Sieg für die Willigen
Deutscher Fußball-Bund beschließt Fortsetzung der 3. Liga – Der Streit geht aber weiter
(SID/dpa) - Fritz Keller war sichtlich nervös. Immer wieder musste der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Versprecher korrigieren, er ließ Unsicherheit erkennen. Erleichterung kam erst auf, nachdem die Koalition der Willigen den Schlussmachern eine Abfuhr erteilt und den Weg für den Neustart der Drittligasaison ab Samstag geebnet hatte. Beim Außerordentlichen Bundestag votierten 94,9 Prozent der 253 stimmberechtigten Delegierten für eine Fortsetzung der Spielzeit und gegen einen Abbruch oder eine Neugestaltung der Liga als Folge der Corona-Krise.
Die große Revolution blieb erwartungsgemäß aus, der historische virtuelle Bundestag verlief nach dem Wunsch des DFB. Vor allem die Querulanten aus der 3. Liga wurden am Montag erst verbal und dann dank Stimmenmehrheit zurechtgestutzt. Der Antrag auf Abbruch der aktuellen Spielzeit kam nicht zur Abstimmung, der auf eine künftig zweigleisige 3. Liga hatte keine Chance.
Damit hat die DFB-Spitze den Machtkampf mit einigen Clubs und ihren Unterstützern aus den Landesverbänden aber wohl nur vorerst gewonnen. Dem Verband drohen juristische Auseinandersetzungen – auch wenn DFB-Präsident Keller auf Einsicht hofft. „Ich rufe alle dazu auf, die Kompromisse als Demokraten mitzutragen und zu respektieren“, sagte Keller beim ersten virtuellen Bundestag in der Verbandsgeschichte, den er mit dem Präsidialausschuss aus einer Halle in Meckenheim bei Bonn leitete: „Das klare Votum zeigt, dass nicht immer die Lautesten Recht bekommen.“
Schon in der vergangenen Woche hatte der DFB gegen den Widerstand einzelner Vereine, Verbände und Landesregierungen den Wiederbeginn der seit Mitte März unterbrochenen Drittligasaison mit Geisterspielen beschlossen. Daraufhin hagelte es erneut Kritik von einigen Klubchefs sowie Teilen der Politik, die in Thüringen und Sachsen-Anhalt noch nicht die Voraussetzungen für einen Saison-Neustart geschaffen hat. Sogar Klagen stehen im Raum. Bereits kurz vor dem Bundestag kam Anwaltspost vom Halleschen FC. „Wir haben durch unseren Anwalt die bestehende Wettbewerbsverzerrung beim DFB angezeigt und diesen aufgefordert, gleiche Bedingungen für alle mit mindestens 14 Tagen Mannschaftstraining zu schaffen. Wir erwarten hierzu eine Antwort und werden dann in unseren Gremien weitere Schritte beraten“, sagte Präsident Jens Rauschenbach der „Mitteldeutschen Zeitung“.
DFB-Vizepräsident Rainer Koch hat keinerlei Verständnis für diese Auseinandersetzung. „Dieses unwürdige Schauspiel ist nicht länger hinzunehmen. Der DFB ist kein
Spielball einiger Weniger, die untereinander zerstritten sind. Der Egoismus und die Interessen Einzelner helfen uns keinen Schritt weiter“, sagte der Jurist.
Beschlossen wurden die Pläne der DFB-Gremien: Die Saison wird fortgesetzt, auch Ansetzungen innerhalb von 72 Stunden sind möglich. Der DFB-Vorstand wurde dazu ermächtigt, über einen möglichen Saison-Abbruch sowie die daraus resultierende Auf- und Abstiegsregelung zu entscheiden. Die Landesverbände sollen bei einer ausgefallenen sportlichen Qualifikation darüber entscheiden können, welche Amateurclubs am nächsten DFB-Pokal teilnehmen dürfen. Die Aufstiegsregel
zur 3. Liga soll notfalls durch die Regionalverbände entschieden werden.
Düster könnte es für die DFB-Finanzen aussehen, wenn die Pandemie bis zum Ende des Jahres keine Länderspiele zulässt. Im schlechtesten Fall rechnet DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge mit einem Verlust von 77 Millionen Euro bis zum Ende des Jahres, womit die Rücklagen um 13,9 Millionen Euro überschritten wären. „Es würde aber nicht zur Insolvenz des DFB führen“, sagte Osnabrügge. „Wir hoffen, dass in der zweiten Jahreshälfte wieder Länderspiele stattfinden können. Das wäre für den DFB von existenzieller Bedeutung.“