Merkel und die widerspenstigen Ministerpräsidenten
Nach zähem Ringen werden beim Corona-Gipfel einige bundesweit einheitliche Verschärfungen beschlossen – Harsche Kritik von der Kanzlerin: „Es reicht einfach nicht, was wir hier machen“
BERLIN/SCHELKLINGEN - Geeinigt haben sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch auf mehrere bundesweit einheitliche, verschärfte Anti-Corona-Maßnahmen. Merkel war jedoch mit den Resultaten nicht zufrieden. „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden“, sagte die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern am Mittwochabend während der Sitzung in Berlin. Mit den nun festgelegten Maßnahmen würden Bund und Länder „in zwei Wochen eben wieder hier“sitzen. „Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.“Die Grundstimmung sei, dass sich jedes Land ein Schlupfloch suche. „Das ist das, was mich bekümmert. Und die Liste der Gesundheitsämter, die es nicht schaffen, wird immer länger.“
Auch über das umstrittene Beherbergungsverbot für Menschen aus innerdeutschen Risikogebieten, das einige Länder verhängt hatten, wurde beim Gipfel im Kanzleramt bis in die Nacht debattiert.
Konkret beschlossen Bund und Länder, dass in Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen private Feiern künftig generell auf maximal zehn Teilnehmer und zwei Hausstände begrenzt werden sollen. Die Begrenzung gilt bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. In Corona-Hotspots mit Inzidenzwerten von mehr als 50 sollen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen dürfen. Und sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, sollen sich nur noch bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände auf Straßen und Plätzen treffen dürfen. Außerdem soll es in Corona-Hotspots mit Inzidenzwerten von mehr als 50 künftig generell eine Sperrstunde um 23 Uhr in der Gastronomie geben. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.
In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll außerdem die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.
Am Mittwoch hatten die Gesundheitsämter in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) erstmals seit Mitte April mehr als 5000 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Insgesamt belief sich die Zahl laut RKI auf 5132. Das waren rund 1000 Fälle mehr als noch am Vortag. Der bisherige Höchstwert an Neuinfektionen in Deutschland wurde mit 6294 am 28. März erreicht.
Bereits vor Ende des Bund-Länder-Treffens hatte Thomas Bareiß, der Tourismusbeauftragte der Regierung, ein Ende der Kleinstaaterei gefordert. „Ich glaube, dass wir gemeinsame Regeln in Deutschland brauchen und einen gemeinsamen Standard. Dann kann man immer noch regional eingreifen“, hatte der CDU-Politiker aus Sigmaringen bei einem Termin in Schelklingen gesagt. Die Uneinheitlichkeit führe dazu, dass „die Leute nicht mehr wissen woran sie sind“. Das Beherbergungsverbot hält er ohnehin für „nicht zielführend“. Bareiß weiter: „Ich glaube, dass wir keine Maßnahmen ergreifen sollten, die von den Menschen nicht verstanden werden.“