Firmen haben Interesse an Schnelltests
Belegschaft könne dadurch geschützt und weitreichende Quarantäne umgangen werden
- Ab Mitte Oktober sollen Pflegeheime und Krankenhäuser Antigen-Schnelltests einsetzen dürfen, um bei Personal, Besuchern, Patienten und Bewohnern eine Infektion mit dem Coronavirus erkennen zu können. Dazu will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Donnerstag eine geänderte Verordnung in Kraft treten lassen. Auch einige Unternehmen aus dem Landkreis Tuttlingen haben bereits Interesse an der schnelleren Testung bekundet.
Die Antigen-Schnelltests, erklärt das BMG, bieten die Möglichkeit, mehr zu testen und schneller Infektionen zu erkennen. „Innerhalb von 15 Minuten liegen die Ergebnisse mit einer Trefferquote von 95 Prozent vor“, sagt Landrat Stefan Bär. Dies sei als erster Hinweis auf eine Infektion „besser als nichts“. Auch wenn die Schnelltests – ohne die Anerkennung des Robert-Koch-Instituts (RKI) – die bisher genutzten PCR-Tests nicht ersetzen.
„Nein, PCR-Tests bleiben aufgrund ihrer hohen Verlässlichkeit weiterhin essentieller Bestandteil der Teststrategie. Die Nationale Teststrategie legt fest, in welchen Situationen PCR-Tests angezeigt sind und in welchen Antigen-Schnelltests“, erklärt das Bundesgesundheitsministerium. Von daher werden Firmen wohl nicht an erster Stelle stehen. Der Einsatz der Schnelltests, meint das BMG, solle verhindern, „dass sich alte und kranke Mitbürger mit dem Coronavirus anstecken. Für sie ist die Gefahr von schwerwiegenden Folgen einer Infektion am größten.“
Aber auch für die Wirtschaft macht der Einsatz Sinn. Schließlich dauert es nach dem Verdacht einer Infektion einige Tage, bis ein Ergebnis vorliegt. Solange müssen die Personen in Quarantäne. „Ja, wir würden Schnelltests begrüßen, und zwar bei Mitarbeitern mit Symptomen zur schnellen Erstabklärung“, schreibt Ulrich Schumacher vom Mechatronik-Spezialisten Marquardt aus Rietheim-Weilheim. Schließlich habe es schon „einige positive Fälle im Unternehmen gegeben“. Wie hoch der Arbeitsausfall war, ließe sich nicht beziffern. War die Person nicht in der Produktion eingesetzt, habe die Arbeit im Homeoffice „fast zu 100 Prozent erledigt werden können.“
Aus der Erfahrung leitet das Unternehmen ein striktes Vorgehen ab. „Treten Symptome wie trockener Husten, Fieber oder Verlust des Geschmackssinns auf, bleiben die Mitarbeiter zu Hause, arbeiten, wenn möglich, im Homeoffice und unterziehen sich einem Test“, schreibt Schumacher auf Anfrage unserer Zeitung. Deshalb würde man sich
„intensiv mit der Möglichkeit (von Schnelltests / Anmerkung der Redaktion) in Abstimmung mit unserem Betriebsarzt beschäftigen. Derzeit warten wir aber noch Konkretisierungen zur rechtlichen Anwendung ab. Wir erhoffen uns in Kürze Klarheit durch die Bundesregierung.“
Auch bei Medizintechnik-Unternehmen Karl Storz ist der „eng begrenzte Einsatz von AntigenSchnelltests eine von vielen Maßnahmen in unserem betrieblichen Pandemie-Schutzkonzept“, schreibt Pressesprecherin Regina Stern. Es gebe eng definierte Einzelfälle, in denen bei Personen ohne Symptome ein Antigen-Test durchgeführt werden kann, „um den Schutz der Belegschaft sicher zu stellen“. Vorstellbar sei dies, wenn Mitarbeiter von einer Dienstreise zurückkommen oder „bei einem Besucher, wenn dieser beispielsweise aus einem inländischen Hotspot nach Tuttlingen reist“.
Karl Storz hat in Anlehnung an offizielle Richtlinien ein betriebsinternes Regelwerk erarbeitet. Dabei gelten alle Schutzmaßnahmen, wie Abstand halten, Maskenpflicht, Nutzung von Homeoffice und ein sensibler Umgang mit Erkältung und Grippe. „In Zweifelsfällen bitten wir unsere Mitarbeiter immer, mit deren Hausarzt oder Betriebsarzt Kontakt aufzunehmen“, sagt Stern. Bei Corona-Infektionsfällen greife die nationale Teststrategie der jeweiligen Gesundheitsämter, die dann einen PCRTest anordnen. „Wir sehen es positiv, dass der Landkreis Tuttlingen weiter sehr bemüht ist, die Testkapazitäten zu erhöhen“, sagt Stern. Schließlich sollen bei konkreten Verdachtsfällen neben den Mitarbeitern auch Schüler und Lehrer „schnell wieder aktiv am Berufs- oder Schulleben teilnehmen können.“
Bei der Firma Binder hat es bisher zwei Mitarbeiter gegeben, die positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Dies habe aber keine Auswirkung auf den Betrieb gehabt, sagt Personalleiter Uwe Werner, weil die Infektion während des Urlaubs oder in Abwesenheit aufgetreten sei. „Deshalb war uns keine Kontamination von Mitarbeitern bekannt.“Beim Hersteller von Klimaschränken werden Mitarbeiter, die keine spezifischen Symptome einer Corona-Infektion aufweisen, auch nicht nach Hause geschickt. Einen Schnelltest, um eine Ansteckung auszuschließen, kann sich Werner für die Firma Binder aber vorstellen.
Auch die Aesculap AG hatte schon „einige positiv getestete Mitarbeiter“, wie ein Sprecher des Unternehmens berichtet. Auch weil „alle Kontaktpersonen der infizierten Kollegen konsequent in Quarantäne oder ins Homeoffice geschickt“worden seien, habe man mögliche Ansteckungen in der Firma komplett vermieden. „Wir mussten keine Abteilung schließen“, sagt der Sprecher. Auch einen Arbeitsausfall habe es „als solchen“nicht gegeben.
Der Einsatz der „sogenannten Antigentests“kommt für die Aesculap AG durchaus in Frage. „Sie können bei gesetzlich nicht abgedeckten Fällen durchaus hilfreich sein und zum Schutz unserer Mitarbeiter beitragen. Wir stimmen den Einsatz mit unserem Betriebsarzt und dem Krisenstab ab.“Die Krise habe aber gezeigt, wie groß die Solidarität unter den Beschäftigten sei. Die Belegschaft sei bewusst aufgefordert worden, „verantwortungsvoll und sensibel zu handeln. Wir bitten sie, über die vom Gesundheitsamt hinaus angeordneten Fälle wie grippeähnliche und Covid-19-typische-Symptome oder die Testung einer im gleichen Haushalt lebenden Person nicht an den Arbeitsplatz zu kommen und zuhause zu bleiben“, sagt der Sprecher. Im Zweifelsfall würden die Mitarbeiter an Haus- oder Betriebsärzte verwiesen.
Der Schnelltest erfolgt ebenfalls über einen Abstrich im Nasenrachenraum und basiert auf dem Nachweis von SARS-CoV-2-Eiweißen. Die einfachere Auswertung eines Antigentests erlaubt die Testung auch außerhalb eines Labors. Alle momentan auf dem Markt befindlichen Antigen-Schnelltests müssen von geschultem, medizinischem Personal durchgeführt werden.