Wenn Freunde abwenden
Der Aldinger Marcus Matyschik hat MS und erzählt, wie er damit umgeht.
- Am meisten vermisst Marcus Matyschik das Reisen. Das ist ihm derzeit weniger wegen seiner MS-Erkrankung als vielmehr wegen Corona verwehrt. In Kanada hat der Aldinger jedenfalls einen ganz anderen Umgang mit ihm und seiner Krankheit erlebt als daheim in Deutschland.
Während eines Urlaubs in Kanada – damals saß er schon im Rollstuhl – machte Marcus Matyschik eine ungewöhnliche Erfahrung: Während seine Frau in einem Einkaufszentrum war und er draußen im Rollstuhl vor dem Eingang saß, um auf sie zu warten, wurde er von mehreren Menschen angesprochen: „Kann ich Ihnen helfen?“–
„Zuerst habe ich mich erschreckt“, erzählt Matyschik. Doch dann sei ihm klar geworden, dass die Leute wirklich nur helfen wollten und ihre herzliche Zuwendung ernst gemeint war. – Eine Erfahrung, die ihm in Deutschland eher fremd ist. „Die Leute gucken einen dumm an. Aber ansprechen tun sie mich nicht. Vielleicht weil sie Angst haben; ich weiß nicht.“
„Wie ein Aussätziger“fühlt er sich zuweilen behandelt, seit er wegen seiner Multiple-Sklerose-Erkrankung im Rollstuhl sitzt, sagt Marcus Matyschik. Besonders schlimm ist es für ihn, „wenn ehemals sehr gute Freunde sich langsam verabschieden“.
Marcus Matyschick hat 23 Jahre draußen im Wald gearbeitet. Doch dann kam die Krankheit Multiple Sklerose (MS).
Viele Leute wüssten gar nicht, was MS ist, so hat Marcus Matyschik festgestellt, und verwechselten die Krankheit meistens mit Muskelschwund. Multiple Sklerose wird manchmal auch „die Krankheit der 1000 Gesichter“genannt, weil Krankheitsbild und Krankheitsverlauf eigentlich bei keinen zwei Betroffenen identisch sind.
„Mit dieser Krankheit ist jeder Tag ein Überraschungsei“, sagt Marcus Matyschik. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. „Zum Glück habe ich meine Frau“, Auch die Eltern und die Schwester leben in Aldingen.
Jetzt lässt er sein Auto umbauen, so dass er Gas und Bremse nur noch mit den Händen bedienen kann „Ich habe auch schon eine Probefahrt machen dürfen. Gezahlt bekomme er den Umbau und die Fahrschule nicht, so Matyschik, die müsse er aus eigener Kasse bezahlen.
Seinen typischen schwarzen Humor, den habe er nicht verloren,
„Zu viel Arzt muss nicht sein.“Die Infusionen, die ihm seinem Eindruck nach gut tun, die nimmt er. Doch Medikamente, die nach seiner Erfahrung nur Nebenwirkungen aber keine Hilfe gebracht hätten, habe er – zum Entsetzen seines Arztes – selbstständig abgesetzt. „Ich bin halt einer, der dagegen läuft“, sagt Matyschik, „ich mache das, wie ich denk’, und lass mir von einem Doktor nichts mehr sagen.“
Auch wenn er den abnehmenden Sozialkontakt bedauert: „Aufzwingen tu ich mich nicht.“
Doch gehe er durchaus auf andere zu, knüpft Kontakte. So hat er etwa einen alten Schulkameraden aus Trossingen wieder angesprochen: „Komm doch mal vorbei“. – „Ich muss halt schaffen“, so die Antwort des vielbeschäftigten Unternehmers. Doch Matyschik ist zuversichtlich, dass doch noch ein Treffen zustande kommt.
Von Selbsthilfegruppen hält der Aldinger dagegen nicht viel. Dort, so ist er überzeugt, jammere man sich eher gegenseitig etwas vor und ziehe sich gegenseitg runter.
Dennoch sei es ihm durchaus wichtig, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu treten. Zwei Frauen aus der Region, die selbst MS haben, hat er über Facebook kennen gelernt. Mit ihnen saß er auch schon mal bei einem Kaffee zusammen.
Bis zum Wald, der Ort in dem er so lange gearbeitet hat. ist es nicht weit. Nur eines fehlt: der Duft von Harz, den der ehemalige Waldarbeiter so liebt. Der steigt nur noch selten in seine Nase, weil gerade dort kein Holz gemacht wird.