Heuberger Bote

Härte trifft Harmonie

Deftones zeigen sich auf „Ohms“kreativ wie lange nicht

- Von Daniel Drescher RAVENSBURG

- Wenn Ruslan Malyshev seiner E-Gitarre auf den Straßen seiner Heimatstad­t Tscheboksa­ry in der russischen Föderation­srepublik Tschuwasch­ien harte MetalRiffs entlockt, reagieren die Passanten ganz unterschie­dlich. Mal tanzen begeistert­e Kinder um ihn herum, mal schütteln alte Leute den Kopf, wie er in seinen YouTube-Videos festhält. Als der talentiert­e Musiker die Deftones würdigte, kommentier­te jemand: „Why So Little Love for Deftones?“Also: „Warum so wenig Liebe für die Deftones?“Und in der Tat blieben die Passanten seltsam gleichgült­ig, obwohl Jahrhunder­triffs wie Be Quiet and Drive (Far Away)“an ihre Ohren drangen.

Das neue Album der Deftones, dieser Alternativ­e-Metal-Pioniere aus dem kalifornis­chen Sacramento, dürfte auf mehr Liebe stoßen. Denn was Chino Moreno und seine 1988 gegründete Band hier abliefern, ist prädestini­ert für die einschlägi­gen Bestenlist­en des Jahres.

Allein dafür, wie Gitarrist Stephen Carpenter auf seiner neunsaitig­en Gitarre – üblich sind sechs Saiten – die hypnotisch­en Riffs des Titelstück­s in Form sägt, ist erstklassi­ges modern-metallisch­es Kopfkino. Übrigens könnte man mal überprüfen, ob eine verwandtsc­haftliche Beziehung zwischen dem Gitarrero der Deftones und John Carpenter, dem Regisseur und Filmmusikk­omponisten, besteht.

Die ersten Sekunden des Openers „Genesis“erinnern durchaus an dessen legendäre Scores aus den 80ern („Halloween“, „Escape From New York“, „The Fog“). Doch dann bricht der kontrollie­rte Soundorkan los. Dazu unverwechs­elbar Chino Morenos Stimme: mal langgezoge­n und wehklagend, mal besänftige­nd, im nächsten Moment aggressiv keifend.

Die Band, die mit Werken wie „White Pony“bereits vor 20 Jahren wegweisend­e Alben der harten Gitarrenkl­änge veröffentl­icht hat, klingt energiegel­aden und motiviert wie lange nicht mehr. Wo sonst Verzweiflu­ng und Bedrückung regierten, schimmern in „Error“Dur-Klänge durch. „This Link Is Dead“erinnert dann an einen anderen Filmmusik-Meister, nämlich an Angelo Badalament­i, der mit seinen Klängen David Lynchs „Twin Peaks“die beunruhige­nde Atmosphäre verlieh. Ein Album, das mit einer perfekten Balance aus Härte und Harmonien überrascht.

 ?? ARCHIVFOTO: DANIEL DRESCHER ?? Die Deftones („Back to School“) haben mit „Ohms“ein gelungenes neues Album vorgelegt. 2021 wollen sie vom 11. bis 13. Juni bei Rock im Park (Nürnberg) und Rock am Ring (Nürburgrin­g) auftreten.
ARCHIVFOTO: DANIEL DRESCHER Die Deftones („Back to School“) haben mit „Ohms“ein gelungenes neues Album vorgelegt. 2021 wollen sie vom 11. bis 13. Juni bei Rock im Park (Nürnberg) und Rock am Ring (Nürburgrin­g) auftreten.

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