Der Versuch, Jugendliche vor der Hartz-IV-Karriere zu bewahren
Die Stadt Trossingen unterstützt die Löhrschule mit 45 000 Euro für ein Berufseinstiegsprogramm
- Trossingen übernimmt teilweise die finanzielle Förderung eines Projekts an der Löhrschule, das Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen den Berufsstart erleichtern soll. Nötig geworden ist dies, weil die EU sich aus dem Projekt zurückgezogen hat und damit eine Finanzierungslücke in Höhe von 45000 Euro auf zwei Jahre entstanden ist. Rektor Steffen Finsterle hofft so, Jugendliche zu erreichen, die sonst auf der Strecke bleiben würden.
„Durch das Programm arbeiten zwei Berufs einstiegsbeg leiterinnen bei uns und können Teile dessen auffangen, was die Familien Zuhause nicht mehr leisten“, sagt Steffen Finsterle. Der Rektor der Löhrschule, an der die Schüler den Hauptschul- und den Werk real schulabschluss machen können, weiß von dramatischen Lebens wegen zu berichten. „Da ist zum Beispiel ein 15-jähriger Junge, der bei uns vor zwei Jahren abgeschult wurde, weil er zwei Mal die achte Klasse wiederholt hat. Der hat die letzten zwei Jahre vermutlich nur vor dem Supermarkt verbracht.“Immer häufiger gebe es Jugendliche, die den Kontakt zur Schule verweigerten. „Das sind die Langzeitverweigerer. Gucken Sie nur, wie viele tagsüber draußen rumlungern“, sagte Finsterle. „Wir als Löhrschule haben von dem Projekt nichts, die Schüler verlassen uns ja. Es geht um die Frage: Was kommt für die Schüler danach?“
Nicht alle Jugendlichen könne das Projekt erreichen, aber eben doch einige. „Es ist mehr als nur die Hilfe beim Bewerbungen schreiben, sondern auch eine Sozialbetreuung. Es geht darum, herauszubekommen, wo liegen die Interessen und Fähigkeiten des einzelnen Jugendlichen.“
„Im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 haben 40 Schüler die Maßnahme durchlaufen. Nur 17 davon haben eine Ausbildung angefangen. Was ist mit den anderen?“, nannte Finsterle ernüchternde Zahlen und schob einen Gedanken nach: „Was wäre aus den 17 ohne das Programm geworden?“ So sah das auch Hauptamtsleiter Ralf Sulzmann. „Wir sind in der Zwickmühle, dass es nicht die Aufgabe des Schulträgers ist, das Projekt finanziell zu unterstützen, aber wir halten es für ein sehr gutes Programm.“
Dieser Einschätzung schlossen sich auch die Gemeinderäte an und stimmten einstimmig dafür. „Das klingt nach einem Hilferuf. Wenn von 40 Jugendlichen 17 eine Ausbildung gemacht haben, dann geht das in eine gute Richtung“, sagte Gustav Betzler (Freie Wähler). Auch Susanne Reinhardt-Klotz (OGL) hielt das Projekt für „unbedingt notwendig“. Ohne dieses würde nicht nur den Jugendlichen die notwendige Hilfe vorenthalten, sondern auch zusätzliche Kosten verursacht werden, weil die Jugendlichen ohne Ausbildung wohl dauerhaft von Sozialleistungen abhängig werden würden. „Die 45000 Euro tun uns zwar weh, aber wenn es hilft, einige vor der HartzIV-Karriere zu bewahren, lohnt es sich“, so Jürgen Vosseler von der
CDU.
„Wir lassen Sie nicht im Stich“, versprach Thomas Springer von der FDP dem Rektor. Aus eigener Erfahrung konnte Vatche Kayfedjian von der SPD berichten. Der Filialleiter eines Lidls hat „viele Praktikanten von der Löhrschule. Diese jungen Menschen brauchen dringend eine solche Hilfe wie die durch das Projekt. Das ist eine super Maßnahme“, lobte Kayfedjian.
Steffen Finsterle bedankte sich für die Unterstützung durch Stadt und Gemeinderat und versicherte: „Wir geben jeden Tag unser Bestes.“
Ungewiss ist, ob das Projekt über das Jahr 2024 weiterlaufen wird.