Die Narren tragen Trauer
Am 11.11. feiern normalerweise die Narren – doch in Trossingen und Umgebung schieben sie in Coronazeiten Frust
TROSSINGEN/REGION - In normalen Zeiten ist der 11.11. der Freudentag schlechthin für sämtliche Narren in der Republik. Doch im Coronajahr 2020 tragen die Hästräger statt bunter Kostüme Trauer. Die Pandemie hat auch den Fasnetvereinen im Raum Trossingen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.
„Das fehlt so, als wenn wir Weihnachten absagen würden.“Volker Bilger, Ehrenvorstand der Trossinger Sonnenhänsele, ist traurig ob der coronabedingten Absage der fünften Jahreszeit. „Es ist alles so frustrierend – Fasnet ist schließlich Brauchtum und Lebensart.“Die Zunft habe viele Einladungen bekommen; „aber alles ist abgesagt“. Die Zunft ist sonst bei vielen Umzügen und Bällen dabei, doch diesmal: „Tote Hose“. Auch die traditionelle Kürung eines Lehensherren am 6. Januar sei „noch in der Schwebe, aber fast abgesagt“. Weil die Gaststätten wieder schließen mussten, habe man auch „keine Chance, unsere Hauptversammlung abzuhalten“.
Die Sonnenhänsele trifft es derzeit doppelt hart: Denn neben der Corona-Misere ist kürzlich überraschend Schriftführerin Annette Morlock verstorben. „Der ganze Verein ist im Schockzustand“, schildert Bilger die Stimmungslage der knapp 60 Mitglieder. „Es ist alles eine Katastrophe.“Auch wegen des Todesfalls werde man keine Aktivitäten starten, weil dies unangemessen sei. Dass Mitglieder abspringen könnten wegen der langen Zwangspause, fürchtet Bilger nicht.
Auch der Narren-Verein Trossingen verzeichnet bisher keine Austritte unter den etwa 150 aktiven und passiven Mitgliedern, berichtet einer der drei Vorsitzenden, Markus Pieth. Der Frust zum eigentlichen Auftakt der närrischen Saison halte sich „in Grenzen, weil wir uns das ganze Jahr darauf vorbereiten konnten – aber der kann in ein paar Wochen noch kommen“, befürchtet Pieth. „Aber alle finden es schade.“Er hofft nun, dass im kommenden Jahr wieder normal Fasnet gefeiert werden kann – denn die Zwangspause geht ans Geld.
Eine der Haupteinnahmequellen des Narren-Vereins Trossingen neben der Hauke-Schtecka-Nacht ist sonst der Kunsthandwerkermarkt im Konzerthaus, der für Anfang November geplant war; er musste abgesagt werden. Auch die regelmäßigen InfoTreffen seien „nicht mehr möglich, weil sich nur zwei Haushalte treffen dürfen“. Gecancelt sind ferner die Häsabnahme im Dezember, das Häsabstauben
am 5. Januar, die Teilnahme an Abendveranstaltungen und Umzügen. „Grundsätzlich ist erst mal alles abgesagt“, erläutert Pieth. Ob am Schmotzigen wie sonst vor dem Trossinger Rathaus gefeiert werden könne, habe man noch offen gelassen. „Falls Lockerungen kommen, überlegen wir, was wir machen könnten.“
Der Verein hat vergeblich Zeit in Vorbereitungen investiert – so waren die für den Kunsthandwerkermarkt im Gange, den Ausstellern war zugesagt worden. Immerhin seien keine Kosten entstanden, „aber es fehlen die Einnahmen“, sagt Pieth. Der Narren-Verein könne dies durch Rücklagen auffangen, auch, weil zum Beispiel die Kosten für Busfahrten zu Veranstaltungen wegfielen. Was blieben, seien die laufenden Kosten wie Versicherungen oder Mieten von Abstellmöglichkeiten.
Durchhausen ist sonst eine närrische Hochburg im Raum Trossingen mit Umzug und Zunftmeisterempfang. Doch diesmal ist „definitiv alles abgesagt, die komplette Fasnacht– und das ist frustrierend“, sagt Ralf Schrenk, Zunftmeister der Narrenzunft Durchhausen. Kein Häsabstauben am 6. Januar, kein Zunftball.
„Sonst treffen wir uns traditionell mit anderen Vereinen – dass das alles nicht ist, ist schade.“Jahrelange Freundschaften zu anderen Narrenvereinen würden unter der Pause leiden.
Als es bis vor ein paar Wochen noch erlaubt gewesen sei, hätten sich die Durchhausener Narren wenigstens noch in kleineren Gruppen getroffen, etwa zu Spaziergängen. 48 aktive und 90 passive Mitglieder zählt die Zunft. Austritte habe es noch keine gegeben, „die Stimmung untereinander ist immer noch gut“, sagt Schrenk.
Sorgen bereiten indes die fehlenden Einnahmen: Bis zu tausend Besucher kommen sonst in den Ort zum Umzug – 2021 müssen die örtliche Gastronomie und die Vereine mit ihren Besenwirtschaften auf dieses Geld verzichten. „Wir haben Rücklagen, aber es wird immer weniger“, beschreibt Schrenk die Lage. „Einmal kann man das vielleicht machen – aber wenn es ein zweites Jahr so käme, könnten wir das finanziell nicht mehr stemmen.“
Von „Rücklagen für ein bis zwei Jahre, da wir auch weniger Ausgaben haben“, berichtet Francesko Faina, zweiter Zunftmeister der Talheimer
Lupfengoaschder. Das Vereinsheim stelle die Gemeinde, nur die Nebenkosten müsse der Verein übernehmen. „Aber da keine Treffen sind, fallen die auch weg.“Zudem wolle die Gemeinde die Talheimer Vereine finanziell unterstützen. Die Einnahmen brächen weg, weil Veranstaltungen wie das Kürbisschnitzen der Schule und der Hausball gecancelt wurden. „Da ist die Festhalle sonst genagelt voll.“
In Talheim ist die Fasneteröffnung traditionell am Samstag nach dem 11.11. – hätte also am 14. November angestanden. „Aber bei einer Ausschusssitzung vor zwei Wochen haben wir alles abgesagt“, berichtet Faina. So sei man am 6. Januar bei einem Umzug in Kornwestheim eingeladen gewesen, in der Umgebung wären die Talheimer in Aldingen und Spaichingen mitgelaufen. „Sonst sind wir bei zehn bis zwölf Umzügen jährlich dabei“, erläutert Faina. 86 Mitglieder haben die Lupfengoaschder, davon sind 35 Hästräger. Stattdessen habe man überlegt, was wegen Corona alternativ gehe. Ergebnis: Am Schmotzigen wollen die Narren das Wecken beibehalten, und, mit entsprechenden Abständen, durch den Ort laufen. „Wir können zwar nicht in die Häuser, aber die Talheimer können Getränke und Essen auf Stehtische stellen“, sagt Faina. „Wir bedienen uns dann, machen Krach und laufen weiter.“
Mit Grundschule und Kindergarten wolle man noch reden, ob eine Befreiung, dann mit weniger Narren, möglich wäre. Hoffnung bestehe auch noch für das Stellen des Narrenbaums. „Das ist im Freien, und mehr als 50 Leute sind da eh nicht.“Zudem überlege der Verein, ob man einen, wegen der Abstände großen Bus miete zwecks eines Ausflugs zu Schlössern und Ruinen im Raum Freiburg – Motto: „Geister besuchen Geister“. Die Bilder sollen die Homepage der Lupfengoaschder zieren. Dies alles soll auch dem Zusammenhalt dienen. „Denn es verläuft sonst gerade alles“, sagt Faina, der auch Vorsitzender des Talheimer Obstund Gartenbauvereins ist. „Wir stehen auf dem Schlauch.“Nichtsdestotrotz – in der kommenden Session soll es rund gehen: „Dafür machen wir nächstes Jahr um so mehr und holen alles nach.“
Ein bisschen Hoffnung, dass zumindest ein Teil der geplanten Aktivitäten stattfinden kann, hat Peter Maurer, Vorstand der Gunninger Lombergtrolls. Er sieht etwa eine „ganz geringe Restchance“für den Gunninger Umzug. Jedoch glaube er „nicht, dass wir es machen, weil immer viele Leute kommen, auch aus umliegenden Orten“. Im Narrenrat habe man über die anstehenden Veranstaltungen diskutiert: „Noch wollen wir sie nicht absagen, vielleicht kann man kurzfristig was machen.“Auf der Kippe stehen der Brauchtumsabend Anfang Januar, das Häsabstauben und die Veranstaltungen in der Gunninger Halle am Schmotzigen und Fasnetfreitag. „Eventuell organisieren wir kurzfristig etwas für die Mitglieder, wie das Stellen des Narrenbaums“, plant Maurer. Rund 200 Mitstreiter zählen die Lombergtrolls.
Damit könne man auch „ein Zeichen setzen für die Mitglieder“– dass es weiter Aktivitäten gebe, und zwecks des Zusammenhalts. Momentan habe man kaum Kontakt untereinander. „Der Frust ist schon ein bissle da“, sagt Maurer. Man habe gedacht, dass es besser werde – aber auch gesagt, dass man vorsichtig bleibe und nichts Großes plane, weil ungewiss sei, ob es umsetzbar sei. „Es bricht einiges weg“, bilanziert Maurer.
Da die Lombergtrolls allerdings keine großen Ausgaben hätten, wären die finanziellen Auswirkungen der Pandemie im Vergleich zu anderen Vereinen jedoch gering.