Heuberger Bote

Ein kleines Wunderwerk der Technik

Blick hinter die Kulissen: Die Mühle im Freilichtm­useum kann mehr als nur Korn mahlen

- Von Linda Seiss NEUHAUSEN OB ECK

- Unterhalb des Haldenhofs ist im Freilichtm­useum eine Mühle zu entdecken. Ursprüngli­ch stand diese im Harzerloch bei Peterzell (Schwarzwal­dBaar-Kreis). Wenn Kulturwiss­enschaftle­r Christof Heppeler über die Schwarzwal­dmühle spricht, dann berichtet er von einem kleinen Wunderwerk mit ausgetüfte­lten Systemen. Denn jeder Schritt scheint perfekt auf den nächsten abgestimmt zu sein. Und die Mühle kann viel mehr, als nur Korn zu mahlen.

Auch wenn die Mühle im Freilichtm­useum normalerwe­ise jeden Tag läuft und auch für Zuschauer geöffnet ist, so bringt es die CoronaPand­emie mit ihren Auflagen mit sich, dass das Innere der Mühle den Besuchern derzeit verborgen bleibt. „In die Bereiche, in die wir jetzt vordringen, kommt sonst eigentlich niemand“, sagt Museumssch­reiner Fritz Elmar. Er duckt sich und gelangt hinter der Treppe, die nach oben zum Trichter führt, eine Etage tiefer. Quasi in den Maschinenr­aum der Mühle. Dort ist das Ausmaß des großen Kammrads, das vom Wasserrad angetriebe­n wird und mit dazu beiträgt, dass das Korn gemahlen werden kann, zu erkennen. Es hat einen Durchmesse­r von 2,1 Metern. Insgesamt sind 72 Zähne aus Holz daran angebracht. Neben dem Rad liegt einer dieser Zähne. „Hin und wieder geht ein Zahn kaputt“, sagt Elmar. Wichtig sei es, diesen direkt zu ersetzen. „Sonst schlägt es auf den nächsten Zahn“, erklärt er. In der Schreinere­i könne er diese selbst anfertigen, wenn es die Zeit zulasse. Ansonsten könne er einen Mühlenbaue­r hinzuziehe­n, sagt Elmar.

Eine Besonderhe­it der Mühle sei, dass sie bereits damals – an der Tür ist zu lesen, dass die Mühle 1767 erbaut wurde – transmissi­onsfähig war. Konkret bedeutet das, dass ein Drahtseil die Kraft in den Haldenhof überträgt und so Arbeitsger­äte wie eine Drehmaschi­ne angetriebe­n werden können.

Auch einige Werkzeuge sind im Maschinenr­aum, der für die Besucher nicht zugänglich ist, zu finden. Unter anderem eine Säge, ein Hammer sowie ein Stechbeite­l: „Mit diesen Werkzeugen hat man wirklich die tollsten Sachen gemacht“, sagt Elmar, der seit 32 Jahren der Mann fürs Holz im Museum ist. Im hinteren Bereich sind zudem zwei Vierkanthö­lzer zu sehen. Die sogenannte­n Stampfer seien für alles zum Einsatz gekommen, das nicht gemahlen werden konnte. Der Museumssch­reiner nennt Öl- und Hülsenfrüc­hte als Beispiel. „Es wurde alles ausgenutzt, so gut es ging“, schildert er. Auch zur Herstellun­g von Knochenlei­m seien die Stampfer daher benutzt worden.

Wieder hinter der Treppe in den Hauptraum der Mühle hervorgekl­ettert, erklären Heppeler und Elmar, wie die Mühle funktionie­rt. Dazu geht Elmar einige Stufen nach oben, um zum Trichter und den Mahlsteine­n zu gelangen. Das Getreide wird über den Trichter in die Mühle gegeben. Bis ein Zentner, also 50 Kilogramm Getreide, gemahlen sei, brauche die Mühle etwa 2,5 Stunden.

Über den Trichter gelangen die Getreidekö­rner zwischen die beiden Mahlsteine. Die Kraft aus dem Maschinenr­aum wird dann auf die beiden großen Mahlsteine umgeleitet. Der obere der beiden Steine, er ist hinter einer Holzverkle­idung verborgen, nennt sich Läufer. Denn der 350 Kilogramm schwere Sandstein bewegt sich und mahlt das Korn. Heppeler, der bereits seit 27 Jahren beim Freilichtm­useum arbeitet, berichtet, dass es damals beim Schwarzbro­tessen oft zwischen den Zähnen geknirscht habe, weil sich Teile des Sandsteins gelöst hätten.

Im nächsten Schritt rieselt das Korn dann durch eine Öffnung, das sogenannte Mehlrohr, in ein schlauchar­tiges Sieb. Elmar geht die Treppe hinunter und bleibt vor dem Mehlkasten in der Mitte des Raumes stehen. Dort tummeln sich bei einer Vorführung sonst auch gerne Kinder und Erwachsene. Ein sogenannte­r Klopfstock klopfe das feine Mehl aus dem Sieb, das dann im Mehlkasten landet, so Elmar. „Daher kommt der Ausdruck, man wird ausgebeute­lt“, erklärt Heppeler. Der vordere Bereich

dieses Kastens ähnelt dem der Mühle aus Wilhelm Buschs Geschichte Max und Moritz. Durch den sogenannte­n Kleiekotze­r werden die groben Teile wieder herausgege­ben. „Kleie kann man bis zu sieben Mal wieder nachfüllen“, sagt Elmar.

Bei einer Vorführung werde in der Regel ein Kilogramm Getreide durchgelas­sen, berichtet Elmar. Ein Drittel davon werde zu Mehl gemahlen, der Rest sei Grieß und Kleie. Er erklärt: Um einer Mehlexplos­ion vorzubeuge­n, müsse die Mühle beim Mahlen immer durchlüfte­t sein.

Doch das Korn kann in der Mühle nicht nur gemahlen werden. Bei dem sogenannte­n Gerbgang wird die Spelz, also die Schale des Getreides, vom Korn selbst gelöst. Die Mühlsteine werden dabei auf einen Abstand von drei Millimeter­n eingestell­t. Über einen Ventilator­flügel kann unterhalb der Mühlsteine ein Luftstrom erzeugt werden. Während die Kerne direkt in den Kernkasten fallen, werde die Schale durch einen Kanal gepustet und fällt heraus, erklären die Experten.

Heppeler geht zur Tür hinaus und läuft zur Rückseite der Mühle. „Außen wird Wasserkraf­t erzeugt.“Er zeigt auf das Wasserrad hinter dem Gebäude, das einen Durchmesse­r von etwa 2,7 Metern hat. „Bei der Technik geht es darum, die Wasserkraf­t punktgenau auf die Drehsteine zu bringen“, erklärt Heppeler. Mit Blick auf die Mühle sagt der Kulturwiss­enschaftle­r: „Das ist hohe Zimmermann­skunst. Heute würde man von Hightech sprechen.“

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FOTOS: KEVIN RUDNER Die Mühle befindet sich im Freilichtm­useum unterhalb des Haldenhofs.
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Christof Heppeler sagt über die Mühle: „Das ist hohe Zimmermann­skunst. Heute würde man von Hightech sprechen.“

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