Richter kippen Beherbergungsverbot im Südwesten
Mehrere Länder rücken von umstrittener Regelung ab – Bund unzufrieden mit Beschlüssen des Corona-Gipfels
(AFP/len) Das umstrittene Beherbergungsverbot für Menschen aus innerdeutschen Corona-Risikogebieten fällt in immer mehr Ländern: In Baden-Württemberg und Niedersachsen kippten Gerichte die Regelung, in Sachsen setzte das Land sie außer Kraft. In anderen Ländern, etwa Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz, wird die Regelung zumindest nicht umgesetzt. Bayern will sie ab sofort ständig überprüfen.
In Baden-Württemberg setzte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim das Verbot außer Vollzug. Es greife in das Grundrecht auf Freizügigkeit ein und sei wohl verfassungswidrig, urteilten die Richter am Donnerstag. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, das Urteil umzusetzen. Es gebe unterschiedliche Sichtweisen. In einem Rechtsstaat habe aber die Judikative das letzte Wort, nicht die Exekutive. Dennoch legte Kretschmann den Bürgern nahe, auf touristische Reisen zu verzichten.
Erfolgreich geklagt hatte ein Mann aus dem Risikogebiet Recklinghausen, der mit seiner Familie nun einen bereits gebuchten Urlaub in einer Ferienwohnung im Landkreis Ravensburg verbringen wird. Seine Anwältin erklärte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass sich die Familie nicht zu Details äußern wolle, sie liege aber „ansonsten hinsichtlich der Maßnahmen auf einer Linie mit der Bundeskanzlerin“.
Bei Angela Merkel (CDU) selbst herrscht derweil Unzufriedenheit mit den Beschlüssen vom Mittwoch. Kanzleramtsamtsminister Helge Braun (CDU) sagte, die Entscheidungen seien ein „wichtiger Schritt, aber sie werden vermutlich nicht ausreichen“. Deshalb komme es auf die Bevölkerung an. Es solle jeder „nicht nur gucken, was darf ich jetzt, sondern wir müssen im Grunde genommen alle mehr machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten beschlossen haben“. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte: „Wir haben es selbst in der Hand, diese Entwicklung zu stoppen.“Heute werde entschieden, ob Weihnachten „in gewohnter Weise stattfinden kann“.
- Bund und Länder ziehen die Zügel wegen der steigenden Corona-Zahlen wieder deutlich an. Im Ernstfall sollen sich wie im Frühjahr wieder nur wenige Menschen treffen dürfen. Derzeit sind zumindest die Baden-Württemberger mit dem bisherigen CoronaKrisenmanagement der Landesregierung zufrieden. 59 Prozent der Befragten einer aktuellen Umfrage von infratest dimap im Auftrag von SWR und „Stuttgarter Zeitung“äußerten sich einverstanden mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. 27 Prozent wünschten sich eine Verschärfung, 12 Prozent hielten die Regeln für übertrieben. Nun gelten jedoch viele neue Regeln. Fragen und Antworten im Überblick.
Was gilt ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und Woche ...
... für die Maskenpflicht?
BADEN-WÜRTTEMBERG: Masken müssen nicht mehr nur in Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden, sondern auch dort, wo Menschen dicht gedrängt über längere Zeit zusammenkommen. Was das konkret bedeutet, ließ Kretschmann in der Regierungserklärung noch offen. Die Maskenpflicht wird in Schulen ab Klasse 5 in den weiterführenden Schulen sowie in den beruflichen Schulen auch auf den Unterricht ausgeweitet. BAYERN: Schüler ab der fünften Klasse müssen im Unterricht Maske tragen. Gleiches gilt für Studenten in den Vorlesungen. Außerdem sind Kommunen verpflichtet, hoch frequentierte Plätze auszuweisen, zum Beispiel Fußgängerzonen. Auch beim Sport, im Kino oder bei anderen Kulturveranstaltungen müssen Menschen künftig Mund und Nase bedecken. Neu ist auch eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Sie gilt überall dort, wo der Abstand nicht eingehalten werden kann. Das betrifft insbesondere Kantinen, Eingänge, Flure oder Aufzüge.
... für Feiern?
BADEN-WÜRTTEMBERG: Privat dürfen sich maximal 25 Menschen treffen, im öffentlichen Raum sind maximal 15 Menschen zugelassen. BAYERN: Die Münchner Landesregierung unterscheidet künftig nicht mehr zwischen privat und öffentlich. Egal wo, dürfen nur noch höchstens zehn Personen zusammenkommen.
... für die Gastronomie
BADEN-WÜRTTEMBERG: Die Landesregierung empfiehlt Behörden eine Sperrstunde für Restaurants und Kneipen, macht diese aber nicht zur Pflicht.
BAYERN: Die Sperrstunde ist überall gesetzt und gilt jeden Abend ab 23 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Tankstellen auch keinen Alkohol mehr verkaufen.
Was gilt ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und Woche ...
... für die Maskenpflicht?
BADEN-WÜRTTEMBERG: Wird eine Region zum Hotspot, soll die Maskenpflicht nochmals ausgeweitet werden. In welchem Umfang, dazu machte Ministerpräsident Winfried Kretschmann keine weiteren Angaben.
BAYERN: Neben den Jugendlichen auf weiterführenden Schulen müssen jetzt auch Grundschüler Maske tragen. Im Unterricht und während der Nachmittagsbetreuung.
... für Feiern
BADEN-WÜRTTEMBERG: Nur noch maximal 10 Menschen dürfen im öffentlichen Raum zusammenkommen. Zuhause und in anderen Privaträumen ist es ähnlich. Maximal zehn Personen oder zwei Haushalte können sich dort verabreden Bei sonstigen Veranstaltungen wird die Teilnehmerzahl auf 100 Personen begrenzt.
BAYERN: Wie gehabt unterscheidet München nicht nach dem Ort des Treffens. Überall dürfen sich nur Gruppen mit bis zu fünf Leuten treffen oder Gruppen aus zwei Haushalten zusammenkommen.
... für die Gastronomie
BADEN-WÜRTTEMBERG: Die Sperrstunde wird Pflicht und wird ab 23 Uhr eingeläutet. Ab dann gilt ebenso ein Verkaufsverbot für Alkohol. BAYERN: Gaststätten und Restaurants müssen den Betrieb schon ab 22 Uhr einstellen. Zur gleichen Zeit gilt ebenfalls ein Verkaufsverbot für Alkohol.
Welche Bußgelder gelten, wenn Menschen die Regeln missachten?
BADEN-WÜRTTEMBERG: Für Maskenverweigerer etwa in Geschäften, Restaurants oder Freizeitparks gilt ein Bußgeld von mindestens 50 Euro. In Gaststätten müssen Besucher eine Maske tragen, wenn sie nicht am Tisch sitzen. Zudem können Gäste, die bei ihren persönlichen Daten in Restaurants falsche Angaben machen, mit einem Bußgeld zwischen 50 und 250 Euro bedacht werden. Bei Verstößen gegen die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sind mindestens 100 Euro fällig. Wer auf dem Schulgelände außerhalb der Unterrichtsräume keine Maske trägt, kann ein Bußgeld von mindestens 25 Euro bekommen. BAYERN: Eine Maske ist im ÖPNV für alle Fahrgäste ab sechs Jahren verpflichtend. Nur aus gesundheitlichen Gründen und mit einem ärztlichen Attest sind Ausnahmen möglich. Der Bußgeld-Regelsatz liegt bei 250 Euro im einmaligen Fall und bis 500 Euro bei mehrmaligen Verstößen. Sobald der Grenzwert von 50 Neuinfektionen in einer Region in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner überschritten ist, soll es auf stark besuchten öffentlichen Plätzen eine Maskenpflicht geben. Wer in Gaststätten falsche Angaben macht, muss mit einem Bußgeld von 250 Euro rechnen.
Wie geht es nun mit dem KrisenManagement weiter?
Die nächste Bund-Länder-Runde der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auf den 8. November nach den Herbstferien datiert. Dort wird dann erneut Bilanz gezogen. Maßnahmen könnten dann je nach Situation nachgeschärft oder wieder gelockert werden.
Welche 7-Tage-Inzidenz Ihr Landkreis hat sowie weitere Corona-Informationen: www.schwäbische.de/ corona-aktuell