Über Schutzwirkung noch wenig bekannt
- Ein Hinweis darauf, ob ein Impfstoff wirkt, sind sogenannte Antikörper. Mittlerweile ist aber bekannt, dass nicht alle SarsCoV2-Infizierten Antikörper bilden. Was das für die Impfstoffentwicklung heißt, hat Sebastian Heilemann den Ulmer Virologen Professor Thomas Mertens gefragt.
Kann der Körper auch ohne nachweisbare Antikörper immun sein?
Unser Organismus besitzt verschiedene Immunmechanismen, die bei der Abwehr von Infektionserregern eine große Rolle spielen. Zunächst unterscheidet man zwischen der angeborenen Immunität (eine Reihe von Abwehrfaktoren, die, ohne dass der Organismus mit dem Erreger früher schon Kontakt hatte, sofort bei Infektion aktiv sind) und der erworbenen Immunität, die eine frühere Infektion mit dem jeweiligen Erreger oder Impfung voraussetzt. Zur erworbenen Immunität gehören die Antikörper (sog. humorale Immunität) und die zelluläre Immunität, vermittelt durch T-Zellen. Das Fehlen oder rasche Verschwinden von Antikörpern muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass keine Immunität (mehr) besteht, denn 1. können Antikörper bei erneuter Infektion – oder nach vorangegangener Impfung – sehr schnell wieder gebildet werden und 2. können vorhandene T-Zellen Immunität verleihen. Vergleicht man bei verschiedenen Viren die Immunität nach Infektion mit der nach Impfung, dann kann letztere schlechter, ähnlich oder sogar besser sein (z. B. bei der HPV-Impfung). Welche der genannten Immunmechanismen für einen Schutz besonders wichtig sind, ist von Virus zu Virus unterschiedlich und für Sars-CoV-2 leider noch nicht genau bekannt. Über die tatsächliche Schutzwirkung (Stärke, Dauer, Altersabhängigkeit) der verschiedenen Sars-CoV-2-Impfstoffkandidaten wissen wir leider noch nichts Genaueres.
Eine Studie des Max-Planck-Instituts legt nahe, dass auch Gene ein Risikofaktor für schwere Erkrankungen sein könnten. Wäre es sinnvoll weitere Risikogruppen mittels Gentests zu bestimmen?
Diese Genvarianten auf Chromosom 3 und 9 des menschlichen Genoms wurden bereits vor einiger Zeit beschrieben, und wir sprachen bereits darüber. Ein internationales Konsortium untersucht mit hoher Rechnerleistung, ob bei Menschen mit schwerem Covid-19 Verlauf bestimmte übereinstimmende genetische Besonderheiten vorliegen. Neu ist jetzt, dass der entscheidende Abschnitt auf Chromosom 3 offenbar von einer ganz bestimmten Neandertaler-Linie stammt. Man weiß, dass es zwischen Neandertalern und dem Homo sapiens (unseren direkteren Vorfahren) zu Kreuzungen gekommen ist. Die Funktion dieses Gens ist noch nicht bekannt. Die Genvariante ist in der Weltbevölkerung sehr unterschiedlich vorhanden. In manchen Gegenden Asiens tragen über 60 Prozent der Menschen die Genvariante, während es bei uns wohl etwa 15 Prozent sind. Dieses genetische Risiko (Veranlagung) kommt zu den anderen bekannten Risiken (Alter, Vorerkrankungen) hinzu. Die Untersuchung auf ein genetisch bedingtes Risiko ist möglich, aber nur dann sinnvoll und ethisch vertretbar, wenn sich aus dem Ergebnis Konsequenzen ergeben. Dies wäre bei Covid-19 schon der Fall, weil man diese Menschen bevorzugt impfen könnte, besondere medizinische Kontrollen durchführen könnte und auch besondere Schutzmaßnahmen empfehlen könnte. In jedem Fall muss eine derartige Untersuchung freiwillig erfolgen.