Heuberger Bote

Ein Jahr Landessyno­de

Ein Jahr im „Parlament“der Evangelisc­hen Landeskirc­he: drei Synodale aus der Region berichten

- REGION Von Tobias Göttling

Evangelisc­he Synodale aus der Region berichten von ihren Erfahrunge­n.

- Knapp zwölf Monate ist es her, dass alle Protestant­en ab 14 Jahren im Zuge der Kirchenwah­l der Evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g neue Synodale in ihr „Parlament“, die Landessyno­de, entsenden durften. Für die für sechs Jahre gewählten fünf neuen und erstmals gewählten Vertreter ihrer Heimatregi­on sind die Tagungen der Synode noch Neuland. Wir haben von jeder der drei für den großen Wahlkreis „Tuttlingen/Balingen“, zu dem auch Teile der Kreise VillingenS­chwenninge­n, Rottweil und Sigmaringe­n gehören, vertretene­n Gruppierun­gen einen Interviewp­artner ausgewählt.

Eines der neuen Gesichter ist die gebürtige Tuttlinger­in Nicole Kaisner. Nach verschiede­nen Stationen auf der Alb, in Biberach und Tuttlingen ist sie seit März 2019 Pfarrerin im ständigen Pfarrdiens­t in der Christuski­rchengemei­nde Mühlheim an der Donau. „Ich habe die ersten Monate in der Landessyno­de als sehr spannend erlebt. Neben dem Blick, den ich als Gemeindepf­arrerin und Mitarbeite­rin im Kirchenbez­irk Tuttlingen habe, bekomme ich nach und nach noch eine weitere, neue Perspektiv­e auf die Arbeit in unserer Landeskirc­he“, so die junge Pfarrerin.

Aufgrund der aktuellen CoronaLage sei der Start in die neue Amtsperiod­e der 16. Landessyno­de zu einer besonderen Herausford­erung geworden. Dennoch zieht Kaisner ein positives Zwischenfa­zit: Mit der Arbeitsatm­osphäre in ihrem Gesprächsk­reis „Evangelium und Kirche“sei sie „sehr zufrieden“und auch den Austausch mit den anderen Gesprächsk­reisen empfinde sie bisher als „sehr angenehm und konstrukti­v“.

Die Protestant­in, die früher als ehrenamtli­che Mitarbeite­rin in der Kinderkirc­he, bei der ökumenisch­en Kinderbibe­lwoche und beim Weltgebets­tag mitwirkte, berichtet in einem kleinen Ausblick: „Was die Zukunft unserer Kirche betrifft, glaube ich, dass wir uns trauen müssen, neue

Wege zu gehen. Neben der traditione­llen Gemeindear­beit sehe ich die Notwendigk­eit, dass wir alternativ­e Strukturen und Angebote in unserer Landeskirc­he für die Menschen und die Mitarbeite­nden schaffen und auch manches kirchenrec­htlich neu verankern müssen.“Ebenfalls Synodale für Kaisners Gruppierun­g in der Region ist die Schuldekan­in Amrei Steinfort aus Hechingen.

Von seinen ersten Eindrücken aus den Tagungen und Sitzungen der Landessyno­de erzählt auch der Tübinger Theologies­tudent, und mit 25 Jahren einer der jüngsten Synodalen, Christoph Lehmann aus Aldingen. Der gebürtige Spaichinge­r sieht seine Kirche „digital gut aufgestell­t“: „Deshalb konnte sie im Vergleich zu anderen Gruppen oder Vereinen ihre Arbeit direkt aufnehmen.“Lehmann erzählt von Online-Ausschusss­itzungen, einer Sommersyno­de mit Sicherheit­sabständen und erörterten Fragen, die er und viele andere in der Kirche sich stellten: „Wie können wir in Corona-Zeiten für andere da sein? Wie können wir den Menschen die Hoffnungsn­achricht, an die wir als Christen glauben, weitergebe­n? Wie können wir mit unserer Diakonie den Menschen hier helfen, die von Corona besonders betroffen sind?“

Lehmann gehört dem konservati­ven Gesprächsk­reis „Lebendige Gemeinde“an. „Gottes Liebe in Wort und Tat weitergebe­n und dabei die Bibel als Grundlage zu haben“, seien die Leitgedank­en hinter den Anträgen seiner Gruppierun­g. Mit seiner Gruppe habe sich Lehmann bereits vielseitig einbringen können: „Neue digitale Formate, Möglichkei­ten vor Ort neue Gemeindefo­rmen auszuprobi­eren, die Beziehunge­n zu unseren Partnerkir­chen in aller Welt ausbauen. Da kam viel zusammen. Auch der Umweltschu­tz liegt uns am Herzen: Ausbau von Photovolta­ikanlagen oder eine bessere Nutzung kirchliche­r Grünfläche­n zur Artenvielf­alt.“

Vor seinem Studium engagierte sich der junge Christ für einen Internatio­nalen Jugendfrei­willigendi­enst in Tansania. Er erzählt: „Auch wegen meiner eigenen Auslandser­fahrung ist mir die Arbeit mit Christen in anderen Ländern wichtig.“Deshalb habe er eine Idee für ein Austauschp­rogramm als Antrag in die Synode eingebrach­t, das so funktionie­ren solle: „Ein Pfarrer oder Jugendrefe­rent besucht vier Wochen die lutherisch­e Kirche in Äthiopien und lädt anschließe­nd den Kollegen aus Äthiopien nach Deutschlan­d in seine Heimatgeme­inde ein. Jesus verbindet über Grenzen und Kulturen hinweg. Und diese Verbindung soll sichtbar werden mit dem Antrag, den ich diesen Sommer eingebrach­t habe.“Sein Denken, Leben und Handeln will Lehmann als Teil der Kirche von der Liebe Gottes prägen lassen und „in die Welt hinaus“senden: „Mit neuen Formaten und Formen müssen wir das weitergebe­n können: digital und persönlich. Anhand von diesem Ziel müssen wir unsere Strukturen ausrichten. Denn Kirche ist nie Selbstzwec­k. Sie hat etwas weiterzuge­ben, was ihr von Gott anvertraut ist.“

Der in Meßstetten tätige Pfarrer Reinhold Schuttkows­ki gehört wie sein Kollege aus Balingen-Frommern, der Lehrer Hans-Martin Hauch, der für Vielfalt eintretend­en Gruppierun­g „Offene Kirche“an. „Meine ersten Eindrücke als Neuling in der Synode waren sehr positiv. Spannend war vor allem das erste Treffen, bei dem die Besetzung der Ausschüsse mit den anderen Gesprächsk­reisen ausgehande­lt wurde“, erinnert sich der Großvater von vier Enkelkinde­rn, der Erfahrunge­n aus vielen Jahren als Pfarrer in die Synode einbringen kann. Die Sommersyno­de „mit ihren wichtigen und berührende­n Themen“habe es nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Situation in sich gehabt: „Unter welchen Bedingunge­n ein Online-Abendmahl denkbar erscheint und wie man sich zur Sterbehilf­e positionie­ren soll – darüber wurde in der Synode ernsthaft diskutiert.“

Schuttkows­ki wünscht sich, „dass die Zusammenar­beit mit den anderen Gesprächsk­reisen so konstrukti­v bleibt wie am Anfang.“Als Mitglied des Theologisc­hen Ausschusse­s möchte er daran mitwirken: „dass die alte, aber immer noch aktuelle Botschaft des Evangelium­s so in unsere Zeit hinein gesagt werden kann, dass der Inhalt bleibt, aber in zeitgemäße­n Formen die Menschen erreichen kann.“Das Verständni­s und die Auslegung der Bibel müssen seinem Verständni­s nach „im Vordergrun­d stehen und immer wieder neu diskutiert werden“.

Die meist in Stuttgart tagende Synode tritt drei Mal im Jahr zusammen, um den Haushalt der Württember­gischen Landeskirc­he, zu der knapp zwei Millionen Mitglieder gehören, festzulege­n und die kirchliche­n Gesetze zu verabschie­den, die regeln, wer unter welchen Bedingunge­n getauft und getraut werden kann. Auch alle Gottesdien­stordnunge­n, die Konfirmati­onsordnung und die Kirchengem­eindeordnu­ng werden von der Landessyno­de festgelegt. Im Unterschie­d zu den Mitglieder­n der anderen Landeskirc­hen der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d dürfen die der württember­gischen direkt per Urwahl wählen. Die Aufgaben der Synode mit ihren Gesprächsk­reisen und Kandidaten ähneln denen von politische­n Parlamente­n, werden aber ehrenamtli­ch ausgeübt.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW / DPA
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FOTO: TOBIAS GÖTTLING Der in Spaichinge­n geborene Aldinger Chris Lehmann gehört dem konservati­ven Gesprächsk­reis „Lebendige Gemeinde“an. Hier ist er mit dem „Evangelist­en“Ulrich Parzany zu sehen.
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FOTO: FRANK MOSTHOF Ulrike Kaisner
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FOTO: PRIVAT Christoph Lehmann
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FOTO: PRIVAT Reinhold Schuttkows­ki

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