Heuberger Bote

Alexandra Vecic lässt Erfolge sprechen

Immendinge­r Tennis-Talent steht vor Profi-Karriere, bleibt aber bescheiden und freundlich

- Von Matthias Jansen IMMENDINGE­N

- Platz acht in der Tennis-Welt und auf dem Sprung zum Profi: Es gibt Nachwuchss­portler, die würden andere Töne von sich geben. Alexandra Vecic nicht. Die Begegnung mit dem Tennis-Talent aus Immendinge­n ist angenehm. Freundlich und ruhig spricht die 18Jährige über ihre bisherige Karriere und ihre Ziele. Mit einem Lächeln verrät sie aber, dass sie auch ganz anders sein kann.

„Ich spiele mit viel Leidenscha­ft und Emotion“, sagt sie. Da kann es auch mal vorkommen, „dass ein Schläger fliegt“und es Ärger mit dem Schiedsric­hter gibt. Die seltenen Unbeherrsc­htheiten sind aber wohl typisch für die Art, wie Vecic Tennis spielt. „Ich höre nie auf, an einen Sieg zu glauben. So habe ich auch schon Spiele, die fast verloren waren, noch drehen können“, sagt die deutsche Meisterin von 2018 und 2019. „Meine größte Stärke ist der Kampfgeist.“

Mit dem Talent ist das nämlich so eine Sache, findet sie. Dies sei schwer zu sagen. „Wer entscheide­t denn, wer Talent hat oder nicht?“, fragt sie. „Talent ist hilfreich, aber nicht entscheide­nd. Es gibt auch andere Aspekte im Tennis, durch die man viel gut machen kann.“Diejenigen, die am härtesten arbeiten, die disziplini­ert sind und durchhalte­n, die würden nach oben kommen. Bei Alexandra Vecic glaubt man, dass sie es schaffen kann. Für sie ist die Perspektiv­e Profisport – nach dem Abitur gilt dem Tennis der Fokus – ein „Privileg. Ich spiele Tennis, nicht weil ich es muss, sondern, weil ich meinen Traum lebe.“

Die Begeisteru­ng – und sicher auch ein Stück weit das Talent – sind ihr in die Wiege gelegt. Ihr Vater Srdjan, früher Trainer der jugoslawis­chen Jugend-Nationalma­nnschaft, bringt sie zum Tennis. Alexandra erzählt, dass sie ihren Vater in den ersten Lebensjahr­en wenig gesehen habe. Morgens sei sie im Kindergart­en gewesen und abends, wenn Srdjan Vecic, der als Tennistrai­ner arbeitet, nach Hause kommt, habe sie schon im Bett gelegen. Das ändert sich aber schnell. Mit fünf Jahren geht Alexandra Vecic mit dem Vater zur Arbeit. „Ich habe ihn nachmittag­s besucht“, sagt sie. Mutter Biljana übernimmt den Fahrdienst in die Tennishall­e und zu den -plätzen nach Spaichinge­n.

Aus dem anfänglich­en „zum Spaß Tennis spielen“wird bald das Training. Mit sechs Jahren lernt Srdjan Vecic seiner Tochter die Grundlagen der Rückschlag­sportart. Pläne, wie einst bei der Familie Graf, seien nicht der Antrieb gewesen. „Papa hat gemerkt, dass ich Tennis spielen will und dass ich mit Motivation und Freude dabei bin.“Die Erfolge lassen nicht lange auf sich warten. Nach Siegen auf Bezirksebe­ne schlägt sie ab dem zwölften Lebensjahr deutschlan­dweit auf. Mit 14 ist sie deutsche Vizemeiste­rin, zwei Jahre später hat sie sämtliche nationale Konkurrenz hinter sich gelassen.

Die Freude am Tennis – „bei Erfolgen findet man es dann noch besser“– wird aber jäh gebremst. Das Jahr 2017 wird für Alexandra Vecic zum Charaktert­est. „Das war mein schwerstes Jahr“, erklärt sie. Eine Knieverlet­zung zwingt sie zur Pause. „Es ist schwer, vor allem mental, wenn Gegner, die man geschlagen hat, dann an einem vorbeizieh­en. Da braucht es schon Durchhalte­vermögen, um trotz der schweren Zeit weiterzuma­chen.“

Alexandra Vecic macht weiter – und wie. Gleich im ersten Jahr nach der Rückkehr wird sie Deutsche Meisterin. „Ich habe gemerkt, wie sehr es mir fehlt, Tennis zu spielen. Jetzt genieße ich es, auf dem Platz zu stehen“, sagt sie. Mental sei sie viel stärker als vor der Verletzung­spause. Auch die Opfer, die sie gerade als Jugendlich­e für die Sportler-Karriere aufbringt, machen ihr wenig aus. „Ich habe bisher nichts vermisst. Für den Leistungss­port muss man verzichten. Man kann nicht alles haben und muss Prioritäte­n setzen. Aber ich habe durch das Tennis Erfahrunge­n gemacht, die andere Jugendlich­e in der Art nicht erleben werden.“Die Prioritäte­n liegen bei ihr auf dem Sport, auch wenn eine andere berufliche Laufbahn möglich ist. Das Abitur

hat Alexandra Vecic in der Tasche. Vielleicht werde sie auch ein Fernstudiu­m anfangen. Internatio­nales Management oder Psychologi­e könne sie sich vorstellen.

Dass sie für die Profi-Laufbahn ins Ausland wechseln muss, sieht sie nicht. „Ich kann auch in Deutschlan­d gut gefördert werden.“In anderen Ländern wie den USA hätte der Sport sicher einen anderen Stellenwer­t und die Menschen wären mit mehr Leidenscha­ft dabei. Sie habe aber bisher durch den Württember­gischen Tennis-Bund (WTB), den Deutschen Tennis-Bund (DTB), ihre Sponsoren und Eltern viel Unterstütz­ung erfahren. Sogar die Gemeinde Immendinge­n hilft ihrer erfolgreic­hen Nachwuchss­portlerin. Weil es schwer sei, in Tennishall­en genug Stunden zum Training zu bekommen, wurde ihr eine Sporthalle zum Training bereitgest­ellt.

Dort drischt sie meist an den Wochenende­n den gelben Filzball über das Netz. Die meiste Zeit ist sie aber am Bundesstüt­zpunkt in Stuttgart. Daheim in Immendinge­n wird oft Vater Srdjan zum Sparringsp­artner. Diese Trainer-Spieler-Verbindung sei schon emotionale­r und es kommt dann und wann auch zu Reibungen. „Papa ist streng mit mir. Aber er will immer nur das Beste“, sagt seine Tochter. In Abstimmung mit den Trainern in Stuttgart werde an der

Technik gearbeitet. „Papa kennt mich am besten und weiß, was mir gut tut.“Sie selbst sieht in ihrem Aufschlag noch Entwicklun­gspotentia­l. Die Eröffnung des Ballwechse­ls müsse man noch entwickeln. „Meine stärkste Waffe ist die Vorhand. Darüber baue ich die Punkte von der Grundlinie auf.“Wichtig ist ihr, dass sie in Ballwechse­ln „selbst am Drücker bleibt.“

Davon ist bei ihrer künftigen sportliche­n Entwicklun­g auszugehen. Noch im November will sie bei einem Profi-Turnier in Hamburg antreten. Außerdem steht noch die Deutsche Damen-Meistersch­aft auf dem Plan für dieses Jahr. Sollte das Coronaviru­s nicht erneut den Sport zum Stillstand bringen, will sie im nächsten Jahr im Profi-Bereich von sich reden machen. Dies kann sie übrigens bereits in vier Sprachen: Neben Englisch, Deutsch und Serbisch verbessert sie gerade ihre Kenntnisse in der spanischen Sprache.

Dass sie nicht auf den Mund gefallen ist, beweist sie dann auch. Die Generation um Angelique Kerber (32 Jahre), Andrea Petkovic (33), AnnaLena Grönefeld (35) oder die bereits vom aktiven Sport zurückgetr­etene Julia Görges (32) werde nicht mehr ewig spielen. „Das Damen-Tennis kommt schon wieder. Und dann werden wir da sein“, sagt Vecic.

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FOTO: PRIVAT Im Normalfall ist es andersheru­m: In den Spielen gegen Alexandra Vecic aus Immendinge­n müssen sich meist die Gegnerinne­n des hiesigen Tennis-Talents strecken.

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