Süden bereitet Massenimpfungen vor
Corona-Impfstoff rückt näher – Biontech und Pfizer beantragen Zulassung in den USA
(dpa/ AFP) - Der ersehnte Impfstoff gegen das Coronavirus ist zwar noch nicht am Markt, doch am Montag gab es gute Nachrichten: Das Mainzer Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer erklärten, ihr Impfstoff biete nach Studiendaten einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Ab kommender Woche soll die Zulassung in den USA beantragt werden.
In Baden-Württemberg und Bayern laufen derweil die Vorbereitungen für die anstehenden Massenimpfungen. „Wir bereiten jetzt unter Hochdruck die Infrastruktur für das Impfen im Land auf, um an dem Tag startklar zu sein, an dem ein Impfstoff genehmigt wird“, sagte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) am Montag. Seine bayerische Amtskollegin Melanie Huml (CSU) betonte in München, dass der Impfstoff nicht sofort flächendeckend für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen werde. Deshalb sei „eine Priorisierung des Angebots in der Anfangsphase notwendig“.
Bundesweit soll es einheitliche Richtlinien zur Impfstrategie geben. Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die am Robert-Koch-Institut (RKI) angesiedelte Ständige Impfkommission stellten dazu am Montag ein Papier vor. Demzufolge sollen Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen bevorzugt geimpft werden. Ebenso sollen Menschen in Schlüsselstellungen in der Gesellschaft die anfangs wohl knappen Dosen zuerst bekommen, also etwa Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass Anfang 2021 ein Impfstoff vorliegen könnte. Ein Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz sieht vor, dass der Bund die Impfstoffe beschafft und finanziert und die Länder Impfzentren – etwa in Krankenhäusern – einrichten. Zudem sind mobile Teams geplant, die zum Beispiel Menschen in Altenheimen impfen.
Lucha erklärte, der Bund werde die zugeteilte baden-württembergischen Impfcharge an ein zentrales Lager liefern, von dort werde der Anteil flächendeckend an einzelne Impfzentren gegeben. Zunächst würden für jeden der vier Regierungsbezirke im Land zwei Impfzentren in Krankenhäusern aufgebaut. Dort soll es sogenannte Impfstraßen geben – ähnlich wie in den Corona-Teststationen – mit einem Warte-, Empfangsund Behandlungsbereich.
- Noch weiß niemand, wann genau und in welchen Mengen ein oder gar mehrere Corona-Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Doch die Frage, wer das zunächst knappe Gut zuerst gespritzt bekommen soll, bewegt die Gemüter. Experten haben am Dienstag in Berlin erste Empfehlungen gegeben.
Eigentlich scheint die Sache ja ziemlich klar: Risikogruppen zuerst, dann Berufsgruppen wie medizinisches Personal. So haben es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Ständige Impfkommission (Stiko), die hierzulande für die Regeln bei Impfkampagnen aller Art zuständig ist, schon mehrfach geäußert.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) haben 28 Millionen Menschen mindestens eine chronische Erkrankung. Und dem Statistischen Bundesamt zufolge sind 23,7 Millionen Bundesbürger 60 Jahre oder älter. Nun sind viele chronisch Kranke zwar älter – aber längst nicht alle. Zudem: Im Gesundheitswesen arbeiten 5,7 Millionen Beschäftigte.
Doch 30 oder 40 Millionen Menschen auf einmal werden nach der Zulassung eines oder mehrerer Impfstoffe nicht die nötigen Dosen zur Verfügung stehen. Zumal es so aussieht, dass für einen Menschen zwei Impfungen im Abstand von etwa einem Monat nötig sind, um sich zu immunisieren.
Was bedeutet: Stehen zunächst beispielsweise zehn Millionen Dosen zur Verfügung, kann man nur fünf Millionen Menschen schützen. Die Stiko rechnet vor, was das bedeutet: Es ist schon eine Herausforderung, pro Tag 100 000 Menschen zu impfen. Selbst wenn man dies schafffe, bräuchte es 150 Tage, um 15 Millionen Menschen zu impfen. Der Ulmer Virologe und Stiko-Chef Thomas Mertens rechnet damit, dass eine umfassende Impfung der Bevölkerung bis ins Jahr 2022 hinein dauern dürfte.
Dazu kommt: Allen Erfahrungen zufolge schlägt eine Impfung bei alten Menschen in der Regel am schlechtesten an. Gerade die Älteren jedoch will die Gesellschaft besonders schützen. Bei jungen Leuten dagegen wirkt ein Impfstoff viel zuverlässiger, ist also mit höherer Wahrscheinlichkeit ein wiksamer Schutz vor einer Infektion. Wer also soll zuerst geimpft werden? Das sind schwierige Abwägungen.
Die Stiko hat dazu am Montag gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein Papier vorgelegt, in dem solche Fragen behandelt werden. Sehr alte Menschen in Heimen, sagt die Vorsitzende des Ethikrats, Alena Buyx, seien hochgradig gefährdet und sollten vorrangig geimpft werden, auch wenn die Wirksamkeit geringer als bei anderen sei. Generell sollen laut der drei Gremien Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen zuerst an der Reihe sein. Ebenso Menschen in Schlüsselstellungen in der Gesellschaft und für die öffentliche Ordnung: Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Erzieher.
Wer aus diesen Gruppen aber genau sofort geimpft werden soll und wie viele Menschen insgesamt in einer ersten Impfwelle geschützt werden müssten, das bleiben die Experten schuldig. Detaillierte Angaben soll es erst bis Ende des Jahres geben. Eine klare Aussage aber gab es dazu, wo Menschen gegen Corona geimpft werden sollen: in eigens eingerichteten Zentren und nicht etwa wie bei der Grippe beim Hausarzt.
Ein Grund dafür ist die Logistik: Einige Erfolg versprechende Impfseren benötigen für die Lagerung sehr tiefe Temperaturen – von minus 20 bis minus 80 Grad. Aber auch die Priorisierung lässt sich so viel besser durchsetzen. Wie Mitarbeiter eines Impfzentrums aber kontrollieren sollen, ob jemand tatsächlich zu jenen gehört, die vorrangig zu impfen sind, ist noch unklar. Mal ganz davon abgesehen, dass man auf diese Weise auch einen Ansturm auf die Hausärzte verhindern kann. Für Altenheime jedoch soll es eine Ausnahme geben: Hier sind mobile Impfteams geplant. Die Länder organisieren den Kauf von Spritzen, Kanülen, Tupfern und steuern die Logistik für die 60 Impfzentren. Die Beschaffung und Bezahlung des Impfstoffs übernimmt der Bund. Zudem fordern die Experten eine zentrale Datenbank, die alle Impfungen erfasst. Personenbezogene Angaben sollen nicht erhoben werden. Es gehe darum, Nebenwirkungen hatte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), gesagt. Es gebe wesentlich mehr infizierte Patienten auf den anderen Stationen – von denen ein Teil noch auf den Intensivstationen landen werde. Die gesamte Infektionslage sei nicht mit der im April vergleichbar. Anders als bei der Spitze am 18. April werde diesmal kein Abflauen folgen, der Anstieg werde sich vielmehr vorerst fortsetzen, sagte Janssens. Der Grund sei, dass sich die jeweilige Zahl an Neuinfektionen erst verzögert in schweren Verläufen und schließlich in der Belegung der Intensivstationen niederschlägt. (dpa)
rasch zu erkennen und die Impfquoten messen zu können, erklärte Stiko-Chef Mertens. Leopoldina-Präsident Gerald Haug wies am Montag darauf hin, dass man die Bevölkerung transparent informieren müsse, um Akzeptanz für eine Immunisierung aufzubauen. Derzeit liege die Impfbereitschaft bei 50 bis 60 Prozent – „da müssen wir noch zusätzliches Vertrauen gewinnen“. Wenn das gelinge und sich in den Wintermonaten alle an die CoronaRegeln hielten, könne man aber „mit Optimismus auf den Sommer 2021 blicken“.