Forderung nach Zuschauer-Neuregelung
Fußball-Bosse fordern einen Sonderweg: Inzidenz soll nicht mehr Ausschlag geben
(SID) - Wenn mir die Regeln nicht mehr passen, mache ich mir eben neue – getreu diesem fragwürdigen Motto wollen einige Bundesliga-Bosse auf den starken Anstieg der Corona-Neuinfektionen mit einem neuen Allzeithoch reagieren. Während die Spitzenpolitiker bei ihrer zurückliegenden Marathonsitzung die Inzidenz als Richtwert für alle ihre Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie bestätigt haben, möchten sich Teile des Fußballs darüber hinwegsetzen.
Die Inzidenz (Corona-Neuinfektionen der vergangenen 7 Tage pro 100 000 Einwohner) soll nach dem Willen einiger Chefetagen nicht mehr den Ausschlag dafür geben, ob und wie viele Zuschauer in die Stadien dürfen. „Wir sollten uns grundsätzlich fragen, ob wir nur den Inzidenzwert betrachten oder das umfangreiche Hygienekonzept der Clubs heranziehen“, sagte Geschäftsführer Alexander Wehrle vom 1. FC Köln dem „Stadt-Anzeiger“: „Unseres ist als tragfähig und hervorragend eingestuft worden.“
Ähnlich äußerte sich Stefan Reuter. „Wir wünschen uns eine faktenbasierte Diskussion darüber, ob man diese Regelung modifizieren sollte“, sagte der Manager des FC Augsburg: „Die Bundesliga hat an allen Standorten gezeigt, dass sie Spiele mit Zuschauern unter Einhaltung der Hygienevorschriften sehr gut durchführen kann.“Laut FCA-Geschäftsführer Michael Ströll sollten die Behörden berücksichtigen, dass es sich „um Freiluftveranstaltungen handelt“. Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz zeigte sich „positiv gestimmt, dass es trotz steigender Zahlen möglich ist, wieder vor Zuschauern zu spielen“– falls denn die Behörden zustimmen.
Inwieweit diese Einlassungen stichhaltig sind, lässt sich allerdings kaum nachvollziehen. Auch Behauptungen, wonach sich im Stadion bisher niemand angesteckt habe, sind nur schwer bis gar nicht zu überprüfen. Viel mehr legen die Aussagen den Schluss nahe, dass die Verantwortlichen beim Blick auf das Covid-19-Dashboard des Robert-KochInstituts (RKI) zu viel Orange und Rot sehen. Aufgrund der RKI-Einstufung von Risikogebieten ist nämlich klar, dass zahlreiche Partien am Wochenende ohne oder nur mit ein paar Hundert Fans stattfinden werden.
Bei allem Verständnis für den Wunsch nach einer Rückkehr der Zuschauer erscheinen die Forderungen der Verantwortlichen nicht im Einklang mit der zuletzt immer wieder versprochenen Demut des Fußballs zu stehen. Schließlich fordert die Politik die Bürger zu weitgehenden Beschränkungen auf.
So macht Kanzleramtsminister Helge Braun keinen Hehl daraus, dass die jüngsten Verabredungen von Bund und Ländern „vermutlich nicht“ausreichen. „Wir müssen im Grunde genommen mehr machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten beschlossen haben“, sagte der CDU-Politiker. Es sei vielmehr an der Zeit, seine Kontakte in allen Lebensbereichen deutlich zu reduzieren.
Ohnehin läuft die Testphase für die Teilzulassung von Zuschauern beim Sport Ende Oktober aus. Wie die Politik in dieser Hinsicht weiter vorgeht, ist offen. „Wir haben eine sehr schwierige Zeit vor uns“, sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Auch die DFL muss Entscheidungen treffen. Das Alkohol- und Stehplatzverbot in den Arenen gilt nur bis zum Monatsende. Immerhin hat die DFL mit Blick auf die Arbeit in den Stadien die Zeichen der Zeit erkannt. Vor Ort befindliche Personen, die aus einem ausländischen oder innerdeutschen Risikogebiet kommen, müssen strengere Regeln befolgen.