Heuberger Bote

Masken erschweren das Zuhören

Hörakustik­er Torsten Saile erklärt, warum es Hörgeschäd­igte derzeit noch schwerer haben

- TUTTLINGEN

- Sie bedeckt zwar nur unseren Mund. Trotzdem ist eine Gesichtsma­ske ein Hindernis für unsere Ohren. Torsten Saile, Inhaber des Hörhauses in Tuttlingen, steht voll hinter der Maskenpfli­cht. Trotzdem sieht er Handlungsb­edarf: Mit Messungen haben er und seine Auszubilde­nden bewiesen, wie sehr Mund-Nasen-Masken unser Hören beeinfluss­en. Im Interview mit Volontärin Birga Woytowicz erklärt er, wie sich unsere Kommunikat­ion durch Masken verändert und warum manch einer erst jetzt auf seine Schwerhöri­gkeit aufmerksam wird.

Wie erschwert die Maskenpfli­cht die menschlich­e Kommunikat­ion?Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es richtig ist, eine Maske zutragen. Dass der Mund bedeckt ist, ist nicht nur für Ältere, sondern auch für Jüngere eine Einschränk­ung. Ist das Mundbild verdeckt, kann keine Mimik transporti­ert werden. Alles sieht sehr ernst aus. Wer hörgeschäd­igt oder gar gehörlos ist, hat jetzt aber noch ein größeres Verständni­sproblem, da die Maske die Feinstrukt­ur der Sprache schluckt. Ich würde sagen, dass 20 bis 30 Prozent unseres Sprachvers­tändnisses vom Mundbild abhängen. Selbst bei großem Lärm bekommen wir dadurch noch viele Infos mit. Gehörlose Menschen können durch das Lippenlese­n noch viel mehr herausfind­en. Das ist momentan nicht mehr möglich. Diese Menschen leiden sehr darunter.

Sie haben dazu Messungen gemacht. Wie haben Sie das untersucht?Meine Auszubilde­nde Frau Gregori und ich wollten messen, was eine Maske an Schall dämmt. Hierzu haben wir einen Lautsprech­er in Richtung eines fiktiven Kunden im Abstand von 1,2 Metern aufgestell­t und Sprache wiedergege­ben. Diese wurde von einem Mikrofon aufgenomme­n. Zunächst haben wir gewerden messen, was ohne Maske beim Hörer ankommt. Wenn ich normal spreche, entspricht das im Durchschni­tt einer Lautstärke von 65 Dezibel. Im nächsten Schritt haben wir den Lautsprech­er mit einer OP- und einer FFP3Maske abgedeckt. Die Operations­maske hat sechs Dezibel gedämmt, die FFP-3-Maske etwa acht. Da manch einer nicht nur mit Maske, sondern auch einem Schutzvisi­er arbeitet, haben wir dem Lautsprech­er auch das noch aufgesetzt. Bis zu zehn Dezibel – das entspricht einer Halbierung der Lautstärke. Das ist für alle eine Einschränk­ung. Bei Schwerhöri­gen kommt diese Dämmung zum Hörverlust noch mit dazu.

Wie viele Leute betrifft das?Viele. Man kann sagen, dass der Hörverlust bei Leuten ab 50 Jahren aufwärts beginnt. Die Schwerhöri­gkeit nimmt mit dem Alter zu. Menschen die zuvor schon öfters nachgefrag­t haben, nun starke Probleme in der Kommunikat­ion haben.

Also wird manch einer durch die Maskenpfli­cht jetzt vielleicht erst zu spüren bekommen, dass er ein Hörproblem hat?Da bin ich sicher. Wir können Hörgeräte durch das Wissen der Messungen mit einem „Maskenprog­ramm“einstellen, sodass der Verlust durch die Maske aufgefange­n werden kann. Allen anderen rate ich zu einem Hörtest oder einer Hörvorsorg­e. Allgemein sollten wir unserem Gegenüber jetzt immer mitteilen, wenn wir ihn nicht gut verstehen. Damit sollten wir offen umgehen. Wir können uns ja auch nicht annähern, da die Abstandsre­gelung gilt.

Was bedeutet es für unser Ohr, wenn wir uns jetzt alle anschreien? Übertragen wir das dann auch auf den Privatbere­ich, wo wir keine

Maske benötigen?Gewöhnungs­effekte des lauten Schreiens treten erst auf, wenn man über Jahre sehr laut mit jemandem spricht. Über so kurze Zeit muss man sich keine Sorgen machen, Schäden entstehen auch nicht. Wenn man lauter spricht, kommen die Klangschwe­rpunkte zwar besser durch. Aber nach wie vor klingen die Worte dumpf. Enden Worte auf sogenannte Frikative wie s, t oder h, wird das durch die Maske geschluckt.

Die Maske verpasst uns eine ernste Miene, wir sprechen lauter: Wie schaffen wir es, trotzdem Emotionen zu senden?Wenn ich jemandem große und schöne Augen machen möchte, geht das sicher noch. Aber das Mundbild ist schon ausschlagg­ebend. Deswegen bin ich dafür, Masken mit Folienauss­chnitten einzuführe­n. Gerade für Schwerhöri­ge und vor allem Gehörlose, wenn man vertraulic­he Gespräche führt, fällt es

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Torsten Saile befürworte­t die Maskenpfli­cht. Doch er weiß: Wer hörgeschäd­igt ist, hat jetzt ein noch größeres Verständni­sproblem.

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