Viel Gewitter, wenig Reinigung
Sich mal ordentlich die Meinung sagen, einfach alles herauslassen, soll ja nicht nur in Partnerschaften durchaus hilfreich für ein erfolgreiches Miteinander sein. Solche reinigenden Gewitter sind mitunter auch in größeren partnerschaftlichen Verbänden hilfreich – vor allem in Drucksituationen. Jene gibt es in der Bundesliga bereits trotz des frühen Saisonzeitpunktes. Die Patienten hier heißen vor allem Bielefeld, Schalke, Köln und Mainz. Vor allem die drei letztgenannten übertreffen sich aktuell an Unrühmlichkeiten und historischer Schlechtigkeit. Das Trio steht nach sieben Spieltagen noch ohne Sieg da – das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesliga. Selbst Allzeit-Schreckgespenst Tasmania Berlin, das so ziemlich bei allen Negativserien den Spitzenplatz belegt, hatte zu diesen Zeitpunkt schon einen Sieg.
Kurios, dass es aber nicht bei diesen drei Vereinen mächtig intern krachte, sondern beim vierten Sorgenkind. Die Akteure von Arminia Bielefeld ließen nach dem krachenden 0:5 beim 1. FC Union Berlin ein Donnerwetter aufsteigen. Allen voran Kapitän Fabian Klos redete sich in Rage: „Das war eine Katastrophe von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Wir haben sehr auf die Fresse bekommen, das wird länger wehtun“, sagte der 32-Jährige und meint: „So geht es nicht. Wir müssen einen Cut machen, das ist die einzige Möglichkeit.“Auch Trainer Uwe Neuhaus war klar, dass die Niederlage an seiner alten Wirkungsstätte – mit sieben Amtsjahren ist er Union-Rekordtrainer – keine war, nach der man zum Alltag übergehen kann. „Das war die absolut schlechteste Leistung, seit ich hier bin. Wäre es möglich gewesen, hätte ich alle ausgewechselt.“Über die Gründe zeigte sich Neuhaus „ratlos“. Dass die nur auf der Unioner Seite lagen, ist nicht zu vermuten, auch wenn die Eisernen auf Rekordmann Max Kruse zählen konnten. Alle seine bisherigen 16 Elfmeter hat der Neu-Unioner in der Bundesliga verwandelt. Damit egalisierte der 32-Jährige den Rekord von Jochen Abel, der Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre 16-mal für Bochum und Schalke vom Punkt getroffen hatte. Für den 5:0Sieg seiner Mannschaft veröffentlichte Kruse dann auf Instagram eine simple Erklärung: „Einfach Fußball gespielt.“So einfach kann es sein.
Oder auch nicht, wenn man eben Schalke 04 ist. Der einstige Stolz des Potts ist seit 23 Spielen ohne Sieg und holte nur neun von 69 möglichen Punkten (9 Remis/14 Niederlagen). Nach dem 2:2 im Krisengipfel bei Mainz 05 gab es eigentlich nur Verlierer. Die Schalker suchten die Erklärung aber eher extern und haderten mit dem Schiedsrichter und den Videoassistenten. Zwei gegen Schalke verhängte Elfmeter und ein annulliertes Tor wegen Handspiels boten Stoff für Verärgerung. „Dass man im
Eifer des Geschehens nicht immer die richtige Entscheidung trifft, kann passieren“, sagte Coach Manuel
Baum: „Wenn aber der Videoassistent dazukommt, muss man sich schon die Frage stellen, wo sie beim zweiten Tor hingeschaut haben.“Ebenfalls bitter: Schalke verursachte so viele Elfmeter nach sieben Spieltagen wie keine andere Elf in der Bundesliga-Historie – nämlich sechs (!).
Doch ist das auch ein Punkt, der einen Funken Wahrheit enthält. Allgemein fällt auf, dass die Schiedsrichter schnell dabei sind, auf den Punkt zu zeigen. Mit neun Elfmetern sorgten die Referees am Wochenende für eine Elferflut. Dies könnte auch am Videobeweis liegen. Früher überlegte es sich ein Unparteiischer dreimal, ob er wirklich auf den Punkt zeigen soll, heutzutage reicht schon ein leichte Berührung im Strafraum zum Pfiff – bei einem groben Schnitzer würde der VAR ja aus Köln eingreifen. Wenn nicht, gibt es eben Elfmeter. Doch so einfach ist es nicht. Wer sucht, findet immer einen Kontakt, ob es zwingend Strafstoß sein muss, bleibt dahingestellt. Sinnbildlich müssen noch einmal die Schalker herhalten. Sportvorstand Jochen
Schneider schäumte: „Es reicht jetzt irgendwann mal. Ich weiß nicht, was da in Köln los ist. Wir fühlen uns sehr schlecht behandelt und benachteiligt.“
Noch so ein mächtiges Gewitter des Spieltages – allein die reinigende Wirkung dürfte auf sich warten lassen.