Methusalembaum erzählt Geschichte
Dürbheimer Förster zeigt 200 Jahre Dürbheim in Jahresringen.
DÜRBHEIM - Es gab sie schon, als die Napoleonischen Kriege wüteten und von einem Bundesland Baden-Württemberg längst noch keine Rede war: Eine 200 Jahre alte Fichte, die im vergangenen Jahr im Dürbheimer Gemeindewald gefällt werden musste. Der Borkenkäfer hatte sie befallen und sie stand zu nah am Wanderweg, als das sie hätte bleiben können. Doch Förster Matthias Gerlach wollte sie nicht einfach nur zu Hackschnitzeln verarbeiten.
„Es ist doch beeindruckend, was so ein Baum alles erlebt hat“, sagt er und zeigt, was er mit der gefällten Fichte gemacht hat. Sie liegt, entastet, direkt neben einem breiten Wanderweg mitten im Dürbheimer Gemeindewald, unweit des Ortes, an dem sie gewachsen ist. Daneben steht ein kleines Häuschen, das eine einzelne Baumscheibe dieser Fichte schützt. Und auf der Baumscheibe stehen verschiedene Daten. „Um 1800: Fichtensamen keimt“, lautet das erste Ereignis. Mit dem „Dürbheimer Methusalem“will Matthias Gerlach Wanderern Wissen über den Gemeindewald vermitteln.
Seit 2019 ist er Forstrevierleiter in Dürbheim und betreut seither 665 Hektar Wald. Doch Gerlach ist nicht nur Förster und naturverbunden, sondern auch geschichtsbegeistert.
In Eigenregie stellte der 29-Jährige die Baumscheibe auf, platzierte den Stamm und suchte sich verschiedene Ereignisse zusammen. Als Quelle diente ihm dabei vor allem das Festbuch zu 1200 Jahre Dürbheim. „Der Wald zeigt, was in der Geschichte passiert ist und er erinnert sich auch“, sagt Gerlach. Bis heute liefert der Wald Bau- und Brennholz. Früher trieben die Bauern ihre Tiere zum Weiden in den Wald und nutzten das Laub als Streu für die Ställe.
Die Hinweisschilder auf der Baumscheibe sind klein, sie nennen lediglich das Jahr und ein Ereignis, wie den Waldbrand von 1894 oder verschiedene Stürme, die das Gebiet getroffen haben. Je länger Gerlach erzählt, desto deutlicher wird aber, wie viel er über die Waldgeschichte weiß und wie sehr sie ihn fasziniert. Weiter ausbauen möchte er sein Geschichtsprojekt aber nicht. „Das bleibt jetzt erstmal so.“
Über all die Jahre haben die Menschen den Wald intensiv genutzt und Spuren hinterlassen. Eine davon, die bis heute noch zu sehen ist, sind die sogenannten „Franzosenhiebe“nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch darauf verweist ein kleines Schild auf der Baumscheibe.
„Die Siegermächte hatten das Recht, Material mitzunehmen und sie haben große Kahlschläge im Wald hinterlassen“, erzählt Gerlach. Der Bedarf an Holz sei jedoch groß gewesen und so bepflanzten die Dürbheimer die kahlen Flächen mit schnell wachsenden Bäumen, den Fichten. „Deswegen gibt es hier auch so viel Nadelholz“, erklärt der Förster. Und noch etwas berichtet er. Es waren nicht etwa die Dürbheimer Männer, die den Wald aufforsteten, sondern in der Regel die Frauen, sogenannte Pflanzfrauen. Die Männer hätten sich eher um die Landwirtschaft gekümmert, während den Frauen der Wald überlassen blieb.
„Mein Vorgänger kannte noch bis in die 1980er Jahre hinein Pflanzfrauen.“
Zwar nicht den Dürbheimer Pflanzfrauen im Speziellen, aber dem Phänomen an sich, wurde mit dem 50-Pfennig-Stück sogar ein Denkmal gesetzt. Auf der Rückseite der Münze pflanzt eine Frau eine junge Eiche - als Zeichen des Wiederaufbaus aber eben auch als Ehrung für die Frauen, die sich nach dem Krieg um die Wiederaufforstung der Wälder kümmerten.
So, wie sich Gerlach mit der Geschichte des Waldes befasst und jahrhundertealte Spuren findet, weiß er auch, dass sein eigenes Handeln als Förster den Wald der Zukunft prägt. „Wir wissen nicht, was in 100 Jahren ist, aber eigentlich müssen wir so weit im Voraus planen.“Nicht ganz so weit voraus plant er mit seinem Geschichtsprojekt. Der Methusalem verrotte langsam und sei vermutlich in zehn Jahren verschwunden. Aber bis dahin hofft Gerlach auf den ein oder anderen wissbegierigen Waldbesucher. Immerhin hat er auch deshalb den Namen „Methusalem“gewählt. „Das war als Eyecatcher gedacht und soll ein bisschen neugierig machen.“
Der Dürbheimer Methusalem liegt am Wanderweg zur Ruine Wallenburg. Vom Wanderparkplatz Sondersteig (an der Straße zwischen Dürbheim und Rußberg) führt der Weg weg von der Straße, entlang der Wiese, Richtung Wald und weiter geradeaus. Nach circa 15 Minuten Fußmarsch befindet sich der Methusalem linker Hand.