Heuberger Bote

Von New York geträumt, in Köln aufgewacht

Zverev wieder in der Heimat – Frauen beklagen große Lücken im Terminkale­nder

- KÖLN

(dpa/SID) - Es ist schon eine kuriose Situation: Als Deutschlan­ds bester Tennisspie­ler Alexander Zverev am Dienstag auf einer Pressekonf­erenz über das Turnier in Köln redete, saßen bei den Matches in der Halle noch einige Hundert Zuschauer. Wenn der US-Open-Finalist am Donnerstag im Achtelfina­le gegen den Spanier Fernando Verdasco erstmals seit gut 14 Monaten wieder in seiner Heimat aufschlägt, wird die Halle leer sein.

„Ich habe mich eigentlich mega drauf gefreut, hier vor Zuschauern zu spielen“, sagte der Weltrangli­stenSiebte, wenige Stunden, nachdem die Entscheidu­ng über den ZuschauerA­usschluss wegen steigender Corona-Zahlen gefallen war. Für das gleich anschließe­nde zweite Kölner Turnier in der kommenden Woche durfte der 23-Jährige noch auf Publikum hoffen. Turnierdir­ektorin Barbara Rittner kündigte an, die weitere Entwicklun­g genau zu beobachten und „in Abstimmung mit den Behörden eine Entscheidu­ng bezüglich eines möglichen Besuchs des zweiten Turniers“zu fällen.

Zverev freute sich aber auch so auf seinen ersten Auftritt in Deutschlan­d seit seinem Start in Hamburg im Sommer 2019. Und seine Ansprüche bleiben ohnehin dieselben: „Es ist klar: Wenn man an Nummer 1 gesetzt ist, will man das Turnier auch gewinnen.“

Allerdings kämpft Zverev nach dem Grand-Slam-Doppelpack der letzten Wochen sowohl gegen die körperlich­en Nachwehen von Paris als auch gegen die mentalen von New York. Nach der Erkältung, die ihn beim Achtelfina­l-Aus bei den French Open gegen den 19-jährigen Italiener Jannik Sinner geschwächt hatte, sei er „die ganze letzte Woche extrem erschöpft gewesen. Ich habe kein einziges Mal richtig trainiert.“Definitiv sei er aber nicht an Corona erkrankt gewesen. „Auch in CoronaZeit­en kann man einfach eine Erkältung bekommen. Das haben viele nicht verstanden“, sagte der 23-jährige Zverev.

Vielleicht noch mehr in den Knochen steckt ihm der verpasste erste Grand-Slam-Titel in New York vor einem Monat. Auf die Frage, wie oft er noch daran denke, gestand Zverev: „Was denken Sie denn? So jeden Tag 20- bis 25-mal. Nachts auch. Und in meinen Träumen auch.“Im Endspiel gegen den Österreich­er Dominic Thiem am 13. September hatte der Hamburger die ersten beiden Sätze gewonnen und nach einem dramatisch­en Verlauf schließlic­h im Tiebreak des fünften und entscheide­nden Satzes verloren. „Ich war zwei Punkte davon entfernt, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen“, sagte Zverev.

Gedanken ganz anderer Art müssen sich derweil die Tennis-Frauen machen. Während die männlichen Kollegen um Zverev den Auftakt zu einem vollgepack­ten Herbst bestreiten, müssen die Damen notgedrung­en die Füße hochlegen und können schon mal ihren Urlaub planen. „Es ist schon recht mager, was angeboten wird“, klagte etwa die Metzingeri­n Laura Siegemund.

Dass im Terminkale­nder der

Frauen-Tour WTA aufgrund der Corona-Pandemie riesige Lücken klaffen und Ersatzturn­iere im Gegensatz zu den Männern nur spärlich vorhanden sind, ist für Siegemund zwar erst mal halb so wild. Deutschlan­ds formstärks­te Spielerin nutzt die Pause, um ihren angeschlag­enen Rücken zu schonen. Doch andernorts ist die Kritik an der WTA umso lauter.

„Es ist zum Kotzen, dass die Saison für uns schon vorbei ist“, ätzte die US-Amerikaner­in Sofia Kenin nach dem verlorenen Finale der French Open: „Ich wünschte mir wirklich, dass es noch mehr Turniere gäbe.“Und auch Julia Görges stellte nach ihrem Aus in Paris verwundert fest: „Unser Kalender ist schon recht nackt.“

Zwei kleinere Turniere stehen noch auf dem Plan. In der kommenden Woche schlagen die Frauen im tschechisc­hen Ostrau auf, ab 9. November wurde kurzfristi­g ein Turnier in Linz/Österreich organisier­t. Das ist aber kein Vergleich zur Männer-Tour ATP: Diese kehrte zwar zwei Wochen später aus der CoronaPaus­e zurück, bietet aber bis Saisonende noch zehn Turniere an, darunter das Masters in Paris und die ATP Finals in London.

Dabei hätte die WTA durchaus Chancen und genügend Zeit für hochwertig­en Ersatz gehabt, nachdem die lukrative AsienTour mitsamt des Saisonfina­les in Shenzhen bereits im Juli komplett gestrichen worden war. „Das ist mir auch ein Rätsel. Schon in Deutschlan­d wären wohl noch ein, zwei Turniere möglich gewesen“, sagte Siegemund und unterstric­h damit eine Aussage Rittners. Dass sich an der unbefriedi­genden Situation kurzfristi­g etwas ändert, glaubt sie nicht. „Sowohl wir Spieler als auch die Turnieraus­richter brauchen im Vorlauf Zeit für die Planung und Vorbereitu­ng auf ein Turnier“, sagte die Metzingeri­n.

„Es ist schon recht mager, was angeboten wird.“

Laura Siegemund

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FOTO: DPA

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