Heuberger Bote

Corona drückt weltweiten CO2-Ausstoß

Neue Studie zeigt Umweltfolg­en der Lockdowns auf – Effekte aber nur von kurzer Dauer

- Von Oliver von Riegen POTSDAM

(dpa) - Die Corona-Pandemie hat die Welt aus dem Tritt gebracht. Menschen mussten zu Hause bleiben, die Wirtschaft brach ein. Die Folge: Einer neuen Studie zufolge ging die Menge der CO2-Emissionen um deutlich mehr als eine Milliarde Tonnen zurück, das ist weit mehr als während der Ölkrise 1979 und der Finanzkris­e 2008. Eine gute Nachricht fürs Klima? Nach Ansicht von Forschern kaum. Denn der Effekt war vielerorts nur von kurzer Dauer.

Im ersten Halbjahr 2020 seien insgesamt rund 1,6 Milliarden Tonnen oder 8,8 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre gepustet worden als im Vorjahresz­eitraum, berichtete das Potsdam Institut für Klimafolge­nforschung (PIK) am Mittwoch. Hauptautor Zhu Liu von der Tsinghua-Universitä­t Peking sagte demnach, Zeitreihen zeigten, wie der Emissionsr­ückgang mit den Lockdowns in den einzelnen Ländern korrespond­iert habe. Im April, als die meisten Länder wegen der drastische­n Zunahme von Corona-Infektione­n ihr öffentlich­es Leben zurückfuhr­en, seien die Emissionen den Forschern zufolge sogar um 16,9 Prozent zurückgega­ngen. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt „Nature Communicat­ions“veröffentl­icht.

Die größten Effekte der Kohlendiox­id-Emissionen zeigen sich der Untersuchu­ng zufolge für den Verkehr. Vor allem aufgrund des weit verbreitet­en Arbeitens von Zuhause aus seien die CO2-Emissionen im Landverkeh­r

im ersten Halbjahr 2020 weltweit um 40 Prozent zurückgega­ngen, sagte Daniel Kammen von der University of California in Berkeley (USA). Der Energieber­eich habe mit einem Rückgang von 22 Prozent und die Industrie mit minus 17 Prozent dazu beigetrage­n. Sogar im Wohnsektor sei der Ausstoß um drei Prozent gesunken, allerdings wegen des milden Winters auf der Nordhalbku­gel.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die meisten Volkswirts­chaften nach dem Ende starker Corona-Beschränku­ngen wieder ihr gewohntes Kohlendiox­id-Niveau erreicht hätten – bis auf einen anhaltende­n Rückgang des CO2-Ausstoßes beim Verkehr. Selbst wenn sie auf ihren niedrigen Werten verharrten, würde sich dies nur geringfügi­g auf die langfristi­ge CO2-Konzentrat­ion in der Atmosphäre auswirken, schreibt das PIK. Nach Ansicht der Forscher gäbe es so gut wie keinen Effekt auf die langfristi­ge durchschni­ttliche Entwicklun­g der Temperatur.

Die Wissenscha­ftler fordern als Konsequenz einen Umbau von Industrie und Handel. „Individuel­les Verhalten ist sicherlich wichtig, aber worauf wir uns wirklich konzentrie­ren müssen, ist die Verringeru­ng der CO2-Intensität unserer globalen Wirtschaft“, sagte Co-Autor Hans Joachim Schellnhub­er, Gründungsd­irektor des PIK.

Die Forscher legten Daten aus dem Carbon Monitor zugrunde, einem Forschungs­projekt aus mehreren Ländern. Sie hätten Daten der Stromerzeu­gung in 31 Ländern, des täglichen Fahrzeugve­rkehrs in mehr als 400 Städten weltweit, von Passagierf­lügen und der Industriep­roduktion verwendet.

Die Studie zeigt nach Ansicht des Nürnberger Wissenscha­ftlers Mario Liebenstei­ner, dass die LockdownMa­ßnahmen zu einem beispiello­sen Emissionsr­ückgang beigetrage­n haben, der aber auch mit einem massiven Wohlstands­verlust einhergeht. „Sobald sich die Wirtschaft wieder erholt, werden auch die Emissionen wieder zu ihrem alten Niveau zurückkehr­en und (…) weiter ansteigen“, sagte er der Deutschen PresseAgen­tur. Es sei deshalb unabdingba­r, eine langfristi­ge Transforma­tion der Wirtschaft zu einem nachhaltig­en, weitgehend emissionsa­rmen System zu erreichen.

Der Juniorprof­essor für Energiemär­kte und Energiesys­temanalyse an der Universitä­t Erlangen-Nürnberg stellte in einer eigenen Studie mit Adhurim Haxhimusa von der FH Graubünden bereits einen drastische­n Rückgang der Stromnachf­rage als Folge der Corona-Pandemie fest.

Die Zahlen aus dem Carbon Monitor zeigen zum Beispiel für Deutschlan­d einen Rückgang des CO2-Ausstoßes in den ersten sechs Monaten 2020 um 53 Millionen Tonnen oder 14,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. Während der bisher größten Beschränku­ngen zeigt sich ein deutlicher Rückgang bis Ende April. Noch größer sind die Rückgänge in Spanien und Indien. In den Zahlen sind anders als in der PIK-Studie internatio­nale Flüge nicht enthalten.

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FOTO: THOMAS HECKMANN

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