Traditionsbetrieben droht das Aus
Die Corona-Krise gefährdet den Fortbestand von Ur-Trossinger Institutionen wie Hotel „Bären“oder „Germania“
- Mögliche Kündigungen und mittelfristig sogar Schließungen – der neuerliche Teil-Lockdown bedroht auch Trossinger Gastronomiebetriebe in ihrer Existenz. Seit Montag müssen Gaststätten bundesweit wieder geschlossen bleiben. Manchem Trossinger Traditionsbetrieb droht das Aus, wenn dieser Zustand über Monate anhalten sollte.
„Es ist eine mittlere Katastrophe.“Seit 40 Jahren ist Mijo Visnjic wesentlicher Bestandteil der Ur-Trossinger Gaststätte „Germania“– aber eine Misere wie jetzt hat er noch nicht erlebt. Natürlich hatte der Familienbetrieb immer wieder Auflagen durch EU-Richtlinien zu erfüllen, etwa zu Hygieneregeln in der Küche – doch was jetzt passiert, „das zieht uns den Boden unter den Füßen weg“. Die „Germania“, sonst beliebter Treffpunkt etwa für Jahrgänger oder Hauptversammlungen, ist leer. Bereits vor den jüngsten Beschlüssen auf Bundesebene seien „alle Termine im November abgesagt“worden, berichtet Visnjic. Die meist älteren Jahrgänger wollten nicht kommen, „weil sie Angst haben, sich anzustecken“.
Wegen der Abstandsregeln habe er Tische entfernt und als Schutz Folien an der Theke angebracht – doch nun hat der aus Bosnien stammende 63-Jährige die Türen erst mal wieder schließen müssen. Seit Mai hatte die „Germania“wieder geöffnet. Aber auch seither hätten viele storniert, weil die Zahl der Personen zu hoch gewesen sei. Er müsse auch die laufenden Kosten stemmen. Übers ganze Jahr betrachtet verzeichnet er „20 bis 30 Prozent weniger Umsatz“. Noch hofft Visnjic, dass im Dezember wenigstens Weihnachtsfeiern in der Gaststätte steigen können. In zwei Monaten sei das Konto im Minus – nachdem man nach der Wiedereröffnung die zuvor fehlenden Einnahmen zumindest zu einem Teil wieder habe ausgleichen können. „Ich muss schauen, ob es sich für mich noch lohnt, den Betrieb aufrechtzuerhalten,“verweist er auf sein Alter.
Einen Lieferservice, wie ihn andere Gaststätten eingerichtet haben, um wenigstens auf diese Weise Einnahmen zu generieren, hat die „Germania“nicht. „Ich will nicht dahocken und warten, dass jemand anruft.“Außerdem: „Wenn das jeder macht, verdient keiner dran.“Andere Gastronomen hätten es „dringender nötig“als er. Schließlich gehöre das Gebäude der Familie. „Andere sind doppelt beschissen dran – wegen Corona, und weil sie Schulden an der Hacke haben.“
Gar nicht gut zu sprechen ist der Trossinger auf die „Vollidioten, die in den Großstädten Party machen“. Unter den auch dadurch ausgelösten neuen Beschränkungen müsse nun der ländliche Raum leiden. Studien besagen, dass die Gastronomie kein Treiber der Pandemie sei – mit deren Schließung verlagern sich Zusammenkünfte in den privaten Raum, wo niemand Maske trägt. „Die Leute hätten besser in den Gaststätten bleiben sollen – da wären die Abstände größer gewesen“, meint Visnjic zu dieser paradoxen Situation. Er hofft weiter, dass die Geschichte der Traditionsgaststätte nicht 2021 endet. Er betreibe diese vor allem auch wegen der Stammgäste. „Ich hänge auch mit dem Herzen dran.“
Fraglich ist auch der Fortbestand einer echten Trossinger Institution: des sich seit fast 100 Jahren in Familienbesitz befindlichem Hotel „Bären“an der Hauptstraße. Die Zahlen, die Hoteldirektor Sascha Morgenstern nennt, lassen Böses ahnen: „Wir liegen um 70 Prozent unter der Auslastung des Vorjahrs.“Der schlimmste Monat sei der April gewesen mit Umsatzeinbußen von 97 Prozent. „Unsere Existenz ist definitiv bedroht“, sagt Morgenstern. „Noch sechs, sieben Monate so weiter, dann könnte es vorbei sein.“In den vergangenen vier Wochen sei keine einzige Buchung für eines der 20 Zimmer eingegangen; und bis zum Jahresende sei nur eine Buchung einer Firma vorgemerkt, „von der ich nicht weiß, ob diese das wahrnimmt“.
Das Hotel „Bären“beherbergt sonst zum Beispiel Monteure oder Außendienstler, erläutert der Direktor. „Oder regelmäßig Dozenten der Musikhochschule.“Aber auch die sind derzeit Fehlanzeige, nachdem sich die Lage nach dem ersten TeilLockdown bis Mitte September gebessert hatte. Morgenstern versteht sowieso nicht, „warum Geschäftsreisende, die ja viele Kontakte haben, kommen können, Privatpersonen jedoch nicht“. Es sei erwiesen, dass Hotelerie und Gastronomie nur „für einen verschwindend kleinen Teil“der Infektionen verantwortlich sei – und Hygienevorschriften hätten in seiner Branche auch schon vor Corona eingehalten werden müssen.
Auf die angekündigte Unterstützung seitens des Staates, im November bis zu 75 Prozent des im Vergleich
zum November 2019 verlorenen Umsatzes aufzufangen, reagiert Morgenstern zurückhaltend. Die Hotels würden sicher zu einem gewissen Teil berücksichtigt, aber neben anderen Punkten seien etwa die genauen Zeiträume noch unklar. „Ein solches Haus will finanziell unterhalten sein.“Natürlich seien Rücklagen gebildet worden, „aber die sind bei einem Familienbetrieb nicht exorbitant“. Der Hoteldirektor betont, dass bisher keine Entlassungen vorgenommen worden seien – inklusive Aushilfen beschäftigt das Hotel „Bären“acht Mitarbeiter.
Personal einsparen zu müssen, könnte ab dem Frühjahr auch für den „Bären“in Schura ein Thema werden – so die Situation bleibt, wie sie ist. Dies drohe, „um die Fixkosten zu senken“, sagt Betreiber Frank Link. Er sei zwar optimistisch, dass der im Frühjahr eingerichtete Abholservice weiter gut laufe – „aber er reicht nicht, um unsere Fixkosten zu decken“. Während des ersten TeilLockdowns habe man jeden Monat ein Minus gemacht. Acht Mitarbeiter beschäftigt die Schuraer Institution, sieben von diesen seien in Kurzarbeit und blieben derzeit daheim; eine Vollzeitstelle sei geblieben wegen des Essensservices.
Das Restaurant sei in den vergangenen Monaten wegen der Abstandsregeln nicht so voll gewesen wie üblich. Der Sommer sei wegen der Nutzung der Terrasse „recht gut gelaufen – da haben wir finanziell wieder was gut gemacht“. Den bisherigen Verlust beim Jahresumsatz beziffert Link auf 20 bis 30 Prozent. Bedauerlich findet er es, dass die Weihnachtsfeiern von Betrieben nun voraussichtlich komplett ausfallen. „November und Dezember sind sonst mit die stärksten Monate.“
Das neuerliche Angebot staatlicher Unterstützung für die gebeutelten Betriebe begrüßt Frank Link. „Wir müssen jede Hilfe in Anspruch nehmen, die wir bekommen können.“Aber er ist noch „sehr skeptisch, ob wir was kriegen“. Und, wie viel – so müsse man die Kurzarbeit noch abziehen von den 75 Prozent. Er sehe es durchaus ein, dass Gastronomiebetriebe angesichts steigender Infektionszahlen schließen müssten, sagt Link: „Nur muss der Staat uns dann auch unterstützen, damit die kleinen Betriebe nicht dicht machen müssen.“
Dass die Probleme derzeit nur verlagert werden, hat Link bei seinem Abholservice festgestellt. „Einmal hatten wir eine Anfrage für Essen zum Mitnehmen für 20 Personen“, meint er zum Aspekt, dass sich viele Menschen bei privaten Feiern anstecken. „Das konnten wir natürlich nicht machen.“