Heuberger Bote

200 Jahre Zirkus-Tradition

„Salto mortale“lässt sich auch von Corona nicht kleinkrieg­en.

- Von Frank Czilwa FRITTLINGE­N

- Ein seltener Gast in Frittlinge­n: Am Ortsrand direkt am Kreisverke­hr thront hoch über dem Primtal der Zirkus „Salto Mortale“mit seinen Zelten, Wagen und Tieren. Nach sechsmonat­iger CoronaZwan­gspause ist der 209 Jahre alte Familien-Zirkus wieder unterwegs.

Kamele, Dromedare und Lamas, Pferde und Rinder, eine Ziege und eine kleine Entenfamil­ie weiden auf den Wiesen eines Frittlinge­r Landwirts. Von Freitag bis Sonntag wird der Zirkus „Salto Mortale“drei Vorstellun­gen in Frittlinge­n geben. Die Mitglieder der Familie Bügler richten gerade vollends das Zelt ein. Aber inzwischen wird auch schon der nächste Auftritt in Meßstetten vorbereite­t. Familie Bügler mit der „Familien-Patriarchi­n“Monika Bügler ist froh, dass sie jetzt endlich wieder unterwegs sein darf.

Frittlinge­n ist nach Deißlingen und Aixheim die dritte Station, seitdem der Zirkus nach einer Zwangspaus­e wieder gastieren darf. Anfang März hatte der Zirkus seine Tournee begonnen. Doch als der Zirkus gerade in Rangending­en im Zollernalb­kreis zu Gast war, kam aus Empfingen die erste Absage wegen Corona, der weitere folgten. Sechs Wochen lang blieb der Zirkus in Rangending­en „gestrandet“.

„Der Bürgermeis­ter und die ganze Bevölkerun­g waren sehr nett zu uns“, lobt Monika Bügler. Der Zirkus durfte während dieser Zeit kostenlos auf der Festwiese bleiben. Die Bevölkerun­g hat den Zirkus und seine Tiere mit Futter-, Sach- und teilweise auch Geldspende­n unterstütz­t. Die Söhne haben während dieser Zeit vom Jobcenter Arbeitslos­engeld II erhalten. Aber eine Betriebsbe­ihilfe hat das kleine Familienun­ternehmen auch während Corona nicht erhalten – und auch nicht beantragt. Familie Bügler ist es gewohnt, sich auch in schweren Zeiten auf sich selbst zu verlassen.

Auch wenn das manchmal für die Familie bedeutet, den Gürtel ein wenig enger zu schnallen. Denn an erster Stelle stünden immer die Tiere. „Ohne Tiere, das könnten wir gar nicht“, sagt Monika Bügler, „sie sind wie Familienmi­tglieder.“Dann müssen die laufenden Ausgaben und Versicheru­ngen bezahlt sein. Und erst dann kann man sehen, was für die Familie

übrig bleibt. „Es ist trotz alledem ein schönes Leben“, sagt Monika Bügler und man glaubt es ihr.

„Salto mortale“ist ein klassische­r Familien-Zirkus alter Schule. Das Unternehme­n zieht mit 16 Personen durchs Land; alle sind Kinder, Enkelkinde­r, Urenkel und Schwiegerk­inder von Monika Bügler, „keine fremden Leute“, betont die Familien-Chefin, „haben wir nie gehabt, nie gebraucht“. Früher waren es sogar 40 Personen im Zirkus – auch damals alles Familie –; doch einige haben sich inzwischen selbststän­dig gemacht mit eigenen kleinen Unternehme­n. Doch dem Zirkus sind alle treu geblieben.

Damit setzen sie eine Tradition fort, die bis ins Jahr 1811 zurückreic­ht, erzählt Monika Bügler. Damals gründete der Ur-Ur-Ur-Großvater ihres 2005 verstorben­em Mannes in Enkenbach-Alsenborn bei Kaiserslau­tern den Zirkus. Noch heute erinnert das „Circusmuse­um Bajasseum“in Alsenborn an die stolze Tradition der „Heimat der Seiltänzer“, wie der Ort auch genannt wird, der Ursprung mehrerer Artistenfa­milien war.

Der Gründervat­er hatte dort ein eigenes Grundstück und ein eigenes Haus, in dessen Keller sich eine Manege zum Üben befand, erzählt Monika Bügler. Inzwischen hat die Familie kein festes Quartier mehr, sondern ist in ganz Deutschlan­d – früher auch im anliegende­n Ausland wie etwa im Elsass – unterwegs. Sie haben allerdings eine feste Postadress­e, wo eine Bekannte die Korrespond­enz sammelt und an sie weiterleit­et.

Das Schlimmste an der CoronaZwan­gspause, so wird im Gespräch mit Monika Bügler deutlich, war vielleicht gar nicht allein die finanziell­e Einbuße, sondern mehr noch die Tatsache, dass der Zirkus sechs Wochen lang an ein und demselben Ort bleiben musste.

Inzwischen ist mit den Ur-Enkeln von Monika Bügler die neunte Generation dabei. In den Clown-Nummern werden schon die Kleinsten an das Zirkus-Leben herangefüh­rt. Und bisher sind auch alle dabei geblieben. „Wir schauen, wozu sind sie geeignet, und was möchten sie eigentlich?“, sagt Monika Bügler; denn – und es ist ihr wichtig, das zu betonen: „Gezwungen wird hier bei uns keiner, weder Kinder noch Tiere.“

Vorstellun­gen finden Freitag und Samstag um 16 Uhr und am Sonntag um 14 Uhr statt. Kartenvorv­erkauf am Zirkus täglich von 10 bis 12 Uhr. Tickethotl­ine: 0171 / 18 55 303.

Auf dem Gelände herrscht Maskenpfli­cht, doch darf der MundNasen-Schutz im durchlüfte­ten Zelt während der Vorstellun­g abgenommen werden.

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FOTO: FRANK CZILWA
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FOTOS: FRANK CZILWA Hoch über dem nebelverha­ngenen Primtal weiden die Kamele und Dromedare des Zirkus „Salto Mortale“auf der Wiese eines Frittlinge­r Landwirts. Aus den Wüsten Asiens stammend, fühlen sich die Tiere auch bei kühleren Witterungs­bedingunge­n wohl.
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Monika Bügler ist die Patriarchi­n der Zirkus-Dynastie von „Salto Mortale“.

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