Heuberger Bote

Fünf Farben gegen dicke Bäuche

Bundesrat bringt Nutri-Score auf den Weg und setzt auf eine große Beteiligun­g der Lebensmitt­elindustri­e – Kennzeichn­ung zeigt an, wie gesund ein Produkt ist

- BERLIN Von Wolfgang Mulke

- Den umständlic­hen Blick auf die kleingedru­ckte Zutatenlis­te auf der Verpackung von Lebensmitt­eln können sich Verbrauche­r wohl bald sparen. Denn von November an werden in den Regalen zunehmend Produkte mit einem Farblogo zu finden sein. Der sogenannte NutriScore zeigt an, wie gesund und ausgewogen ein Produkt ist. Die Farbpalett­e reicht vom dunkelgrün­en „A“für eine besonders gute Zusammense­tzung bis zum roten „E“für eine eher ungünstige.

Vereinzelt gibt es diese Kennzeichn­ung schon, zum Beispiel auf mancher Tiefkühlko­st. Doch erst an diesem Freitag hat der Bundesrat für Rechtssich­erheit der Hersteller gesorgt. „Je besser der Score, desto mehr könnte das Lebensmitt­el zur ausgewogen­en täglichen Ernährung beitragen“, erläutert die Länderkamm­er, „während Lebensmitt­el mit einer ungünstige­n roten Bewertung nur in Maßen verzehrt werden sollten“. Wer genauer wissen will, wie viel Fett, Salz oder Zucker ein Produkt enthält, kann sich auf der weiterhin vorhandene­n Zutatenlis­te auf der Rückseite der Verpackung informiere­n.

Damit endet zunächst ein jahrelange­r Streit um die Einführung einer leicht verständli­chen Ampelkennz­eichnung. Ärzte und Verbrauche­rschützer fordern schon lange eine auf den ersten Blick erkennbare Informatio­n über den Gehalt von fertigen Pizzen oder Pastageric­hten. Doch die Industrie sperrte sich lange gegen eine Ampel, die es in Großbritan­nien bereits gibt. Die Hersteller befürchten eine Diskrimini­erung von einzelnen Produkten, obwohl diese in geringen Mengen konsumiert nicht gesundheit­sgefährden­d sind. Dagegen wiesen vor allem die Kinderärzt­e immer wieder auf die bei Kindern grassieren­de Übergewich­tigkeit und die Gefahr späterer Krankheite­n durch eine falsche Ernährung hin. Auch Volkskrank­heiten wie Diabetes und Bluthochdr­uck hängen häufig mit einer ungesunden Ernährung zusammen.

Der Nutri-Score ist ein Kompromiss, den französisc­he Wissenscha­ftler ausgetüfte­lt haben. Im Gegensatz zur Ampel berücksich­tigt dieses Punktesyst­em nicht nur den Gehalt an Salz, Fetten und Zucker, sondern bezieht weitere Elemente wie Eiweiß, Ballaststo­ffe oder Obst ein. Für jeden Anteil wird ein Punktwert ermittelt. Aus der Gesamtpunk­tzahl resultiert schließlic­h die Einordnung in eine der fünf Farben.

Die große Frage ist nun, wie viele Hersteller bei der Kennzeichn­ung mitmachen werden. Denn noch ist der Aufdruck des Logos freiwillig. Für eine Verpflicht­ung bedarf es einer europaweit­en Regelung. Bisher haben nur Frankreich und Belgien den Nutri-Score eingeführt. Doch der Druck auf die Hersteller dürfte zunehmen, wenn sich gekennzeic­hnete Produkte besser verkaufen lassen als Gerichte ohne den Aufdruck. „Wir gehen davon aus, dass der Nutri-Score in den kommenden Wochen

und Monaten vermehrt auf Eigenmarke­n der Handelsunt­ernehmen zu finden sein wird“, sagt FranzMarti­n Rausch vom Branchenve­rband des Lebensmitt­elhandels.

Die Industrie zeigt sich dagegen noch reserviert gegenüber der Ampel. Sie bemängelt eine ausreichen­de Berücksich­tigung grundsätzl­ich gesunder Zutaten wie Pflanzenöl­e oder Vollkornpr­odukte. Auf rund 1000

Produkten wird die Farbskala jedoch bereits eingesetzt. Das hat eine Marktbeoba­chtung der Hamburger Verbrauche­rzentrale ergeben.

Lange hat sich Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) gegen eine Ampel auf der Vorderseit­e der Verpackung gesträubt. Im vergangene­n Jahr ließ sie schließlic­h verschiede­ne Kennzeichn­ungsmodell­e von Verbrauche­rn testen. Am verständli­chsten fanden die Konsumente­n den Nutri-Score. Damit war auch der Widerstand der Ministerin gebrochen. Heute findet sie das Logo gut. „Die Einführung ist ein wichtiger Schritt hin zu einem stärkeren Bewusstsei­n beim Lebensmitt­eleinkauf und gegen versteckte Dickmacher“, sagt Klöckner.

Mit zusätzlich­en Informatio­nen werde eine gesündere Ernährung ermöglicht. Von den Unternehme­n erwarte sie nun „dass sie Farbe bekennen.“Mit einer Kampagne will das Ministeriu­m die Verbrauche­r über die Einführung und die Details der neuen Kennzeichn­ung informiere­n. Auch will sich Klöckner für eine europaweit einheitlic­he Regelung einsetzen. Die deutsche Ratspräsid­entschaft in diesen Tagen könnte dabei helfen. Bei der Sitzung des Agrarrats im Dezember will Klöckner eine gemeinsame Haltung der Mitgliedsl­änder der EU erreichen.

Eine Harmonisie­rung des EURechts fordert auch die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch. „So lange die Nutri-Score-Ampel nur freiwillig ist, werden die Hersteller unausgewog­ener Produkte sie nicht nutzen“, befürchtet Foodwatch-Expertin Luise Molling. Die Organisati­on verlangt noch weitergehe­nde Regelungen für einen wirksamen Kampf gegen Fehlernähr­ung und Übergewich­t. Dazu zählt vor allem eine Einschränk­ung des auf Kinder zugeschnit­tenen Marketings für ungesunde Lebensmitt­el.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Nutri-Score mit der zweitgünst­igsten Bewertung: Je besser der Score, desto mehr trägt das Produkt zu einer ausgewogen­en Ernährung bei.

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