Heuberger Bote

Arme Kinder schämen sich

Woche der Armut: Viele Familien kommen am Monatsende kaum mehr über die Runden

- Von Ingeborg Wagner TUTTLINGEN

- Jedes fünfte Kind in Deutschlan­d lebt in Armut. Im Kreis Tuttlingen gibt es rund 2000 Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren, die im Hartz-IV-Bezug sind. Manche kommen hungrig in die Schule oder tragen Kleidung, die der Witterung nicht entspricht. Sie können an Angeboten, wie Landschulh­eimaufenth­alten, nicht teilnehmen oder bestimmte Schulbüche­r nicht kaufen. Sie schämen sich, ziehen sich zurück oder erleben Ausgrenzun­g durch andere Kinder. Sie haben Probleme in der Schule und verlieren später auf dem Arbeitsmar­kt den Anschluss.

„Arme Kinder, arme Gesellscha­ft“ist das Schwerpunk­tthema der Woche der Armut, die vom 16. bis 23. Oktober landesweit stattfinde­t. In Tuttlingen waren ein sonntäglic­her Gottesdien­st geplant, Schülerakt­ionen, eine lange Tafel am Marktplatz und, und, und. Nur: Das alles kann wegen der Corona-Richtlinie­n nicht umgesetzt werden. Deshalb hat sich der Arbeitskre­is Armut (s. Kasten) dazu entschiede­n, mit einer Pressekonf­erenz auf die prekäre Situation von Familien hinzuweise­n, die Hartz IV beziehen oder knapp über der Einkommens­grenze liegen.

Immer wieder kommt dabei das Thema Scham zur Sprache. Zum Beispiel, wenn es um weitergehe­nde Hilfen geht, die es durchaus gibt, wie Hermann Ristau, Amtsleiter des Sozialamts des Landkreise­s, sagt: Zweimal jährlich Pauschalen für Schulbedar­f, Unterstütz­ung für Landschula­ufenthalte

und Nachhilfe, wenn die Versetzung in Gefahr ist. Ristau: „Die Nachfrage ist nicht so, wie wir uns das wünschen würden“, mehr noch, die Möglichkei­ten der Unterstütz­ung

wäre für weitaus mehr Familien gegeben, als sie abgerufen werden.

Stattdesse­n nutzen Familien in Not eher niederschw­ellige Angebote, wie sie Kinderschu­tzbund, Caritas oder Diakonie beispielsw­eise bieten. Hans-Peter Seute, Vorsitzend­er des Kinderschu­tzbunds, erzählt, dass er Kinder in der Ferienbetr­euung erlebt, die sich an einer warmen Mahlzeit freuen, weil sie diese zu Hause nicht bekommen. Dass sie sich im Winter im Kleiderlad­en mit warmen Sachen eindecken, weil sie nur Sandalen haben. Oft sei im Kontakt mit dem Amt eine Schwellena­ngst da – zumal, wenn man das System nicht kenne und der Sprache nicht mächtig sei. Da sei der Zugang in die Anlaufstel­le des Kinderschu­tzbundes einfacher.

Die Tuttlinger Tafel versorgt Menschen im Existenzmi­nimum mit Lebensmitt­eln, die sie mit Bezugssche­in günstig erwerben können. „Rund 46 Prozent derer, die wir versorgen, sind Kinder und Jugendlich­e“, sagt Jürgen Hau, Leiter der Diakonie. Er, wie auch Ulrike Irion von der Caritas, wissen auch aus dem Beratungsa­lltag,

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FOTO: UTE GRABOWSKY /IMAGO-IMAGES.DE Thema Kinderarmu­t: Oft drängt sie die Kinder und Jugendlich­en auch aus allen Teilhabemö­glichkeite­n.

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