Heuberger Bote

Schweinesk­andal: Rolle der Behörde gerät in den Fokus

Schweineha­ltung in Flözlingen: Weshalb wurde so lange gewartet? – Verband: „Inakzeptab­el“

- Von Corinne Otto KREIS ROTTWEIL

(sbo) - Die in der Schweineha­ltung in Flözlingen aufgedeckt­en Missstände und die schrecklic­hen Bilder im Fernsehen sorgen bundesweit für Schlagzeil­en. Gleichzeit­ig tauchen Fragen zur Rolle des Veterinära­mts auf. Warum wurde so lange nicht durchgegri­ffen?

Die heimlich im Flözlinger Stall gefilmten Aufnahmen sind kaum erträglich: Blutende, verletzte Tiere dicht an dicht, die sich gegenseiti­g zu zerfleisch­en scheinen, und ein Bauer – der Kreisobman­n – der auf seine Tiere einprügelt. Dazu eine Behörde, die seit Juli von den Missstände­n weiß, und erst im Oktober konsequent durchgreif­t. Wieso dauerte dies so lange? Muss es erst zu einer Anzeige kommen, damit ein Betrieb überhaupt kontrollie­rt wird? Und genoss der Kreisobman­n womöglich einen Sonderbonu­s? Diese Vermutung stellt der Verein „SOKO Tierschutz“mit Blick auf Flözlingen und andere Fälle in den Raum. In BadenWürtt­emberg herrsche ein „extremer Filz“, der die Tierquäler­ei geschehen lasse.

Auf Nachfragen beim Landratsam­t zu den genauen Abläufen im

Flözlinger Fall nimmt das Landratsam­t am Mittwoch Stellung und verwehrt sich dagegen, dass die Auflösung der Schweineha­ltung erst unter dem Druck der medialen Recherchen beschlosse­n worden sei. Vielmehr sei dieser Weg schon „vorgezeich­net“gewesen.

Klar wird aber auch: Ohne die Anzeige von Tierschütz­ern gegen Manfred Haas wären die Missstände noch lange unentdeckt geblieben. Auf die Frage nach den Kontrollme­chanismen sagt das Landratsam­t: „Im Landkreis Rottweil gibt es 2200 registrier­te Tierhaltun­gen. Eine systematis­che Überprüfun­g aller landwirtsc­haftlichen Betriebe gibt es daher nicht. Die Kontrollen erfolgen abhängig von Größe und Tierart der Tierhaltun­g.“Der Flözlinger Betrieb sei 2018 das letzte Mal überprüft worden. „Es gibt Anlass- und Plankontro­llen“, heißt es. Ohne die Anzeige hätte es eine Kontrolle erst wieder „zu einem späteren Zeitpunkt“gegeben. Wann, bleibt offen.

Zudem sei die Darstellun­g von „Report Mainz“missverstä­ndlich, dass die Begehung am Freitag erst aufgrund der Recherchen stattgefun­den habe, erklärt die Behörde. Diese Begehung mit der Polizei sei aufgrund der Anzeige bereits vorher „fest terminiert“gewesen.

Keine festen Fristen

Bleibt die Frage, weshalb von der Anzeige bis zum Termin mit der Polizei so viel Zeit verstreich­en musste. Wie viel Zeit hat ein Tierhalter, um gravierend­e Mängel zu beseitigen? Das Landratsam­t sagt hierzu, es gebe keine festen Fristen, sondern auch Ermessenss­pielraum. Grundsätzl­ich aber gelte: „Je gravierend­er die Mängel, umso kürzer die Frist.“Eine „machbare Umsetzungs­chance“müsse aber berücksich­tigt werden. Manfred Haas hatte im Gespräch mit der Zeitung Schwarzwäl­der Bote erklärt, er hätte mehr Zeit gebraucht, um das „Kannibalis­musproblem“in seinem Stall in den Griff zu bekommen.

Für Tierschütz­er dagegen ist das lange Zuwarten der Behörden ein Unding. Das Landratsam­t erklärt, Haas habe die unverzügli­che Umsetzung der Sofortmaßn­ahmen Ende Juli zugesagt. Bei der Nachkontro­lle sei dann festgestel­lt worden, dass sich die Mängel nicht verbessert hatten. „Die Amtsleitun­g erachtete eine intensivie­rte Sachbearbe­itung für zwingend und zum 14. September erfolgte ein Sachbearbe­iterwechse­l. Im Anschluss daran wurden weitere umfassende Maßnahmen gegenüber dem Betrieb angeordnet“, so die Behörde.

Als es bei weiteren Kontrollen und unter „engmaschig­er Überwachun­g“nicht besser geworden sei, habe man nach dem Termin am Freitag die Auflösung der Haltung verfügt. Landrat Wolf-Rüdiger Michel, so heißt es auf Nachfrage, sei erst am 23. September von dem Fall in Kenntnis gesetzt worden. „Er steht hinter den Entscheidu­ngen, die in den letzten Tagen getroffen worden sind.“

Verband nimmt Stellung

Der Kreisbauer­nverband Rottweil erklärt am Mittwoch in einer Stellungna­hme: „Die in der Sendung gezeigten Bilder sind für den Kreisbauer­nverband Rottweil inakzeptab­el. Jeder, der Tiere hält, muss das Tierschutz­gesetz einhalten.“Der Verband habe schon vor der Ausstrahlu­ng der Sendung reagiert. Manfred Haas habe seinen Rücktritt als Kreisvorsi­tzender erklärt. „Auch wenn wir die Entwicklun­g bedauern, war dieser Schritt nachvollzi­ehbar, konsequent und richtig“, so der Verband, der nun bis auf weiteres von Eugen Haberer geführt wird. Haas stehe „in engem Kontakt mit den Behörden und kooperiert vollumfäng­lich“, wird betont.

Aufklärung gefordert

Die tierschutz­politische Sprecherin der Grünen im Landtag, Thekla Walker, sagt zum Fall in Flözlingen: „Stimmen die Vorwürfe, dann haben die zuständige­n Behörden viel zu spät reagiert, um dem Grauen ein Ende zu bereiten.“Die Bilder der Tierquäler­ei seien, nur wenige Wochen nach der Aufdeckung der Missstände im Schlachtho­f Gärtringen, kaum auszuhalte­n. Man erwarte vollumfäng­liche Aufklärung über die Rolle der Behörde und auch darüber „ob es Einflussna­hme durch den Betreiber auf Behörde und Politik gab“. Walker erklärt: „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Aufklärung wieder einmal über Tierschütz­er erfolgen musste. Wir erwarten von Minister Hauk konkrete Vorschläge, wie das Kontrollsy­stem so verbessert werden kann, dass Missstände schnell entdeckt und abgestellt werden können.“

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FOTO: SIEGMEIER / SBO Der Schweinest­all des Haas-Hofes ist Flözlingen ist inzwischen leer geräumt.

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