US-Wahlkrimi bewegt
Menschen aus den USA und der Region reagieren auf die ersten Ergebnisse.
- Joe Biden und Donald Trump liefern sich bei der Wahl zum 46. US-Präsidenten ein Kopf-anKopf-Rennen. So zumindest ist der Stand der Dinge bei Redaktionsschluss am Mittwochabend. Wir haben in den USA und in der Region Stimmen zu den Entwicklungen rund um die Wahl eingeholt.
Björn Penning ist Physik-Professor an der University of Michigan und in Spaichingen aufgewachsen (wir berichteten). Er zeigt sich vorsichtig optimistisch. „Es sieht momentan so aus, als ob Joe Biden gewinnt, wenn auch knapp, aber dass er gewinnt ist doch die Hauptsache.“Sein Eindruck ist, dass die meisten Leute froh seien, wenn die Wahl vorüber ist und wieder Ruhe einkehrt.
Dass Trump, ohne das Ende der Auszählungen abzuwarten, seinen Wahlsieg erklärt hat, habe er eigentlich erwartet. „Er hat sich diesen Part schon lange zurecht gelegt.“Auch der Zeitpunkt sei strategisch gewählt worden. Denn kurz zuvor waren die Ergebnisse aus den ländlichen Regionen eingetroffen, in denen die Mehrheit für Trump gestimmt hatte.
Und noch etwas vermutet Penning. „Wenn Trump wüsste, dass er wirklich gewinnen würde, hätte er sich eben nicht schon vorzeitig zum Sieger erklärt.“Diese Einschätzung teilt auch Manuel Merkt, der in den USA für die Berthold Hermle AG arbeitet und in einem Vorort von Milwaukee lebt (wir berichteten). Trotzdem wirkt er über Trumps Vorgehen entsetzt: „Es ist für mich unbegreiflich, wie man als amtierender Präsident der USA solche Aussagen machen kann.“Seine eigene Stimmung bezeichnet er als angespannt, da der Ausgang der Wahl zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch ungewiss ist.
Die Ergebnisse für den demokratischen Kandidaten Joe Biden, die bisher feststehen, interpretiert Björn Penning als ordentlich. „Er hat immerhin mindestens drei der Swing
States für sich eingenommen.“Ein Zwischenergebnis zeigt, dass er bisher auch die Mehrheit der Wählerstimmen besitzt (Stand Mittwoch, 17 Uhr). Doch das Wahlsystem in den USA sorgt dafür, dass in der Regel nur die Partei mit der absoluten Mehrheit einen Staat für sich entscheidet, damit die Wahlmännner stellen darf, die schließlich den Präsidenten wählen. „Da spielt dann teilweise eine kleine Stadt in Wisconsin eine entscheidendere Rolle, als New York“, so Penning.
Auch Carol Burger, US-Amerikanerin und Ehefrau des Tuttlingers Clemens Burger, hat uns ihre Eindrücke geschildert. Sie geht davon aus, dass es noch Tage, vielleicht sogar Wochen dauern könnte, bis ein endgültiges Wahlergebnis feststeht. Für sie fühlt es sich an, als sei das die wichtigste Wahl ihres Lebens. „Das Land wird in Gefahr sein, wenn der falsche Kandidat gewinnt.“Der falsche Kandidat bedeutet bei ihr Donald Trump. Für sie bedeutet Trump „eine Bedrohung unserer Demokratie, unserer Kultur und Werte, und unseres Ansehens in der Welt.“Ihre Erklärung, warum überhaupt so viele Menschen Donald Trump wählen: „Wie Leute über Trump denken und fühlen, wird sehr stark davon beeinflusst, woher sie ihre Informationen bekommen. Es ist fast so, als existierten in den USA zwei vollkommen unterschiedliche Realitäten, je nachdem, welche Medien die Menschen konsumieren.“
Diesen Eindruck bestätigt Manuel Merkt und auch Björn Penning sieht die Spaltung in der US-amerikanischen Gesellschaft. „Wenn jemand dieses Land wieder zusammenbringen kann, dann ist es Joe Biden“, glaubt er. „Aber es wird schwierig.“
Doch was erwarten sie, sollte Biden tatsächlich Präsident werden? Merkt und Penning nehmen an, dass unter Joe Biden die Steuern, zumindest für bestimmte Gruppen, steigen werden. Doch Merkt bewertet das eher positiv, da aus seiner Sicht die ganze US-Gesellschaft langfristig davon profitieren würde und auch Penning erklärt sich bereit, gerne etwas höhere Steuern zahlen zu wollen.
Außerdem hofft Merkt darauf, dass Biden die Einwanderungspolitik wieder entschärft. „Das würde unter anderem unseren deutschen Mitarbeitern auf Visa ermöglichen, deren Familien in Deutschland mal wieder zu besuchen.“Denn seit Corona würden für die USA sehr strenge Einreiseregelungen gelten. Doch auch schon vorher habe sich unter Trump die Bearbeitung von Visa-Anträgen in die Länge gezogen.
„Unter Biden wird das Land bunter und multikultureller“, hofft Penning. Aber Carol Burger mahnt auch an. „Selbst wenn Trump nicht gewinnt, müssen wir trotzdem schwer dafür kämpfen, unsere Gesellschaft wieder aufzubauen.“
Reaktionen aus der Region:
Das gegenwärtige Wahlergebnis schlägt nicht nur in den USA hohe Wellen. Es bereitet auch Thomas Burger, Präsident der WVIB Schwarzwald
AG, Sorge. Die
WVIB ist ein Wirtschaftsverband für den industriellen Mittelstand der Schwarzwaldregion. „Ein eindeutiges Wahlergebnis hätte Klarheit geschaffen“, teilt er in einer Pressemeldung mit. Er stellt klar, dass Branchen wie die Automobilindustrie, der Maschinenbau aber auch die Medizintechnik aus seiner Sicht von „offenen Grenzen, freiem Warenverkehr und einer Position, für die der Welthandel mehr ist als ‚America first‘“lebten. Egal, wer die Wahl im Endeffekt gewinnt, für Burger bedeutet alleine schon der knappe Ausgang einen „schlechten Tag für eine ehemals große Demokratie.“
Sandra Witt ist die Schwester von Manuel Merkt und hat ebenfalls einige Jahre in Wisconsin gelebt. Im Mai kehrten sie und ihr Mann Thomas nach Deutschland zurück. „Das war definitiv keine Entscheidung gegen die USA sondern für unserer Familie“, stellt sie klar. Sie fühle sich den
Vereinigten Staaten sehr verbunden. „Das aktuelle Bild der USA spiegelt nicht wieder wie wir dieses tolle Land erlebt haben“, sagt sie und gerade aus diesem Grund fiebere sie hier umso mehr mit der Familie, den Freunden und den Menschen in den USA mit. „Wir sind natürlich in telefonischem Kontakt und wir alle haben bis zum Schluss die Hoffnung, dass die Demokratie gewinnt.“
Steht das Ergebnis fest, folgt im Dezember das „electoral college“bei dem die Wahlmänner zusammenkommen und der nächste US-Präsident offiziell gewählt wird.