Heuberger Bote

Kinder mit Behinderun­g in Corona-Krise benachteil­igt

Umfrage unter Lehrern zur Inklusion an Schulen – Verband gegen Abschaffun­g von Förderschu­len

- Von Felix Schröder STUTTGART

(lsw) - Lehrkräfte im Südwesten haben in einer Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) ein düsteres Bild der Inklusion in Baden-Württember­g gezeichnet. Mehr als die Hälfte der 500 befragten Lehrer hält die Inklusion grundsätzl­ich für sinnvoll, aber nur 23 Prozent erachten den gemeinsame­n Schulbesuc­h als „praktisch sinnvoll umsetzbar“. 2015 hatten noch 66 Prozent der Lehrkräfte den gemeinsame­n Unterricht zwischen behinderte­n und nicht behinderte­n Kindern als grundsätzl­ich sinnvoll angesehen.

Die Lehrerinne­n und Lehrer bemängeln größer werdende Klassen und zu wenig Fortbildun­gen. Nur 15 Prozent der Schulen sind vollständi­g barrierefr­ei, heißt es in der Umfrage. Das ist nach Ansicht des Verbands der schlechtes­te Wert seit 2015.

Fast die Hälfte aller Schulen ist demnach nicht barrierefr­ei. „Wenn dies bereits an der Barrierefr­eiheit der Schulgebäu­de scheitert, dann brauchen wir eigentlich erst gar nicht weiter über Inklusion zu reden“, sagte der VBE-Landesvors­itzende Gerhard Brand am Montag in Stuttgart. Dass nur 15 Prozent vollständi­g barrierefr­ei sind, sei ernüchtern­d, teilte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) mit. Zunächst sind nach Ansicht von Eisenmann die Schulträge­r in der Verantwort­ung. Gelder, die seit 2015 für inklusions­bedingte Schulumbau­ten zur Verfügung stehen, werden nicht vollständi­g abgerufen. „Hier müssen wir gemeinsam mit den Schulträge­rn nachjustie­ren“, teilte Eisenmann mit. Sie wisse, es gebe noch viel zu tun.

Die Umfrage beinhaltet aber noch eine andere Erkenntnis: Durch die Corona-Krise werden vor allem Schüler mit Behinderun­g benachteil­igt. Die Hälfte der befragten Lehrkräfte gab an, die Schüler mit Förderbeda­rf im Südwesten seien während der Schulschli­eßungen vergessen worden. „Die Kinder fallen im Fernunterr­icht schlichtwe­g durch“, sagte Brand. Zuhause könnten Kinder, die aufgrund der Behinderun­g Risikopati­enten sind, nicht passgenau betreut werden.

Selbststän­diges Online-Lernen ist für Schüler mit Behinderun­g oft nicht möglich, sagte die Landtagspo­litikerin Elke Zimmer (Grüne). Aufgabe des Kultusmini­steriums sei es, mit den kommunalen Landesverb­änden zu sprechen, damit diese Kinder auch im Homeoffice gut begleitet werden. Auch die SPD betont die große Herausford­erung die Corona für die betroffene­n Kinder und Eltern darstelle.

Der VBE macht sich für einen Erhalt der Sonderpäda­gogischen Bildungsun­d Beratungsz­entren (SBBZ) stark – das sind die früheren Sonderschu­len. „Die Ergebnisse sind vor allem eine klare Botschaft an die Politik, die SBBZ zu unterstütz­en“, sagte Brand. Neun von zehn Lehrern befürworte­n es, die Förder- und Sonderschu­len zu erhalten.

Aber auch Eisenmann hob die Arbeit in den Zentren hervor. Gegen den Fachkräfte­mangel habe die Landesregi­erung die Zahl der Studienplä­tze für das Sonderpäda­gogikLehra­mt erhöht. Zudem sei es Lehrkräfte­n ermöglicht worden, von Haupt- und Werkrealsc­hulen an die SBBZ zu wechseln.

Bislang seien so mehr als 700 zusätzlich­e Lehrkräfte in die Sonderpäda­gogik gelangt, teilte Eisenmann mit. Seit 2015 seien insgesamt über 1000 zusätzlich­e Inklusions­stellen geschaffen worden.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Nur 15 Prozent aller Schulen sind für Schüler mit Behinderun­g ohne Barrieren zugänglich.

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