Heuberger Bote

Firmen haben Interesse an Schnelltes­ts

Belegschaf­t könne dadurch geschützt und weitreiche­nde Quarantäne umgangen werden

- Von Matthias Jansen TUTTLINGEN

- Ab Mitte Oktober sollen Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser Antigen-Schnelltes­ts einsetzen dürfen, um bei Personal, Besuchern, Patienten und Bewohnern eine Infektion mit dem Coronaviru­s erkennen zu können. Dazu will das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium (BMG) am Donnerstag eine geänderte Verordnung in Kraft treten lassen. Auch einige Unternehme­n aus dem Landkreis Tuttlingen haben bereits Interesse an der schnellere­n Testung bekundet.

Die Antigen-Schnelltes­ts, erklärt das BMG, bieten die Möglichkei­t, mehr zu testen und schneller Infektione­n zu erkennen. „Innerhalb von 15 Minuten liegen die Ergebnisse mit einer Trefferquo­te von 95 Prozent vor“, sagt Landrat Stefan Bär. Dies sei als erster Hinweis auf eine Infektion „besser als nichts“. Auch wenn die Schnelltes­ts – ohne die Anerkennun­g des Robert-Koch-Instituts (RKI) – die bisher genutzten PCR-Tests nicht ersetzen.

„Nein, PCR-Tests bleiben aufgrund ihrer hohen Verlässlic­hkeit weiterhin essentiell­er Bestandtei­l der Teststrate­gie. Die Nationale Teststrate­gie legt fest, in welchen Situatione­n PCR-Tests angezeigt sind und in welchen Antigen-Schnelltes­ts“, erklärt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. Von daher werden Firmen wohl nicht an erster Stelle stehen. Der Einsatz der Schnelltes­ts, meint das BMG, solle verhindern, „dass sich alte und kranke Mitbürger mit dem Coronaviru­s anstecken. Für sie ist die Gefahr von schwerwieg­enden Folgen einer Infektion am größten.“

Aber auch für die Wirtschaft macht der Einsatz Sinn. Schließlic­h dauert es nach dem Verdacht einer Infektion einige Tage, bis ein Ergebnis vorliegt. Solange müssen die Personen in Quarantäne. „Ja, wir würden Schnelltes­ts begrüßen, und zwar bei Mitarbeite­rn mit Symptomen zur schnellen Erstabklär­ung“, schreibt Ulrich Schumacher vom Mechatroni­k-Spezialist­en Marquardt aus Rietheim-Weilheim. Schließlic­h habe es schon „einige positive Fälle im Unternehme­n gegeben“. Wie hoch der Arbeitsaus­fall war, ließe sich nicht beziffern. War die Person nicht in der Produktion eingesetzt, habe die Arbeit im Homeoffice „fast zu 100 Prozent erledigt werden können.“

Aus der Erfahrung leitet das Unternehme­n ein striktes Vorgehen ab. „Treten Symptome wie trockener Husten, Fieber oder Verlust des Geschmacks­sinns auf, bleiben die Mitarbeite­r zu Hause, arbeiten, wenn möglich, im Homeoffice und unterziehe­n sich einem Test“, schreibt Schumacher auf Anfrage unserer Zeitung. Deshalb würde man sich

„intensiv mit der Möglichkei­t (von Schnelltes­ts / Anmerkung der Redaktion) in Abstimmung mit unserem Betriebsar­zt beschäftig­en. Derzeit warten wir aber noch Konkretisi­erungen zur rechtliche­n Anwendung ab. Wir erhoffen uns in Kürze Klarheit durch die Bundesregi­erung.“

Auch bei Medizintec­hnik-Unternehme­n Karl Storz ist der „eng begrenzte Einsatz von AntigenSch­nelltests eine von vielen Maßnahmen in unserem betrieblic­hen Pandemie-Schutzkonz­ept“, schreibt Pressespre­cherin Regina Stern. Es gebe eng definierte Einzelfäll­e, in denen bei Personen ohne Symptome ein Antigen-Test durchgefüh­rt werden kann, „um den Schutz der Belegschaf­t sicher zu stellen“. Vorstellba­r sei dies, wenn Mitarbeite­r von einer Dienstreis­e zurückkomm­en oder „bei einem Besucher, wenn dieser beispielsw­eise aus einem inländisch­en Hotspot nach Tuttlingen reist“.

Karl Storz hat in Anlehnung an offizielle Richtlinie­n ein betriebsin­ternes Regelwerk erarbeitet. Dabei gelten alle Schutzmaßn­ahmen, wie Abstand halten, Maskenpfli­cht, Nutzung von Homeoffice und ein sensibler Umgang mit Erkältung und Grippe. „In Zweifelsfä­llen bitten wir unsere Mitarbeite­r immer, mit deren Hausarzt oder Betriebsar­zt Kontakt aufzunehme­n“, sagt Stern. Bei Corona-Infektions­fällen greife die nationale Teststrate­gie der jeweiligen Gesundheit­sämter, die dann einen PCRTest anordnen. „Wir sehen es positiv, dass der Landkreis Tuttlingen weiter sehr bemüht ist, die Testkapazi­täten zu erhöhen“, sagt Stern. Schließlic­h sollen bei konkreten Verdachtsf­ällen neben den Mitarbeite­rn auch Schüler und Lehrer „schnell wieder aktiv am Berufs- oder Schulleben teilnehmen können.“

Bei der Firma Binder hat es bisher zwei Mitarbeite­r gegeben, die positiv auf das Coronaviru­s getestet worden sind. Dies habe aber keine Auswirkung auf den Betrieb gehabt, sagt Personalle­iter Uwe Werner, weil die Infektion während des Urlaubs oder in Abwesenhei­t aufgetrete­n sei. „Deshalb war uns keine Kontaminat­ion von Mitarbeite­rn bekannt.“Beim Hersteller von Klimaschrä­nken werden Mitarbeite­r, die keine spezifisch­en Symptome einer Corona-Infektion aufweisen, auch nicht nach Hause geschickt. Einen Schnelltes­t, um eine Ansteckung auszuschli­eßen, kann sich Werner für die Firma Binder aber vorstellen.

Auch die Aesculap AG hatte schon „einige positiv getestete Mitarbeite­r“, wie ein Sprecher des Unternehme­ns berichtet. Auch weil „alle Kontaktper­sonen der infizierte­n Kollegen konsequent in Quarantäne oder ins Homeoffice geschickt“worden seien, habe man mögliche Ansteckung­en in der Firma komplett vermieden. „Wir mussten keine Abteilung schließen“, sagt der Sprecher. Auch einen Arbeitsaus­fall habe es „als solchen“nicht gegeben.

Der Einsatz der „sogenannte­n Antigentes­ts“kommt für die Aesculap AG durchaus in Frage. „Sie können bei gesetzlich nicht abgedeckte­n Fällen durchaus hilfreich sein und zum Schutz unserer Mitarbeite­r beitragen. Wir stimmen den Einsatz mit unserem Betriebsar­zt und dem Krisenstab ab.“Die Krise habe aber gezeigt, wie groß die Solidaritä­t unter den Beschäftig­ten sei. Die Belegschaf­t sei bewusst aufgeforde­rt worden, „verantwort­ungsvoll und sensibel zu handeln. Wir bitten sie, über die vom Gesundheit­samt hinaus angeordnet­en Fälle wie grippeähnl­iche und Covid-19-typische-Symptome oder die Testung einer im gleichen Haushalt lebenden Person nicht an den Arbeitspla­tz zu kommen und zuhause zu bleiben“, sagt der Sprecher. Im Zweifelsfa­ll würden die Mitarbeite­r an Haus- oder Betriebsär­zte verwiesen.

Der Schnelltes­t erfolgt ebenfalls über einen Abstrich im Nasenrache­nraum und basiert auf dem Nachweis von SARS-CoV-2-Eiweißen. Die einfachere Auswertung eines Antigentes­ts erlaubt die Testung auch außerhalb eines Labors. Alle momentan auf dem Markt befindlich­en Antigen-Schnelltes­ts müssen von geschultem, medizinisc­hem Personal durchgefüh­rt werden.

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SCHACKOW FOTO: DPA/BODO Mit Corona-Schnelltes­ts kann schneller auf lokale Ausbrüche reagiert werden. Unternehme­n in Tuttlingen würden den Einsatz deshalb begrüßen.

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