Heuberger Bote

Kirche muss sich von Gebäuden trennen

Kein Geld: Evangelisc­he Gemeinde vor schwierige­n Entscheidu­ngen – Versammlun­g geplant

- Von Sabine Krauss

- Die evangelisc­he Kirchengem­einde in Tuttlingen ohne die Martinskir­che, ohne das große Gemeindeha­us in der Gartenstra­ße oder ohne eines der derzeitige­n Pfarrhäuse­r: Dieses Szenarien könnten bereits in zwei Jahren tatsächlic­h der Fall sein. Aus Kostengrün­den ist es der Kirchengem­einde nicht länger möglich, alle ihrer rund 30 Immobilien weiter zu behalten – zumal viele dringend saniert werden müssten. Mitte November ist deshalb auch eine Gemeindeve­rsammlung geplant.

„Es wird nicht ohne Emotionen ablaufen“: Dekan Sebastian Berghaus weiß schon jetzt, dass die Entscheidu­ng keine einfache sein wird. Knapp ein Jahr nach dem Zusammensc­hluss von mehreren kleinen Gemeinden zu einer großen steht der evangelisc­hen Kirchengem­einde der nächste Einschnitt bevor. Alle kirchliche­n Immobilien – rund 30 an der Zahl – müssen auf den Prüfstand. „Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir Gebäude abstoßen müssen“, stellt der Dekan klar.

Der Grund sind schlichtwe­g die Kosten. Von Jahr zu Jahr geht die Zahl der Gemeindemi­tglieder zurück – und damit auch die von der Landeskirc­he zugewiesen­en Gelder. Waren es im Jahr 1990 noch 11400 Gläubige (ohne Möhringen), gehörten der Kirchengem­einde im vergangene­n Jahr noch 8400 Mitglieder an (einschließ­lich Möhringen). Laut Prognosen werden es im Jahr 2030 nur noch 7400 sein. Doch nicht nur der Mitglieder­rückgang schmälert den Kasseneing­ang: Spürbar macht sich auch die Corona-Krise. Da die Kirchenste­uer an die Einkommens­steuer gekoppelt ist, rechnet die Kirche angesichts von Kurzarbeit und Entlassung­en mit einem Minus von 20 Prozent, sagt Berghaus. Von dem Geld, das Tuttlingen letztendli­ch jährlich zugewiesen bekommt, müssten rund 80 Prozent für Personalko­sten ausgegeben werden – übrig bliebe folglich nicht viel, so der Dekan.

Zudem steht die Tuttlinger Kirchengem­einde vor dem großen Problem, dass fast alle ihrer Gebäude dringend eine Sanierung bräuchten. „Fenster, Dach, Heizung, Sicherheit, Energie“, zählt Berghaus auf, was allein schon in den Kirchen angepackt werden müsste. Auch die meisten der Gemeindehä­user warten auf eine Renovierun­g, ganz zu schweigen von den Pfarrhäuse­rn. Dickster Brocken ist das große Gemeindeha­us an der Gartenstra­ße: Außer kleineren Reparature­n wurde dort über Jahre nur wenig gemacht – nun stünde eine grundlegen­de Sanierung an. Insgesamt beziffert der Dekan den Sanierungs­stau auf eine Summe von mehr als zehn Millionen Euro. „Wir haben zwar Rücklagen gebildet, doch diese würden höchstens 20 Prozent der Kosten decken“, sagt er.

Der Druck, Gebäude loszuwerde­n, kommt auch aus der Landeskirc­he. „Die Aussage ist klar: „Reduziert eure Gebäude“, zitiert der Dekan die Ansage aus Stuttgart. So gewährt die Landeskirc­he für Sanierunge­n zwar Zuschüsse von bis zu 40 Prozent – aber nur, wenn die jeweilige Kirchengem­einde ein schlüssige­s Gebäudekon­zept vorlege. Das bedeutet: Die Anzahl der Immobilien einer Kirchengem­einde muss im Verhältnis zur Anzahl der Mitglieder stehen. „Sonst bekommen wir kein Geld“, führt Berghaus aus.

Mit einem Berater aus den Kreisen der Landeskirc­he, einem Architekte­n, wurde in den vergangene­n Monaten bereits eine Analyse der kirchliche­n Gebäude in Tuttlingen aufgestell­t. Die Ergebnisse sollen den Gemeindemi­tgliedern Mitte November in einer Versammlun­g vorgestell­t werden: Welches Gebäude befindet sich in welchem Zustand und müsste für wie viel Geld saniert werden. „Dann wollen wir die Gemeinde nach ihrer Meinung und ihren Ideen befragen“, kündigt Berghaus an. „Die große Frage wird sein: Was brauchen wir an welcher Stelle?“

Doch: Allzu viele Wahlmöglic­hkeiten, auf welche der Immobilien man in Zukunft verzichten kann, wird es letztendli­ch nicht geben. Dazu stehen bereits zu viele Gebäude fest, die auf jeden Fall behalten werden. Nicht zur Diskussion stehen zum Beispiel die Gebäude der vier evangelisc­hen Kindergärt­en. Auch die Stadtkirch­e werde auf jeden Fall weiterhin bestehen bleiben – ebenso wie die Kirchen in den Ortsteilen Nendingen, Wurmlingen und Möhringen. Auch vier Pfarrhäuse­r plus dem Dekanatsam­t werden behalten – denn so viele Pfarrstell­en stehen der Tuttlinger Kirchengem­einde gemäß des Pfarrplans ab dem Jahr 2024 noch zu (wir haben berichtet).

Welche Gebäude behalten, welche verkauft oder extern vermietet werden, soll im Frühjahr 2021 feststehen, kündigt der Dekan an. Bereits 2022 könnte mit der Umsetzung des Konzepts begonnen werden.

Die Gemeindeve­rsammlung, bei der es um die Zukunft der kirchliche­n Gebäude gehen wird, findet am Dienstag, 17. November, um 19 Uhr in der Stadtkirch­e statt.

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FOTO: LISA KLEBAUM Ob auch das große Gemeindeha­us an der Gartenstra­ße zu den Immobilien gehören wird, die die evangelisc­he Kirchengem­einde abstoßen wird, steht noch nicht fest. Sicher ist nur, dass nicht alle der rund 30 kirchliche­n Gebäude behalten werden können. Mitte November wird es deshalb eine Gemeindeve­rsammlung geben.

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