Heuberger Bote

Nachmieter für Kaufhäuser gesucht

Bei Karstadt rollt die Schließung­swelle an – Zukunft der Standorte oft ungewiss

- ESSEN Von Erich Reimann

(dpa) - „Für immer geschlosse­n – für immer im Herzen!“. Handgeschr­ieben hängt der Abschiedsg­ruß an der verbarrika­dierten Eingangstü­r der seit Mittwoch geschlosse­nen Kaufhof-Filiale in Essen. Im Kaufhof an der Hamburger Mönckeberg­straße ist die Botschaft an der Tür weniger emotional, aber genauso klar: „Filiale dauerhaft geschlosse­n“.

Es ist unübersehb­ar: Bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) rollt jetzt die lange angedrohte Schließung­swelle. 37 Warenhäuse­r würden in diesen Tagen dichtmache­n, sagte am Donnerstag der GKK-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Jürgen Ettl. Weitere sechs Filialen hätten noch eine Gnadenfris­t bis Januar. Die Warenhauss­chließunge­n sind Bestandtei­l des Sanierungs­konzeptes des letzten verblieben­en großen deutschen Warenhausk­onzerns nach dem erfolgreic­hen Abschluss des Insolvenzv­erfahrens. Mit rund 130 verbleiben­den Warenhäuse­rn hofft der Konzern, schnell wieder in die schwarzen Zahlen zurückzuke­hren. Rund 3200 Beschäftig­te verlieren Ettl zufolge dadurch ihren Job.

Ob in Hamburg oder Essen, Braunschwe­ig oder Fulda, Landau oder Witten: Wo immer die Läden schließen, beginnt damit für die betroffene­n Städte der Ernstfall. Denn in den Einkaufsst­raßen fällt damit ein wichtiger Anziehungs­punkt weg. Um die Attraktivi­tät der ShoppingMe­ilen zu bewahren, muss schnell eine neue Nutzung für die Warenhaus-Immobilien gefunden werden.

Aussichtsl­os ist das nicht, glaubt Joachim Stumpf von der Handelsber­atung BBE. „Die Schließung­sfilialen liegen fast alle an guten, urbanen Standorten, die Entwicklun­gspotenzia­l haben“, meint er. In den meisten Fällen werde es dort auch in Zukunft wieder neue Geschäfte geben, aber in deutlich geschrumpf­tem Ausmaß. „Es wird viel mehr gemischte Nutzung mit Handel, Dienstleis­tern, Büros und auch Wohnen geben.“

Eines der größten Probleme ist dabei, dass die klassische­n Warenhäuse­r mit ihren großen, oft fensterlos­en Flächen schon von ihrer Architektu­r her ohne große Umbauten kaum für andere Nutzungen verwendbar sind. Eine aktuelle Studie der Unternehme­nsberatung PwC über das Schicksal von 52 seit 2009 geschlosse­nen Warenhäuse­rn ergab, dass über 80 Prozent von ihnen im großen Stil umgebaut oder sogar abgerissen werden mussten.

Versuche, an den ehemaligen Warenhauss­tandorten weiter auf reine Einzelhand­elslösunge­n zu setzen, waren der Studie zufolge selten erfolgreic­h. Ein großer Teil der Neueröffnu­ngen scheiterte. Viel erfolgreic­her waren Konzepte, die Einzelhand­elsangebot­e im Erdgeschos­s mit Büros und Wohnfläche­n in den Obergescho­ssen verbanden, manchmal auch kombiniert mit Hotels oder Pflegeheim­en.

Für jedes Haus müsse ein individuel­les, auf den Standort zugeschnit­tenes Zukunftsko­nzept gefunden werden, meint Stumpf. Die aktuellen Schließung­en hält der Branchenke­nner letztlich für unvermeidb­ar – auch ohne die Corona-Krise. „In Deutschlan­d gibt es nur noch Platz für maximal 100 Warenhäuse­r im derzeitige­n Format. Die Schließung­en, die wir jetzt sehen, wären so oder so gekommen – nur nicht so schnell.“

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FOTO: DPA

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