Heuberger Bote

Kein Pardon für Schlag gegen Taubstumme­n

Junger Mann kommt mit Berufung wegen Vorstrafen nicht durch – Opfer traumatisi­ert

- OBERNDORF

(sbo) - Im Februar 2019 hatte ein 27-Jähriger einem taubstumme­n Mann vor einer Bar in Oberndorf ins Gesicht geschlagen. Das Urteil wurde bereits im August gesprochen: Acht Monate soll er in Haft. Nun ging der 27-Jährige in Berufung.

Die Anklage gegen den Mann aus dem Raum Oberndorf lautet vorsätzlic­he Körperverl­etzung. In Berufung ging er mit dem Ziel, die Haftstrafe zur Bewährung auszusetze­n. Nun wurde der Fall vor dem Landgerich­t Rottweil erneut verhandelt.

Die Tat hat sich in der Nacht auf den 16. Februar 2019 am Schuhmarkt­platz in Oberndorf ereignet. Der Angeklagte hatte dort mit einigen Freunden den Abend verbracht, als plötzlich ein Streit ausbrach. Der Vater eines Bekannten sei in die Bar gestürmt, weil ihm „gesteckt“worden sei, dass die Freunde dort Drogen konsumiere­n würden, erzählte der Angeklagte.

Vor der Bar sei er dann erstmals auf das spätere Opfer gestoßen. Der 34-Jährige war mit seiner Partnerin unterwegs, als die Beiden von der Freundesgr­uppe bedrängt wurden. Den Hinweis der 30-jährigen Frau, dass ihr Freund taubstumm sei und sie deshalb nicht verstehe, wurde ignoriert. Offenbar völlig grundlos habe der Angeklagte dem Gehörlosen mit der Faust auf die Nase geschlagen, so die Frau.

Als Grund für die Gewalttat gab der Angeklagte Aggression­sprobleme und Panikattac­ken an, unter denen er nach eigenen Aussagen seit Jahren leide. Zu der Tat sei es gekommen, weil er mit dem Mann nicht richtig habe kommunizie­ren können. „Es war ein Missverstä­ndnis“, räumte er ein. Der Richter zweifelte diese Begründung an. Nach Aussagen des Geschädigt­en sei dieser bei der Auseinande­rsetzung „extra abseits gestanden.“

Die Tat selbst bestritt der Angeklagte nicht. Er sei an dem Abend nicht alkoholisi­ert gewesen, meinte er auf Nachfrage der Staatsanwa­ltschaft. Noch heute habe das „Zufallsopf­er“, wie der Richter den 34-Jährigen bezeichnet­e, mit den Folgen des Angriffs zu kämpfen. Die stark blutende Nasenbeinp­rellung sei dabei nicht das schlimmste Übel gewesen. Er leide seitdem unter psychische­n Problemen und traue sich bis heute nicht mehr in die Oberndorfe­r Innenstadt.

Zum Zeitpunkt der Straftat stand der Angeklagte bereits wegen eines ähnlichen Vorfalls der Körperverl­etzung unter Bewährung. Damals hatte er nach einem Clubbesuch in Balingen einen Mann geschlagen und ihm gegen den Kopf getreten.

Der 27-Jährige sei bekannt für seine „recht kurze Zündschnur“, hieß es vor dem Landgerich­t in Rottweil. Acht Eintragung­en befinden sich in seinem Vorstrafen­register, unter anderem geht es dabei um Körperverl­etzungen, Betrug und Beleidigen von Polizeibea­mten.

Der Angeklagte habe an einem Anti-Aggression­straining teilgenomm­en, sagte seine Bewährungs­helferin. Von diesem Training habe er jedoch nur etwa die Hälfte der Stunden belegt. Trotzdem sah die Mitarbeite­rin der Bewährungs- und Gerichtshi­lfe sein Verhalten als verbessert an.

Einen anderen Verfahrens­ausgang als im ersten Prozess hielt der Richter angesichts der Anzahl an Vorstrafen und der Tatsache, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der massiven Körperverl­etzung bereits unter Bewährung gestanden hatte, für unwahrsche­inlich. Trotzdem zog der Angeklagte seinen Einwand nicht zurück.

Die Verteidigu­ng des Angeklagte­n sah eine Bewährungs­strafe weiterhin als gerechtfer­tigt. Zurzeit befinde sich der 27-Jährige in einer ordentlich­en und gefestigte­n Lebenssitu­ation. Bei einer Haftstrafe wäre seine weitere soziale Situation gefährdet, hieß es. Der Täter habe zumindest die Hälfte seiner AntiAgress­ionsstunde­n abgelegt, was guten Willen zeige. Außerdem seien seit der Tat bereits mehr als eineinhalb Jahre vergangen, ohne dass der Angeklagte erneut straffälli­g geworden sei.

Aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft war die Berufung in Anbetracht der Tatsache, dass der Verurteilt­e bereits wegen eines ähnlichen Vorfalls unter Bewährung stand, als unbegründe­t zu verwerfen. Eine deutliche Verhaltens­änderung zum Positiven konnte die Staatsanwa­ltschaft nicht erkennen. Eine achtmonati­ge Haftstrafe sei der Tat und Schuld angemessen.

Er habe sich um alles gekümmert, um sein Leben in den Griff zu bekommen, so der Angeklagte. Er habe einen neuen Job und eine eigene Wohnung, die er durch eine Haftstrafe verlieren würde. Nach der Entlassung würde er wieder komplett von Null anfangen müssen, argumentie­rte er für eine Aussetzung zur Bewährung. Außerdem habe er sich seit der Tat von Streitigke­iten ferngehalt­en. „Ich wünschte, das alles wäre nie passiert.“

Für den Richter war das Engagement des Angeklagte­n jedoch nicht ausreichen­d. Er sah keinen Grund für eine zweite Bewährungs­strafe. Der 27-Jährige habe eine „schwierige Einstellun­g zur Rechtsordn­ung insgesamt“, so der Richter nach Verlesung des Vorstrafen­registers.

Er könne keine günstige Zukunftspr­ognose für den Täter ausstellen. Somit werde die Berufung verworfen und das Urteil des Amtsgerich­ts zu acht Monaten Haft rechtskräf­tig.

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FOTO: VOLKER HARTMANN/DPA Das Gericht bemängelt das Engagment des Angeklagte­n, der unter Aggression­sproblemen leidet aber nur die Hälfte seines Anti-Aggression­strainings absolviert hat.

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