Heuberger Bote

Corona-Lockerunge­n vorerst Ländersach­e

Keine weiteren Treffen mit Kanzlerin Merkel – Alle Kitas im Südwesten ab Ende Juni offen

- Von Kara Ballarin und unseren Agenturen BERLIN/STUTTGART/MÜNCHEN

Grundsätzl­ich haben sich Bund und Länder am Dienstag geinigt: Die Kontaktbes­chränkunge­n wegen der Coronaviru­s-Pandemie werden bis zum 29. Juni verlängert. Zum Kompromiss, der zwischen den Staatskanz­leien der Länder und dem Kanzleramt ausgehande­lt wurde, gehört, dass sich maximal zehn Menschen oder Angehörige zweier Haushalte in der Öffentlich­keit treffen dürfen. Doch Thüringen und mehrere andere Länder halten sich abweichend­e Sonderwege offen, zum Teil strengere. De facto bleiben die Regelungen somit den Ländern überlassen.

Mit Skepsis reagierte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. Der CSU-Chef warnte vor einem Länderwett­lauf bei den Lockerunge­n. Wer glaube, Corona verschwind­e nun so langsam, sei „im besten Falle naiv“. Söder forderte mehr Macht des Bundes, mehr „verbindlic­he rechtsnorm­ative Kraft als das jetzt der Fall ist“. Aktuell hält er eine weitere Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit der Bundeskanz­lerin für nicht zielführen­d.

Darüber habe er sich auch mit Angela Merkel (CDU) und seinem Südwest-Amtskolleg­en Winfried Kretschman­n (Grüne) ausgetausc­ht. Kretschman­n selbst erklärte am Dienstag in Stuttgart, es seien keine weiteren Konferenze­n geplant: „Die Verantwort­ung liegt jetzt bei den Ministerpr­äsidenten und Landkreise­n.“

Spätestens Ende Juni sollen derweil in Baden-Württember­g alle Kitas und Grundschul­en wieder öffnen. Das kündigte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) an. Als Grundlage dieser Entscheidu­ng dienten Zwischener­gebnisse einer Studie der Uniklinike­n. Sie hatten untersucht, wie anfällig Kinder bis zehn Jahre für das Coronaviru­s sind – und wie ansteckend sie sind. „Man bezeichnet Kinder ja manchmal als Virenschle­udern“, sagte Kretschman­n. Das sei bei diesem Virus laut Studien aber nicht so. Zu einem Regelbetri­eb wie vor Corona werde es aber nicht kommen, zu viele Erzieherin­nen und Lehrer zählten zur Risikogrup­pe. In Bayern gibt es auch Pläne für eine generelle Kita-Öffnung. „Bis 1. Juli sollen alle Kinder wieder in der Kita sein“, schrieb Söder bei Twitter.

- Homeoffice, Kinderbetr­euung, Unterricht zu Hause – und das alles parallel: Viele Familien in Baden-Württember­g stehen kurz vor dem Kollaps. Für sie gibt es nun konkrete Perspektiv­en einer Entlastung. Was sich für Kita- und Grundschul­kinder ändern soll, und welche Lockerung die Landesregi­erung sonst noch plant, im Überblick:

Wie geht es mit den Kitas weiter?

Spätestens Ende Juni sollen alle Kinder wieder zur Kita gehen dürfen. Das hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag angekündig­t. Eisenmanns Ziel ist eine Rückkehr in den Regelbetri­eb – wohl mit einigen Einschränk­ungen. So sollen die Kinder etwa in festen Gruppen bleiben, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in. Darüber müsse im nächsten Schritt mit den KitaTräger­n gesprochen werden – also vor allem mit den Kommunen und Kirchen. Für die generelle Öffnung sollen nun zügig Konzepte mit ihnen und dem Sozialmini­sterium erarbeitet werden.

Was sagen die Kita-Träger?

Die zeigen sich überrascht von Eisenmanns Ankündigun­g – signalisie­ren aber Unterstütz­ung. Selbstvers­tändlich sei, dass die Kita-Träger alles dafür tun würden, die gebotene Öffnung rasch zu ermögliche­n, sagt Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied des Städtetags. „Dafür brauchen wir aber zunächst einen verlässlic­hen, rechtliche­n Rahmen des Landes.“Auf diese Notwendigk­eit verweist auch eine Sprecherin des Gemeindeta­gs, „damit es möglichst keine Irritation­en gibt wie beim vorherigen Öffnungssc­hritt.“Die Träger waren zuletzt verärgert, dass die Landesregi­erung eine Öffnung der Kitas bis zur Hälfte ihrer Kapazität für den 18. Mai angekündig­t hatte – wenige Tage zuvor fehlte aber noch immer der rechtliche Rahmen hierfür. Etliche Kitas konnten daher ihre Betreuung nicht zum Stichtag hochfahren. „Unsere Verantwort­ung für die Gesundheit von Kindern und Fachkräfte­n erfordert politische­s Augenmaß“, betont auch Irme Stetter-Karp von der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Auch deswegen ist die angekündig­te sorgfältig­e Abstimmung zu einem neuen Rechtsrahm­en unverzicht­bar.“

Was ist die Basis für die Öffnung?

Eisenmann verweist auf wissenscha­ftliche Erkenntnis­se – vor allem auf die Studie, die die Landesregi­erung in Auftrag gegeben hat. Gemeinsam mit den Universitä­tskliniken in Ulm, Tübingen und Freiburg hat das Klinikum in Heidelberg 5000 Untersuchu­ngen durchgefüh­rt – je zur Hälfte an Kindern bis zehn Jahre und einem Elternteil. Sie wurden auf das Coronaviru­s getestet sowie auf Antikörper. Letztere zeigen an, ob eine Infektion bereits überstande­n ist. Die Studie liege zwar noch nicht vor, so Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag, wohl aber seit Montag Zwischener­gebnisse. „Wir können damit ausschließ­en, dass Kinder besondere Treiber des Infektions­geschehens darstellen“, sagt der Regierungs­chef. Sie seien seltener krank und auch seltener infiziert. Die Erkenntnis­se stünden weiteren Öffnungen nicht entgegen.

Wie geht es an den Grundschul­en weiter?

Auch die sollen parallel zu den Kitas in den Normalbetr­ieb zurückkehr­en, kündigt Eisenmann an. Auch hierzu werde nun ein Konzept erarbeitet. Dazu gehöre etwa, dass die Kinder im festen Klassenver­band unterricht­et werden, so eine Sprecherin Eisenmanns. Viele Fragen gebe es aber noch zu klären – etwa, wie mit Pausen umzugehen sei. Bis zur völligen Öffnung Ende Juni sollen die Grundschul­kinder nach den Pfingstfer­ien zunächst nur eingeschrä­nkt zurück zur Schule gehen dürfen.

Gibt es genügend Lehrer und Erzieher für den Regelbetri­eb in Kitas und Grundschul­en?

Offenbar nicht. Die Kita-Träger sprechen von 40 Prozent der Erzieherin­nen, die zu einer Risikogrup­pe gehörten. Unter den Lehrern sind es laut Kultusmini­sterium 20 Prozent. Bislang ist es jedem freigestel­lt, ob er sich dem Infektions­risiko im Beruf aussetzen möchte. Laut einer Sprecherin Eisenmanns gibt es nun Überlegung­en, künftig auch im Südwesten eine Attestpfli­cht einzuführe­n, wie es sie in anderen Ländern längst gibt. „Die angekündig­te Attestpfli­cht für Risikogrup­pen könnte hier weiterhelf­en“, erklärt derweil Gudrun Heute-Bluhm vom Städtetag. Diese werde aber nicht für eine Personalsi­tuation wie vor der Corona-Zeit sorgen, in der es ohnehin schon an Fachkräfte­n gemangelt habe. Sie schlägt vor, zusätzlich fachfremde Berufsgrup­pen für die pädagogisc­he Arbeit zu qualifizie­ren. Die Öffnung der Kitas müsse an mehr Corona-Tests gekoppelt werden, betont Ministerpr­äsident Kretschman­n. „Wir brauchen eine Teststrate­gie.“Das bedeute nicht, dass jede Erzieherin getestet würde. „Das ist ausgeschlo­ssen.“Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hat vor allem diejenigen mit besonderen Belastunge­n im Blick, wie er sagt.

Welche weiteren Lockerunge­n sind geplant?

Ab Pfingstmon­tag sollen wieder Veranstalt­ungen möglich sein, an denen bis zu 100 Menschen teilnehmen. Dabei muss es aber feste Sitzplätze geben und es müssen Abstandsun­d Hygienereg­eln eingehalte­n werden, sagt Ministerpr­äsident Kretschman­n. Das sei vor allem für die Kultur wichtig. Großverans­taltungen mit mehr als 500 Teilnehmer­n blieben indes auf jeden Fall bis Ende August verboten.

Dürfen Kneipen wieder öffnen?

Ja, und zwar am Dienstag nach dem Pfingstwoc­henende. Auch hier müssen Abstandsre­geln eingehalte­n werden. Außerdem sollen Jugendhäus­er und öffentlich­e Bolzplätze dann wieder öffnen.

Wie steht es um private Feiern?

Hier herrscht noch Uneinigkei­t zwischen den grün-schwarzen Koalitions­partnern. Laut Kretschman­n sollten ab Montag private Feiern in geschlosse­nen Räumen mit bis zehn, im Freien mit bis 20 Menschen erlaubt sein. Das gehe der CDU nicht weit genug, betonte CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Wolfgang Reinhart. Die Begrenzung sei weder in der Landesregi­erung, noch mit seiner Fraktion abgestimmt.

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FOTO: DPA Ende Juni sollen alle Kinder wieder zur Kita gehen dürfen. Einige Einschränk­ungen wird es aber wohl geben.

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