200 Jahre Zirkus-Tradition
„Salto mortale“lässt sich auch von Corona nicht kleinkriegen.
- Ein seltener Gast in Frittlingen: Am Ortsrand direkt am Kreisverkehr thront hoch über dem Primtal der Zirkus „Salto Mortale“mit seinen Zelten, Wagen und Tieren. Nach sechsmonatiger CoronaZwangspause ist der 209 Jahre alte Familien-Zirkus wieder unterwegs.
Kamele, Dromedare und Lamas, Pferde und Rinder, eine Ziege und eine kleine Entenfamilie weiden auf den Wiesen eines Frittlinger Landwirts. Von Freitag bis Sonntag wird der Zirkus „Salto Mortale“drei Vorstellungen in Frittlingen geben. Die Mitglieder der Familie Bügler richten gerade vollends das Zelt ein. Aber inzwischen wird auch schon der nächste Auftritt in Meßstetten vorbereitet. Familie Bügler mit der „Familien-Patriarchin“Monika Bügler ist froh, dass sie jetzt endlich wieder unterwegs sein darf.
Frittlingen ist nach Deißlingen und Aixheim die dritte Station, seitdem der Zirkus nach einer Zwangspause wieder gastieren darf. Anfang März hatte der Zirkus seine Tournee begonnen. Doch als der Zirkus gerade in Rangendingen im Zollernalbkreis zu Gast war, kam aus Empfingen die erste Absage wegen Corona, der weitere folgten. Sechs Wochen lang blieb der Zirkus in Rangendingen „gestrandet“.
„Der Bürgermeister und die ganze Bevölkerung waren sehr nett zu uns“, lobt Monika Bügler. Der Zirkus durfte während dieser Zeit kostenlos auf der Festwiese bleiben. Die Bevölkerung hat den Zirkus und seine Tiere mit Futter-, Sach- und teilweise auch Geldspenden unterstützt. Die Söhne haben während dieser Zeit vom Jobcenter Arbeitslosengeld II erhalten. Aber eine Betriebsbeihilfe hat das kleine Familienunternehmen auch während Corona nicht erhalten – und auch nicht beantragt. Familie Bügler ist es gewohnt, sich auch in schweren Zeiten auf sich selbst zu verlassen.
Auch wenn das manchmal für die Familie bedeutet, den Gürtel ein wenig enger zu schnallen. Denn an erster Stelle stünden immer die Tiere. „Ohne Tiere, das könnten wir gar nicht“, sagt Monika Bügler, „sie sind wie Familienmitglieder.“Dann müssen die laufenden Ausgaben und Versicherungen bezahlt sein. Und erst dann kann man sehen, was für die Familie
übrig bleibt. „Es ist trotz alledem ein schönes Leben“, sagt Monika Bügler und man glaubt es ihr.
„Salto mortale“ist ein klassischer Familien-Zirkus alter Schule. Das Unternehmen zieht mit 16 Personen durchs Land; alle sind Kinder, Enkelkinder, Urenkel und Schwiegerkinder von Monika Bügler, „keine fremden Leute“, betont die Familien-Chefin, „haben wir nie gehabt, nie gebraucht“. Früher waren es sogar 40 Personen im Zirkus – auch damals alles Familie –; doch einige haben sich inzwischen selbstständig gemacht mit eigenen kleinen Unternehmen. Doch dem Zirkus sind alle treu geblieben.
Damit setzen sie eine Tradition fort, die bis ins Jahr 1811 zurückreicht, erzählt Monika Bügler. Damals gründete der Ur-Ur-Ur-Großvater ihres 2005 verstorbenem Mannes in Enkenbach-Alsenborn bei Kaiserslautern den Zirkus. Noch heute erinnert das „Circusmuseum Bajasseum“in Alsenborn an die stolze Tradition der „Heimat der Seiltänzer“, wie der Ort auch genannt wird, der Ursprung mehrerer Artistenfamilien war.
Der Gründervater hatte dort ein eigenes Grundstück und ein eigenes Haus, in dessen Keller sich eine Manege zum Üben befand, erzählt Monika Bügler. Inzwischen hat die Familie kein festes Quartier mehr, sondern ist in ganz Deutschland – früher auch im anliegenden Ausland wie etwa im Elsass – unterwegs. Sie haben allerdings eine feste Postadresse, wo eine Bekannte die Korrespondenz sammelt und an sie weiterleitet.
Das Schlimmste an der CoronaZwangspause, so wird im Gespräch mit Monika Bügler deutlich, war vielleicht gar nicht allein die finanzielle Einbuße, sondern mehr noch die Tatsache, dass der Zirkus sechs Wochen lang an ein und demselben Ort bleiben musste.
Inzwischen ist mit den Ur-Enkeln von Monika Bügler die neunte Generation dabei. In den Clown-Nummern werden schon die Kleinsten an das Zirkus-Leben herangeführt. Und bisher sind auch alle dabei geblieben. „Wir schauen, wozu sind sie geeignet, und was möchten sie eigentlich?“, sagt Monika Bügler; denn – und es ist ihr wichtig, das zu betonen: „Gezwungen wird hier bei uns keiner, weder Kinder noch Tiere.“
Vorstellungen finden Freitag und Samstag um 16 Uhr und am Sonntag um 14 Uhr statt. Kartenvorverkauf am Zirkus täglich von 10 bis 12 Uhr. Tickethotline: 0171 / 18 55 303.
Auf dem Gelände herrscht Maskenpflicht, doch darf der MundNasen-Schutz im durchlüfteten Zelt während der Vorstellung abgenommen werden.