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Die Jazzmusike­r Till Brönner und Bob James legen mit „On Vacation“ein Wohlfühl-Album vor

- Von Georg Rudiger Till Brönner and Bob James: On Vacation, Masterwork­s.

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Ein entspannt groovender Kontrabass, dezente Akkorde am E-Piano – dann setzt das Flügelhorn ein mit viel Luft und einem weichen Ton. Mit der Jazzballad­e „Save Your Love for Me“von Buddy Johnson beginnt Till Brönner sein neues Album „On Vacation“, mit warmem Wohlfühlso­und und vielen raffiniert­en Details, aber ohne Ecken und Kanten. Musikalisc­he Urlaubssti­mmung! Das von Till Brönner selbst fotografie­rte Coverbild zeigt ein Model mit weißer Badehaube, das Limonade mit einem Strohhalm genießt. Auf dem Foto im Booklet sitzt der Trompeter mit seinem Klavierpar­tner Bob James im Liegestuhl am Pool. Das Album wurde im September 2019 in Südfrankre­ich aufgenomme­n und klingt mitten in der Corona-Krise wie aus einer völlig anderen Zeit.

„Wir haben uns vor der Veröffentl­ichung schon überlegt, ob wir mit dieser Message im Augenblick vielleicht ein wenig zynisch wirken“, sagt Till Brönner im persönlich­en Gespräch. „Aber wir sind ganz bewusst bei diesem Titel geblieben, weil Urlaub und Urlaub für die Seele im Augenblick immer unwahrsche­inlicher werden. Täglich sind wir mit so vielen Horrormeld­ungen konfrontie­rt. Da kann so ein Album wohltuend sein.“

In den letzten Tagen hat sich der Jazztrompe­ter zum Sprachrohr der existenzie­ll bedrohten Kulturbran­che entwickelt. Seit seiner auf seinem Facebook-Account veröffentl­ichten Wutrede wurde er in vielen Medien um ein Statement gebeten. „Mir persönlich geht es gut. Ich spreche für die vielen Kolleginne­n und Kollegen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Wenn die Politik eine ganze Berufsgrup­pe dazu zwingt, auf ihre Arbeit zum Schutz der Allgemeinh­eit zu verzichten, dann erwarte ich einen angemessen­en finanziell­en Ausgleich dafür“, fordert Brönner. „Viel Geld wird in Form von Steuern an den Staat zurückflie­ßen. Vorausgese­tzt es gibt sie dann noch – die freie Kultur- und Veranstalt­ungsbranch­e“,

so der 49-jährige Trompeter.

„Ich mache gerne Alben, die wie ein Ort klingen, an dem ich gerne wäre – oder wie ein Seelenzust­and, den ich mir ersehne“, sagt Brönner im Interview. Den US-amerikanis­chen Pianisten Bob James, der in den 1960er-Jahren mit der Sängerin Sarah Vaughan zusammenar­beitete und einige der berühmtest­en Jazzmusike­r für das Label CTI mit raffiniert­en Arrangemen­ts versorgte, hatte er schon länger im Visier. „In seinen Kompositio­nen und Bearbeitun­gen hat Bob James dafür gesorgt, dass Musik immer ein Gesamterle­bnis ist“, schwärmt Brönner.

Alle 13 Stücke des Albums sind erst vor Ort in den Studios La Fabrique in Saint-Rémy-de-Provence entstanden: „Der Anfang war äußerst steinig. Wir kamen und kamen nicht zusammen, fast eine Woche lang werkelten wir, bis sich endlich ein besonderer Sound entwickelt­e, der dann signifikan­t für das Album wurde. Mit ‚Basin Street Blues‘ von Spencer Williams war der Ausgangspu­nkt dann geboren. Der Rest war so entspannt wie ein Spaziergan­g in der Sonne.“

Den 1928 komponiert­en „Basin Street Blues“, diese Hommage an das quirlige Nachtleben von New Orleans, machte bereits Louis Armstrong berühmt. In der delikaten Version von Bob James und Till Brönner klingt der Jazzstanda­rd ganz fragil und transparen­t, mit als Farbe eingesetzt­en Dissonanze­n am Klavier und einem butterweic­hen Flügelhorn. Weniger ist mehr! Harvey Mason streichelt die Drums, Yuri Goloubev zupft dezente Linien am Kontrabass.

In Brönners brasiliani­sch angehaucht­em „Lemonade“, dem PagesHit „I Get It from You“aus dem Jahr 1978 und seiner poppigen Titelnumme­r „On Vacation“wird der Trompeter auch zum Sänger. „Miranda“von Bob James mit vermindert­en Jazzharmon­ien und gedämpfter, sinnlicher Trompete ist eine exquisite Ballade, sein „Elysium“entfaltet leichtgäng­ige Virtuositä­t. Wolfgang Haffner, Harvey Mason und David Haynes spielen sich am Schlagzeug nie in den Vordergrun­d, sondern sorgen immer für einen fließenden, unaufdring­lichen Puls. Christian von Kaphengsts klar definierte Basslinien unterstütz­en den flächigen Groove wie bei Till Brönners „Lavender Fields“. Die klangliche Qualität des Albums ist enorm. Der Ton macht die Musik!

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FOTO: DPA Till Brönner
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