen oder selbstverschuldeten Krisen trifft das alle Anbieter gleichermaßen. IATAGeneraldirektor Alexandre de Juniac erwartet auch nach dem Ende der Pandemie nur eine schleppende Erholung. Das entspricht einer aktuellen Einschätzung der Lufthansa: Auch im kommenden Jahr werden gruppenweit noch 300 von 760 Flugzeugen am Boden bleiben. Erst für 2023 erwartet das Unternehmen, die Krise hinter sich zu lassen.
Einen Schock mit derartigen Langzeitfolgen verkraftet kein Unternehmen. Das Überleben von ohnehin angeschlagenen Fluglinien steht durchweg infrage. Norwegian
Airlines oder Alitalia waren schon vor der Krise in Geldnot und drohten, dem Weg von Thomas Cook Aviation, Jet Airways oder Adria Airways in die Pleite zu folgen. Ein wenig kommt die Krise für sie nun als Erleichterung, denn plötzlich sind die Regierungen großzügig mit Staatshilfe.
Andere Namen müssen nun grummelnd Hilfe akzeptieren, die sie vor Corona nie gewollt hätten: Die Lufthansa, ihr US-Konkurrent Delta Airlines oder ihr asiatischer Partner Singapore Airlines gehörten zu den profitabelsten Vertretern der Branche. Doch immerhin stehen hier die Retter bereit. Wer keine zahlungskräftige Regierung im Rücken hat, rutsche nun unausweichlich in die Zahlungsunfähigkeit – beispielsweise Virgin Australia, deren Schuldenstand auf fast sieben Milliarden Dollar hochgeschnellt ist.
Die Kapitalspritze für die Lufthansa kommt zum größten Teil vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Regierung. Dieser kauft dazu Aktien, die das Unternehmen neu ausgibt. Theoretisch gibt das der Regierung die Mitspracherechte, die jeder Großaktionär genießt. Diese können über die Besetzung der Konzernspitze mitentscheiden und strategische Impulse vorgeben. Der Staat gelobt jedoch Zurückhaltung: „Der WSF beabsichtigt, die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte insgesamt nur in Ausnahmefällen wie dem Schutz vor einer Übernahme auszuüben“, heißt es in der Mitteilung der Lufthansa. Zudem erhält die Airline einen günstigen Kredit der Förderbank KfW über drei Milliarden Euro. Damit entfaltet sich jetzt im Wesentlichen das Szenario, das sich das Management gewünscht hat.
Der WSF soll der Lufthansa im nächsten Schritt ein offizielles Angebot unterbreiten. Dann werden der Vorstand und der Aufsichtsrat der Lufthansa darüber entscheiden. Finanzminister Olaf Scholz hat den WSF Ende März ins Leben gerufen. „Mit dem Fonds verschaffen wir uns die nötige Finanzkraft, unsere Volkswirtschaft, Arbeitsplätze und große deutsche Unternehmen zu schützen“, sagte Scholz. Damit war das nötige Instrument für die LufthansaRettung vorhanden. Der WSF soll zunächst nur bis Ende kommenden Jahres aktiv sein. Was danach mit den Lufthansa-Anteilen passiert, ist noch nicht geklärt.