Heuberger Bote

Zwischen Stolz und Hadern

Der VfB Stuttgart bleibt ohne Heimsieg – trotz einer 2:0-Führung gegen Frankfurt

- STUTTGART

(zak) - Ob er Angst habe vor einem Einbruch, einem Absturz, wenn es nach der Länderspie­lpause gegen die Spitzentea­ms aus Hoffenheim, Bayern und Dortmund gehe, wurde VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo vor der Partie gegen Eintracht Frankfurt gefragt. „Nein, habe ich nicht, wir haben bisher in jedem Spiel gezeigt, dass wir mithalten können und wollen auch gegen diese Teams gewinnen“, sagte Matarazzo.

Wie man aber einbrechen kann, obwohl man gut mithält, obwohl man sogar überlegen ist und 2:0 führt, erfuhr der Aufsteiger dann gegen Frankfurt, wo er nach 50 Minuten verpasste, das 3:0 zu machen und sich nach 60 Minuten plötzlich den Schneid von den resiliente­n Gästen abkaufen ließ. Am Ende konnte der VfB in einem rasant offensiven, von vielen Chancen geprägten Spiel noch froh sein, nicht verloren zu haben.

Nach dem Remis gab es wie so oft im Sport drei Möglichkei­ten: Das Glas als halb leer zu betrachten, also zu hadern. Es als halb voll zu sehen, also zufrieden zu sein. Oder zum weisen Schluss zu kommen, dass das Glas einfach zu groß ist, also die eigenen und äußeren Ansprüche, vor allem, wenn man ein derart junges Team besitzt wie der VfB. Das hatte immerhin 60 Minuten lang gezeigt, dass es an guten Tagen zu allem fähig ist – auch dank der geglückten Startelf-Rückkehr von Nicolas Gonzalez, der wie auf Schalke einen Elfmeter herausholt­e (diesmal mit einem unaufhalts­amen Dribbling) und ihn erneut selbst verwandelt­e (17.). Außerdem legte der 22-Jährige mit einem famosen Pass das 2:0 (37.) durch Kapitän Gonzalo Castro auf, der Torhüter Kevin Trapp tunnelte.

Das Lob von Gäste-Verteidige­r Martin Hinteregge­r zeigt, wie sehr der VfB inzwischen gefürchtet wird in der Bundesliga: „Stuttgart hat mit Endo und Mangala im Zentrum enorme Qualität, die fangen die Bälle ab und vorne geht die Post ab. Eine perfekte Kontermann­schaft, da kann man schon mal zurücklieg­en. Aber wir sind zurückgeko­mmen, das zeichnet uns aus.“Auch dank des eingewechs­elten Aymen Barkok, der beide Tore durch André Silva und David Abraham (61./75.) vorbereite­te.

Stuttgart war am Ende ziemlich bedient – trotz der Tatsache, dass Gonzalez auf dem Weg zu alter Form ist, oder gerade deswegen, weil er immer noch zu viele Chancen verbraucht. „Seine Leistung war absolut in Ordnung, er ist marschiert und hat durchspiel­en können. Aber er hätte auch das 3:0 schießen können oder müssen“, sagte Matarazzo zu jener Szene in der 51. Minute, als der Stürmer mit einem Volleyschu­ss aus kurzer Distanz übers Tor die Enscheidun­g verpasste. Auch Castro trauerte der Szene nach: „Das ist bitter. Schon auf Schalke hätten wir gewinnen müssen. Jetzt haben wir nur zwei statt sechs Punkte. Das ist ein Lernprozes­s für uns.“

Vor allem muss der VfB aufpassen, dass er nicht allmählich einen Heimkomple­x entwickelt. Nach der Niederlage gegen Freiburg zum Auftakt folgten drei Remis, ein Sieg steht noch aus. Auswärts dagegen ist er noch ohne Niederlage, und die Ambivalenz der Statistik geht noch weiter: Zwar hat der VfB seit sechs Partien nicht mehr verloren, aber auch nur zwei davon gewonnen. Die Schritte, die der Aufsteiger macht, sind klein, er füllt seine Säcke, aber er macht sie nicht zu.

Sportdirek­tor Sven Mislintat allerdings entschloss sich an seinem 48. Geburtstag, demütig zu bleiben: „Wir haben bisher gesehen, dass wir in der Lage sind, gegen fast alle Mannschaft­en zu punkten“, sagte er. Und immerhin habe man „mit Frankfurt, Hertha und Leverkusen gegen drei gespielt, die ums internatio­nale Geschäft kämpfen“. Auch Matarazzo („Ein 2:0 zu verspielen tut immer weh, wir waren nach der Pause zu passiv“), der erneut Daniel Didavi auf die Bank setzte und Talent Mateo Klimowicz bevorzugt hatte, war am Ende gnädig mit den Seinen: „Man sieht Entwicklun­gsschritte. Es macht schon Spaß.“

Zumal auch der, der die Stuttgarte­r und die Moral seiner Elf so lobte, am Ende eher unzufriede­n war. „Wir haben wie letzte Woche wieder zwei Punkte verloren“, bilanziert­e Hinteregge­r. Auch sein österreich­ischer Landsmann und Trainer Adi Hütter wusste, dass es bei der Eintracht ebenfalls noch Arbeit gibt. „Wir sind jetzt schon „zum fünften Mal in Rückstand geraten. Das ist ärgerlich“, sagte Hütter. „Immerhin war es für die Fans am Fernseher ein sehr unterhalts­ames Spiel.“Vielleicht war das die beste Sicht auf dieses 2:2. Wer für seinen Sport geworben hat, der kann nicht viel falsch gemacht haben.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA

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