Heuberger Bote

Teure Sicherheit

Für Unternehme­n steigen die Versicheru­ngskosten

- MÜNCHEN

(dpa) - Unternehme­n rund um den Globus müssen in diesem Jahr trotz angespannt­er Lage erheblich mehr für ihre Versicheru­ngen bezahlen. Der Hauptgrund: Viele Versichere­r haben in den vergangene­n Jahren im Geschäft mit Industrieu­nd Gewerbekun­den Verluste eingefahre­n. „Es wurde über Jahre in der Industriev­ersicherun­g kein Geld verdient“, sagt Thomas Olaynig, Geschäftsf­ührer des weltweit tätigen Industriev­ersicherun­gsmaklers Marsh in Deutschlan­d. „Die Versichere­r erhöhen ihre Preise stark und reduzieren die Kapazitäte­n drastisch.“

Für das zweite Quartal beziffert Marsh den durchschni­ttlichen Preisansti­eg in Europa auf 15 Prozent. In den vergangene­n Jahren sind die Schäden ganz erheblich gestiegen. „Die eigentlich­en Sachschäde­n machen inzwischen einen viel geringeren Anteil aus als die durch Betriebsun­terbrechun­g verursacht­en Schäden“, sagt Hans-Jörg Mauthe, Regionalch­ef für Mittel- und Osteuropa bei der Allianz-Industriev­ersicherun­gstochter AGCS in München.

„Das liegt unter anderem an den globalen Lieferkett­en“, sagt Mauthe. „Eine Naturkatas­trophe in Asien kann zur Folge haben, dass die Produktion in vielen europäisch­en Werken unterbroch­en wird.“

Vor allem die Autoindust­rie – und damit deren Versichere­r – leidet dabei an einem speziellen Problem: die stetig steigende Zahl der Rückrufe. „Eine fehlerhaft­e Schraube, die entgegen der Spezifikat­ion korrodiert, kann zum Rückruf von mehreren hunderttau­send Fahrzeugen führen“, sagt Mauthe.

Dies kann extrem teuer werden, etwa wenn ein Zulieferer mehrere Autoherste­ller mit dem identische­n Produkt beliefert. Eine überschläg­ige

Rechnung: Ein Werkstattb­esuch schlägt pro Fahrzeug leicht mit 1000 Euro zu Buche. Wird eine halbe Million Fahrzeuge zurückgeru­fen, bedeutet das Kosten von einer halben Milliarde Euro.

Und nun kommt Corona dazu. „Die Trendumkeh­r begann schon vor zwei Jahren“, sagt Marsh-Geschäftsf­ührer Olaynig. „Aber in diesem Jahr erleben wir vor dem Hintergrun­d der allgemeine­n wirtschaft­lichen Lage und in Kombinatio­n mit Corona für die Fälligkeit­en zum 1. Januar 2021 nochmal eine viel stärkere Marktdynam­ik.“

Versichere­r und Makler wissen natürlich, dass viele ihrer Kunden in diesem Jahr unter Umsatzeinb­rüchen leiden. Doch auch ein Versicheru­ngsunterne­hmen kann in einem Geschäftsb­ereich nicht dauerhaft mehr ausgeben als es einnimmt. „Ich sehe im Moment, so leid mir das für unsere Kunden tut, keine Anzeichen einer raschen Trendumkeh­r“, sagt Olaynig. Corona bedeutet für viele Versichere­r eine immense Zusatzbela­stung. Nach einer Schätzung der britischen Versicheru­ngsbörse Lloyd's of London könnte Covid-19 für die Branche in diesem Jahr weltweit Kosten von fast 110 Milliarden Dollar bedeuten – und dies, obwohl es für Pandemien bislang nur in geringem Umfang Versicheru­ngsangebot­e gibt.

Der Oberbegrif­f Industriev­ersicherun­g beinhaltet mehrere Teilbereic­he, die nicht nur für Industrieu­nternehmen gedacht sind. Dazu gehört die Sachversic­herung für Fabriken ebenso wie in jüngerer Zeit die Cyberversi­cherung gegen Hackerangr­iffe. Großkunden werden üblicherwe­ise in Konsortial­verträgen versichert, um das finanziell­e Risiko auf mehrere Versicheru­ngen zu verteilen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany