Der Regierungsflieger
Mit insgesamt neun Milliarden Euro will der Bund die Lufthansa retten
- Lange, sehr lange war es zwischen der Bundesregierung und dem Vorstand der Lufthansa hoch hergegangen. Dass die durch den Corona-Stillstand angeschlagene Fluggesellschaft nur mit Hilfe des Staates überleben konnte, war allen Beteiligten klar. Doch wie genau die Hilfe aussehen würde, war heftig umstritten. Lufthansa-Chef Carsten Spohr wehrte sich bis zuletzt heftig gegen eine direkte Beteiligung des Bundes, weil er fürchtete, die Politik werde das ohnehin komplexe Airline-Geschäft mit zusätzlichen Auflagen und Wünschen noch weiter verkomplizieren.
Nach langem Tauziehen verkündeten am Montagabend dann Unternehmen und Regierung die Nachricht: Der Staat wird neuer Großaktionär der Lufthansa. Insgesamt neun Milliarden Euro will der Bund aufbringen um dem durch die Corona-Krise angeschlagenen Konzern wieder auf die Beine zu helfen. Insgesamt wird der Staat einen Anteil von bis zu 25 Prozent erhalten und kann so eine feindliche Übernahme des Konzerns etwa durch einen ausländischen Investor verhindern.
Damit wird nach der Commerzbank ein weiteres Großunternehmen teilweise verstaatlicht. In der Finanzkrise war der Staat dort eingestiegen, um einen Zusammenbruch der Bank zu verhindern. Die Fälle ähneln sich – und doch ist der Fall Lufthansa gänzlich anders gelagert. Während die Banken als Hauptschuldige an der Finanzkrise gelten und damit ihre Schwierigkeiten weitgehend selbst verursachten, geriet die Lufthansa erst durch die drastischen Einschränkungen des Reiseverkehrs im Zuge der Corona-Krise in höchste Not.
Auch andere Länder wie beispielsweise Italien, Frankreich oder die nordischen Staaten haben bereits
Rettungspakete für ihre Airlines auf den Weg gebracht. Doch das geschah vor allem über Kredite, die den Unternehmen gewährt wurden.
Der deutsche Weg über eine direkte Aktienbeteiligung muss hingegen noch von der EU-Kommission genehmigt werden und hier war große Skepsis zu vernehmen. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, solche Teilverstaatlichungen müsse sich die Kommission genauer ansehen als die gängigen staatlichen Kredite. „Das ist eine erheblich schwerer wiegende Wettbewerbsverfälschung.“Kanzlerin Angela Merkel kündigte nach Angaben aus Kreisen in den CDU-Gremien ein, sich für den Deal einsetzen zu wollen.
Auch müssen die Aktionäre der Lufthansa dem Geschäft noch zustimmen. Denn der Bund will die Aktien
nicht zum derzeitigen Wert erwerben, sondern unter anderem im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Das heißt, das Unternehmen gibt zusätzliche Aktien aus – und die bisherigen Aktien verlieren dadurch an Wert. Eine Zustimmung der Aktionäre ist also nicht unbedingt gesichert.
Der Staat wird nach den Angaben des Finanz- und Wirtschaftsministeriums zwei Aufsichtsratsmandate übernehmen. Diese sollen zwar nicht mit Politikern besetzt sein. Jedoch dürften sie über diese Funktion direkten Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. So betonte Finanzminister Olaf Scholz (SPD): „Natürlich geht es auch um all die Fragen, die wichtig sind für den Umweltschutz, für die Weiterentwicklung der Flotte und für Fragen der Steuergerechtigkeit.“
Für die Manager der Lufthansa wirkt sich der Einstieg des Staates ebenfalls nachteilig aus. Denn nach geltenden Regeln sind für den Fall einer Beteiligung der öffentlichen Hand strenge Auflagen an Bonuszahlungen für den Vorstand und die Töchter vorgesehen.
Die Pandemie erwischte die Lufthansa völlig unvorbereitet und mit aller Härte. Zeitweise flog die Airline nur noch knapp ein Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorjahr, berichtete Vorstandschef Spohr bei der virtuellen Hauptversammlung. Durch die Einreiseverbote in vielen Ländern und anderen Einschränkungen waren nur 60 Maschinen im Einsatz, 700 standen auf dem Boden. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die 138 000 Mitarbeiter, von denen sich 80 000 in Kurzarbeit befinden. Nur die steigenden Frachtflüge bewahrten die Fluggesellschaft vor dem absoluten Absturz. Die Kosten für Personal, Material und Mieten liefen weiter: Eine Million Euro verlor die Lufthansa nach Angaben Spohrs – pro Stunde.
Die Lockerungen in der CoronaKrise geben dem Konzern nur wenig Hoffnung. Ende Juni will Europas größte Airline nun wieder 1800 Ziele pro Woche anfliegen. Das sind etwa 14 Prozent des vor Corona geplanten Programms mit rund 13 000 Verbindungen. Erreicht werden sollen dann 106 Ziele in Deutschland und Europa sowie 20 Langstreckendestinationen – auch nur gut ein Drittel des ursprünglichen Netzes.
Die Touristik-Tochter Germanwings bleibt für immer am Boden, wurde mitten in der Krise beschlossen. „65 Jahre lang und durch viele Krisen hindurch haben wir auf den Fundamenten unserer Vorväter aufgebaut“, sagte Spohr auf der Hauptversammlung: „Keine 65 Tage hat es gedauert, bis wir in puncto Flugaufkommen wieder das Niveau von vor 65 Jahren erreicht haben. Das ist niederschmetternd.“