Das Ende der Ruhe rückt näher
Europa-Park-Chef Roland Mack über Umsatzeinbußen durch Corona und Achterbahnfahren mit Mundschutz
Die Vergnügungsparks in Deutschland leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie. Auch der Europa-Park in Rust (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa) kämpft mit gewaltigen Einnahmeverlusten. Doch es gibt Hoffnung für das Unternehmen und die AchterbahnFans: Am 29. Mai öffnet der am besten besuchte Freizeitpark Deutschlands wieder – natürlich unter Auflagen. Was er sich erhofft und wie sein Unternehmen durch die Krise kommt, erklärt Park-Chef Roland Mack in unserem Interview.
- Rund 5,6 Millionen Menschen strömen jedes Jahr in den Europa-Park, Deutschlands größten Freizeitpark. Seit dem Lockdown aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen steht aber in Rust bei Freiburg alles still. Doch Achterbahn-Fans können sich freuen: Vom 29. Mai an dürfen auch Freizeitparks wieder öffnen. Im Interview mit Martin Deck erklärt Europa-Park-Chef Roland Mack, wie Besucher und Mitarbeiter vor dem Coronavirus geschützt werden sollen und wie schwer die Pandemie den Park finanziell trifft.
Herr Mack, der Europa-Park geht mit zwei Monaten Verspätung in seine 46. Saison. Haben Sie in all der Zeit schon einmal eine vergleichbare Situation wie in den vergangenen Wochen erlebt?
Nein, das ist absolut neu für uns alle. In der Anfangsphase Anfang der 1970er-Jahre, als wir gebaut haben, hatten wir mal eine Ölkrise. Da waren mein Vater und ich auch teilweise völlig allein im Park unterwegs, weil am Wochenende der Verkehr stillstand. Das war ein ähnliches Gefühl. Danach haben wir immer wieder solche Szenarien durchgesprochen. Aber dass es mal zu einem kompletten Shutdown kommt, der jetzt schon zehn Wochen andauert, konnte man nicht absehen. Das hat uns kalt erwischt.
Obwohl Sie sich in der Vergangenheit also durchaus auf Krisen vorbereitet haben, waren Sie auf diese Pandemie also nicht vorbereitet?
Wir hatten eine leichte Vorwarnung, dadurch dass wir im Fernsehen beobachten konnten, wie das Ganze in China losging. Ich habe daraufhin direkt meine Kontakte zu Kollegen in China spielen lassen, die mir relativ früh mitgeteilt haben, dass sie aus dem Betrieb gehen. So hatten wir schon mal eine Vorahnung, wie es unserer Branche weit weg von uns ergeht. Als die Einschläge dann auch hier immer näherkamen, wurden auch die Gespräche bei uns intensiver. Ab da haben wir begonnen, uns mehr und mehr auf eine solche Krise einzustellen.
Haben Sie mit solchen Ausmaßen gerechnet?
Nein. Selbst als uns die Veranstaltungen von Februar an und damit innerhalb von wenigen Tagen ein Umsatz von zehn Millionen Euro weggebrochen sind, dachten wir noch nicht daran, dass der Park darunter leiden würde. Doch dann kam eines Morgens der Bürgermeister mit einer Verfügung um die Ecke und hat uns mitgeteilt, dass wir unseren Wasserpark Rulantica schließen müssen. Da haben wir endgültig kapiert, was die Uhr geschlagen hat.
Rulantica war da gerade einmal drei Monate im Betrieb seit der Eröffnung im November. Wie sehr schmerzt es, dass die neue Attraktion jetzt schon wieder geschlossen ist?
Wenn man etwas Gutes daran finden will, waren wir immerhin drei Monamal te in Betrieb und konnten die ersten Erfahrungen sammeln. Es wäre gar nicht auszudenken gewesen, wenn der Stopp in der Phase gekommen wäre, in der wir gerade in der Fertigstellung waren. Da wäre dann der ganze Mut weg gewesen. Insofern ist es zwar bitter, aber es hätte noch schlimmer kommen können.
Dennoch haben die CoronaSchutzmaßnahmen den EuropaPark hart getroffen.
Ich musste erst mal schauen, wie ich das Unternehmen durch diese schwierige Zeit bringe. Wir haben den größten Park, das größte Hotelressort und die größte zusammenhängende Gastronomie in Deutschland und dazu noch den Wasserpark. Das erste Thema war Kurzarbeit. Da hatten wir zum Glück große Unterstützung vom Arbeitsamt. Schritt zwei war die Frage, was können wir an Steuern zurückholen, um Liquidität aufzubauen, was können wir an Vorauszahlungen einbremsen. Punkt drei war zu klären, welche Investitionen wir noch einbremsen können. Wir hatten zum Beispiel einen großen Wellnessbereich geplant gehabt, wir hatten ein großes Restaurantbauvorhaben, und wir wollten den Wasserpark mit einem Saunabau im Außenbereich erweitern. Wir haben von heute auf morgen ein Investitionsvolumen von 40 Millionen Euro eingebremst. Und dann haben wir auf Durchhaltemodus gestellt.
Was hat sie der Lockdown bislang gekostet und wie stemmen Sie die Einbußen?
Der Umsatzverlust liegt jetzt schon bei mehr als 100 Millionen Euro und wird weiter ansteigen, da wir ja erst
nur im stark eingeschränkten Betrieb starten können. Wir haben die Kreditlinien ausgenutzt, die wir durch die großen Baumaßnahmen hatten und haben gute Bankverbindungen. Insofern haben wir die KfW-Mittel nicht gebraucht. Was aber bitter ist, ist, dass wir nach dem Bau von Rulantica über wenig Eigenkapital verfügen und mit Ausnahme der Kurzarbeit bei allen Fördermaßnahmen durchs Raster fallen.
Hätten Sie sich mehr Hilfe erhofft?
Im Grunde kann der Staat dankbar sein, dass es Familienunternehmen wie uns gibt, die so gut gewirtschaftet haben, dass sie ohne staatliche Unterstützung nicht aus dem Geschäft fallen. Ich habe im Gespräch mit Peter Altmaier in der vergangenen Woche klar betont, dass die Wirtschaft Anreizmodelle braucht in Form von degressiven Abschreibungen, in Form von Investitionshilfen. Wir brauchen Steuerrückstellungen, und wir brauchen eine Regulierung, was das Genehmigungsrecht und die Bürokratie betrifft. Wenn wir jetzt starten, dürfen wir nicht durch wochenlanges Hinhalten durch Genehmigungshindernisse aus dem Schwung gebracht werden. In meinen Augen ist auch ein Freizeitpark systemrelevant. Wenn wir keine Investitionen tätigen, dann haben der Schreiner, der Maurer oder der Maler keine Aufträge. Und wenn die Kleinunternehmer unverschuldet insolvent gehen, bekommt auch die Politik ein großes Problem.
Die schwerste Phase scheint vorerst überstanden. Wie erleichtert sind Sie, dass der Park am 29. Mai wieder öffnen darf?
Wir sehen jetzt Licht am Ende des Tunnels. Aber wir müssen ja, aufgrund von eigenen Vorgaben und auch aufgrund der Vorgaben der Landesregierung und des Gesundheitsamts, mit angezogener Handbremse das Unternehmen betreiben. Insofern ist es ein neues Kennenlernen unseres Geschäftes. Aber wir sind schon mal glücklich, dass wir die Gastronomie, die Hotels und den Park wieder öffnen dürfen.
Wie wollen Sie die Menschen vor dem Virus schützen – neben der Auflage, dass den Park nur 15 000 und nicht wie sonst 50 000 Besucher betreten dürfen?
Das Allerwichtigste ist, dass wir eine Beschränkung der Besucherzahl haben. Wir haben uns die Fläche angeschaut und überlegt, wie viele Menschen wir unter Einhaltung der Sozialdistanz unterbringen. Um das zu kontrollieren, haben wir komplett auf einen Online-Ticketverkauf umgestellt. Seit wir den Verkauf gestartet haben, geht die Nachfrage durch die Decke. Allein beim ersten Aufruf hatten wir 2,5 Millionen Anfragen. Zum Schutz gilt außerdem in den Wartebereichen, in denen es bei diesen Kapazitäten keinen großen Rückstau geben sollte, und in den Fahrgeschäften eine Pflicht für Gesichtsmasken. Und wir werden auch die Distanz zwischen nicht zusammengehörenden Haushalten in den Attraktionen wahren. Zudem ist eine Distanz-App geplant. Diese soll bei denen, die die App aufs Handy heruntergeladen haben, den Abstand zu anderen Besuchern messen. Wer da die besten Ergebnisse erzielt, hat die Möglichkeit, etwas zu gewinnen. Ziel ist es, mit der App auch einzelne
Gäste aufzurufen, sodass diese ohne lange Wartezeiten direkt in die Fahrgeschäfte können.
Was bedeutet die kleinere Besucherzahl für Ihre Mitarbeiter?
Aufgrund des Modells können wir nur einen Teil der Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholen und setzen dort auf ein rollierendes System zwischen verschiedenen Teams. Dahinter stehen auch Sicherheitsüberlegungen: Falls wir tatsächlich einen Corona-Fall haben sollten, könnten wir dann ein ganzes Team austauschen. Auch wenn ich hoffe, dass das nicht passieren wird.
Wie lange braucht der Park, um sich von der Krise zu erholen?
Das fehlt mir noch, dass ich Hellseher bin. Vor zwei Monaten hätte ich vermutlich gesagt, dass wir im Sommer wieder im Vollbetrieb sind. Aber wenn ich sehe, wo wir jetzt stehen, der Wasserpark auf unbestimmte Zeit noch geschlossen bleibt, habe ich mich inzwischen schon darauf eingestellt, dass wir einen normalen Betrieb frühestens 2021 wiedersehen werden. Jetzt bin ich erstmal froh, dass wir aufmachen dürfen, und hoffe, dass wir ein Geschäftsmodell finden, mit dem wir nicht noch mehr Eigenkapital verbrennen müssen. Wenn das so klappt, denke ich, dass wir am Ende des Jahres mit einer schwarzen Null herauskommen werden und auch die ein oder andere Investition wieder an den Start bringen können.