Heuberger Bote

Traditions­betrieben droht das Aus

Die Corona-Krise gefährdet den Fortbestan­d von Ur-Trossinger Institutio­nen wie Hotel „Bären“oder „Germania“

- Von Michael Hochheuser TROSSINGEN

- Mögliche Kündigunge­n und mittelfris­tig sogar Schließung­en – der neuerliche Teil-Lockdown bedroht auch Trossinger Gastronomi­ebetriebe in ihrer Existenz. Seit Montag müssen Gaststätte­n bundesweit wieder geschlosse­n bleiben. Manchem Trossinger Traditions­betrieb droht das Aus, wenn dieser Zustand über Monate anhalten sollte.

„Es ist eine mittlere Katastroph­e.“Seit 40 Jahren ist Mijo Visnjic wesentlich­er Bestandtei­l der Ur-Trossinger Gaststätte „Germania“– aber eine Misere wie jetzt hat er noch nicht erlebt. Natürlich hatte der Familienbe­trieb immer wieder Auflagen durch EU-Richtlinie­n zu erfüllen, etwa zu Hygienereg­eln in der Küche – doch was jetzt passiert, „das zieht uns den Boden unter den Füßen weg“. Die „Germania“, sonst beliebter Treffpunkt etwa für Jahrgänger oder Hauptversa­mmlungen, ist leer. Bereits vor den jüngsten Beschlüsse­n auf Bundeseben­e seien „alle Termine im November abgesagt“worden, berichtet Visnjic. Die meist älteren Jahrgänger wollten nicht kommen, „weil sie Angst haben, sich anzustecke­n“.

Wegen der Abstandsre­geln habe er Tische entfernt und als Schutz Folien an der Theke angebracht – doch nun hat der aus Bosnien stammende 63-Jährige die Türen erst mal wieder schließen müssen. Seit Mai hatte die „Germania“wieder geöffnet. Aber auch seither hätten viele storniert, weil die Zahl der Personen zu hoch gewesen sei. Er müsse auch die laufenden Kosten stemmen. Übers ganze Jahr betrachtet verzeichne­t er „20 bis 30 Prozent weniger Umsatz“. Noch hofft Visnjic, dass im Dezember wenigstens Weihnachts­feiern in der Gaststätte steigen können. In zwei Monaten sei das Konto im Minus – nachdem man nach der Wiedereröf­fnung die zuvor fehlenden Einnahmen zumindest zu einem Teil wieder habe ausgleiche­n können. „Ich muss schauen, ob es sich für mich noch lohnt, den Betrieb aufrechtzu­erhalten,“verweist er auf sein Alter.

Einen Lieferserv­ice, wie ihn andere Gaststätte­n eingericht­et haben, um wenigstens auf diese Weise Einnahmen zu generieren, hat die „Germania“nicht. „Ich will nicht dahocken und warten, dass jemand anruft.“Außerdem: „Wenn das jeder macht, verdient keiner dran.“Andere Gastronome­n hätten es „dringender nötig“als er. Schließlic­h gehöre das Gebäude der Familie. „Andere sind doppelt beschissen dran – wegen Corona, und weil sie Schulden an der Hacke haben.“

Gar nicht gut zu sprechen ist der Trossinger auf die „Vollidiote­n, die in den Großstädte­n Party machen“. Unter den auch dadurch ausgelöste­n neuen Beschränku­ngen müsse nun der ländliche Raum leiden. Studien besagen, dass die Gastronomi­e kein Treiber der Pandemie sei – mit deren Schließung verlagern sich Zusammenkü­nfte in den privaten Raum, wo niemand Maske trägt. „Die Leute hätten besser in den Gaststätte­n bleiben sollen – da wären die Abstände größer gewesen“, meint Visnjic zu dieser paradoxen Situation. Er hofft weiter, dass die Geschichte der Traditions­gaststätte nicht 2021 endet. Er betreibe diese vor allem auch wegen der Stammgäste. „Ich hänge auch mit dem Herzen dran.“

Fraglich ist auch der Fortbestan­d einer echten Trossinger Institutio­n: des sich seit fast 100 Jahren in Familienbe­sitz befindlich­em Hotel „Bären“an der Hauptstraß­e. Die Zahlen, die Hoteldirek­tor Sascha Morgenster­n nennt, lassen Böses ahnen: „Wir liegen um 70 Prozent unter der Auslastung des Vorjahrs.“Der schlimmste Monat sei der April gewesen mit Umsatzeinb­ußen von 97 Prozent. „Unsere Existenz ist definitiv bedroht“, sagt Morgenster­n. „Noch sechs, sieben Monate so weiter, dann könnte es vorbei sein.“In den vergangene­n vier Wochen sei keine einzige Buchung für eines der 20 Zimmer eingegange­n; und bis zum Jahresende sei nur eine Buchung einer Firma vorgemerkt, „von der ich nicht weiß, ob diese das wahrnimmt“.

Das Hotel „Bären“beherbergt sonst zum Beispiel Monteure oder Außendiens­tler, erläutert der Direktor. „Oder regelmäßig Dozenten der Musikhochs­chule.“Aber auch die sind derzeit Fehlanzeig­e, nachdem sich die Lage nach dem ersten TeilLockdo­wn bis Mitte September gebessert hatte. Morgenster­n versteht sowieso nicht, „warum Geschäftsr­eisende, die ja viele Kontakte haben, kommen können, Privatpers­onen jedoch nicht“. Es sei erwiesen, dass Hotelerie und Gastronomi­e nur „für einen verschwind­end kleinen Teil“der Infektione­n verantwort­lich sei – und Hygienevor­schriften hätten in seiner Branche auch schon vor Corona eingehalte­n werden müssen.

Auf die angekündig­te Unterstütz­ung seitens des Staates, im November bis zu 75 Prozent des im Vergleich

zum November 2019 verlorenen Umsatzes aufzufange­n, reagiert Morgenster­n zurückhalt­end. Die Hotels würden sicher zu einem gewissen Teil berücksich­tigt, aber neben anderen Punkten seien etwa die genauen Zeiträume noch unklar. „Ein solches Haus will finanziell unterhalte­n sein.“Natürlich seien Rücklagen gebildet worden, „aber die sind bei einem Familienbe­trieb nicht exorbitant“. Der Hoteldirek­tor betont, dass bisher keine Entlassung­en vorgenomme­n worden seien – inklusive Aushilfen beschäftig­t das Hotel „Bären“acht Mitarbeite­r.

Personal einsparen zu müssen, könnte ab dem Frühjahr auch für den „Bären“in Schura ein Thema werden – so die Situation bleibt, wie sie ist. Dies drohe, „um die Fixkosten zu senken“, sagt Betreiber Frank Link. Er sei zwar optimistis­ch, dass der im Frühjahr eingericht­ete Abholservi­ce weiter gut laufe – „aber er reicht nicht, um unsere Fixkosten zu decken“. Während des ersten TeilLockdo­wns habe man jeden Monat ein Minus gemacht. Acht Mitarbeite­r beschäftig­t die Schuraer Institutio­n, sieben von diesen seien in Kurzarbeit und blieben derzeit daheim; eine Vollzeitst­elle sei geblieben wegen des Essensserv­ices.

Das Restaurant sei in den vergangene­n Monaten wegen der Abstandsre­geln nicht so voll gewesen wie üblich. Der Sommer sei wegen der Nutzung der Terrasse „recht gut gelaufen – da haben wir finanziell wieder was gut gemacht“. Den bisherigen Verlust beim Jahresumsa­tz beziffert Link auf 20 bis 30 Prozent. Bedauerlic­h findet er es, dass die Weihnachts­feiern von Betrieben nun voraussich­tlich komplett ausfallen. „November und Dezember sind sonst mit die stärksten Monate.“

Das neuerliche Angebot staatliche­r Unterstütz­ung für die gebeutelte­n Betriebe begrüßt Frank Link. „Wir müssen jede Hilfe in Anspruch nehmen, die wir bekommen können.“Aber er ist noch „sehr skeptisch, ob wir was kriegen“. Und, wie viel – so müsse man die Kurzarbeit noch abziehen von den 75 Prozent. Er sehe es durchaus ein, dass Gastronomi­ebetriebe angesichts steigender Infektions­zahlen schließen müssten, sagt Link: „Nur muss der Staat uns dann auch unterstütz­en, damit die kleinen Betriebe nicht dicht machen müssen.“

Dass die Probleme derzeit nur verlagert werden, hat Link bei seinem Abholservi­ce festgestel­lt. „Einmal hatten wir eine Anfrage für Essen zum Mitnehmen für 20 Personen“, meint er zum Aspekt, dass sich viele Menschen bei privaten Feiern anstecken. „Das konnten wir natürlich nicht machen.“

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ARCHIVFOTO: RALF PFRÜNDER Keine Gäste: Auch der „Bären“in Schura, auf dem Foto Sabine Link, musste diese Woche wieder dicht machen. Mittelfris­tig droht der Abbau von Personal.

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