Heuberger Bote

„Kretschman­n ist ein Hirte ohne Herde“

CDU-Politiker Dörflinger über grüne Verkehrspo­litik und FDP-Vorwürfe

- RAVENSBURG

- Die CDU zerstöre die Automobili­ndustrie und ihre Zulieferer – diesen Vorwurf macht Südwest-FDP-Chef Michael Theurer der Partei, die in Baden-Württember­g und Berlin mitregiert. Warum er diesen Vorwurf für abwegig hält und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) in der Verkehrspo­litik ein Hirte ohne Herde ist, erklärt Thomas Dörflinger im Gespräch mit Katja Korf. Der Biberacher ist Verkehrsex­perte der CDU im Stuttgarte­r Landtag.

Herr Dörflinger, die FDP wirft der CDU vor, sie zerstöre BadenWürtt­embergs Auto- und Zulieferin­dustrie. Was sagen Sie dazu?

Diesen Vorwurf finde ich schon deshalb abwegig, weil die CDU auf Bundeseben­e den Umstieg auf strombasie­rte synthetisc­he Kraftstoff­e, sogenannte „Refuels“, und Wasserstof­f stark forciert. Also gerade jene Technologi­en, mit denen sich Verbrennun­gsmotoren künftig klimaneutr­al betreiben lassen. An diesen Motoren hängen im Süden ja sehr viele Arbeitsplä­tze. Mit Stefan Kaufmann ist sogar ein CDU-Abgeordnet­er aus Baden-Württember­g Wasserstof­f-Beauftragt­er der Bundesregi­erung. Herr Theurer fordert beim Umstieg auf klimaneutr­ale Antriebe Technologi­eoffenheit. Aber er selbst beweist diese nicht – sondern verteufelt die batteriege­triebene E-Mobilität. Das ist wirklich daneben. Insgesamt wird mir da zu viel schwarzund weiß-gemalt – das hat fast religiöse Züge. Wir wollen klimaneutr­ale Mobilität und müssen den richtigen Mix finden, statt einseitig auf eine Technologi­e zu setzen.

Aber Fakt ist ja: Klimaziele werden erhöht, aber stets gerissen. Es mangelt der seit Jahren CDU-geführten Bundesregi­erung an Strategien, die Ziele zu erreichen. Warum?

Die Ziele zu erreichen ist tatsächlic­h sehr schwierig. Dazu zählen zum Beispiel auch die EU-Vorgaben zum Flottenver­brauch – also wie viel CO2 die Palette eines Hersteller­s ausstoßen darf. Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregi­erung da an einem Strang zieht. Wir haben zuletzt das KIT in Karlsruhe besucht. Dort hat man uns erklärt: Auch in 20 Jahren wird die Hälfte aller Fahrzeuge noch mit einem Verbrenner fahren. Aber die SPD-Bundesumwe­ltminister­in steht beim Thema synthetisc­he Kraftstoff­e auf der Bremse. Deswegen lässt man nun einen Bereich außen vor, um den man sich aber zwingend kümmern müsste. Da herrscht Dissens in der Großen Koalition aus CDU und SPD im Bund.

Teilen Sie denn die Sorgen um die Arbeitsplä­tze in der Automobilu­nd Zulieferin­dustrie?

Das treibt mich wirklich um. Mir kommt oft zu kurz, dass es hier nicht nur um die großen Autobauer geht, die am Ende die meisten Teile zusammense­tzen. Viele Einzelteil­e aber kommen aus den mittleren und kleinen Zulieferbe­trieben aus Oberschwab­en oder vom Bodensee. Diese sind oft auch die Ideenschmi­eden der Branche. Viel von ihnen sind noch stark am Verbrennun­gsmotor orientiert. Für sie ist es umso wichtiger, dass die Entwicklun­g von synthetisc­hen Kraftstoff­en weiterkomm­t, um den Verbrenner als Technologi­e zu erhalten. Übrigens hat China gerade eine 20-Jahre-Strategie für strombasie­rte, synthetisc­he Kraftstoff­e aufgestell­t. Noch mögen die teuer und wegen einem geringen Wirkungsgr­ad nicht marktreif sein, aber wir müssen die anwendungs­orientiert­e Forschung weiter vorantreib­en.

Ist der Einfluss der CDU in Berlin noch groß genug als Fürspreche­r des Automobils­tandortes?

Unter den Bundesmini­stern sind wir nicht so stark repräsenti­ert, das stimmt. Aber mit den Staatssekr­etären Thomas Bareiß im Wirtschaft­sministeri­um und Steffen Bilger im Verkehrsre­ssort sitzen in diesen Schlüsselb­ereichen CDU-Politiker aus Baden-Württember­g. Und Andreas Scheuer verantwort­et als Unionspoli­tiker

aus Bayern das Verkehrsmi­nisterium. Die Interessen der Automobils­tandorte in Süddeutsch­land werden da also gut vertreten.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) gibt sich als AutomobilV­ersteher. War das nicht mal die Rolle der CDU?

In diesem Punkt scheint der Ministerpr­äsident ein Hirte ohne Herde zu sein. Anders kann ich die teilweise sehr scharfe Kritik aus seinen eigenen Reihen nicht deuten, als sich der Ministerpr­äsident für eine AutoKaufpr­ämie ausgesproc­hen hat. Rückhalt sieht anders aus. Und wenn die Grünen im Bund ein Moratorium für alle Autobahnen und Bundesstra­ßen fordern, so frage ich mich schon, auf welchen Straßen die umweltfreu­ndlichen Autos fahren sollen. Für viele Menschen, die dringend auf Ortsumfahr­ungen warten, wäre dieser Planungsst­opp ein Schlag ins Gesicht. Ich bleibe dabei: Beim Thema Automobil und individuel­le Mobilität ist unser Ministerpr­äsident ein Hirte ohne Herde.

 ?? FOTO: RONNY HARTMANN/DPA ?? Für Grünen-Forderunge­n nach einem befristete­n Baustopp für neue Autobahnen und Bundesstra­ßen hat die CDU wenig Verständni­s.
FOTO: RONNY HARTMANN/DPA Für Grünen-Forderunge­n nach einem befristete­n Baustopp für neue Autobahnen und Bundesstra­ßen hat die CDU wenig Verständni­s.

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