Härte trifft Harmonie
Deftones zeigen sich auf „Ohms“kreativ wie lange nicht
- Wenn Ruslan Malyshev seiner E-Gitarre auf den Straßen seiner Heimatstadt Tscheboksary in der russischen Föderationsrepublik Tschuwaschien harte MetalRiffs entlockt, reagieren die Passanten ganz unterschiedlich. Mal tanzen begeisterte Kinder um ihn herum, mal schütteln alte Leute den Kopf, wie er in seinen YouTube-Videos festhält. Als der talentierte Musiker die Deftones würdigte, kommentierte jemand: „Why So Little Love for Deftones?“Also: „Warum so wenig Liebe für die Deftones?“Und in der Tat blieben die Passanten seltsam gleichgültig, obwohl Jahrhundertriffs wie Be Quiet and Drive (Far Away)“an ihre Ohren drangen.
Das neue Album der Deftones, dieser Alternative-Metal-Pioniere aus dem kalifornischen Sacramento, dürfte auf mehr Liebe stoßen. Denn was Chino Moreno und seine 1988 gegründete Band hier abliefern, ist prädestiniert für die einschlägigen Bestenlisten des Jahres.
Allein dafür, wie Gitarrist Stephen Carpenter auf seiner neunsaitigen Gitarre – üblich sind sechs Saiten – die hypnotischen Riffs des Titelstücks in Form sägt, ist erstklassiges modern-metallisches Kopfkino. Übrigens könnte man mal überprüfen, ob eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Gitarrero der Deftones und John Carpenter, dem Regisseur und Filmmusikkomponisten, besteht.
Die ersten Sekunden des Openers „Genesis“erinnern durchaus an dessen legendäre Scores aus den 80ern („Halloween“, „Escape From New York“, „The Fog“). Doch dann bricht der kontrollierte Soundorkan los. Dazu unverwechselbar Chino Morenos Stimme: mal langgezogen und wehklagend, mal besänftigend, im nächsten Moment aggressiv keifend.
Die Band, die mit Werken wie „White Pony“bereits vor 20 Jahren wegweisende Alben der harten Gitarrenklänge veröffentlicht hat, klingt energiegeladen und motiviert wie lange nicht mehr. Wo sonst Verzweiflung und Bedrückung regierten, schimmern in „Error“Dur-Klänge durch. „This Link Is Dead“erinnert dann an einen anderen Filmmusik-Meister, nämlich an Angelo Badalamenti, der mit seinen Klängen David Lynchs „Twin Peaks“die beunruhigende Atmosphäre verlieh. Ein Album, das mit einer perfekten Balance aus Härte und Harmonien überrascht.