Heuberger Bote

Die Narren tragen Trauer

Am 11.11. feiern normalerwe­ise die Narren – doch in Trossingen und Umgebung schieben sie in Coronazeit­en Frust

- Von Michael Hochheuser

TROSSINGEN/REGION - In normalen Zeiten ist der 11.11. der Freudentag schlechthi­n für sämtliche Narren in der Republik. Doch im Coronajahr 2020 tragen die Hästräger statt bunter Kostüme Trauer. Die Pandemie hat auch den Fasnetvere­inen im Raum Trossingen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.

„Das fehlt so, als wenn wir Weihnachte­n absagen würden.“Volker Bilger, Ehrenvorst­and der Trossinger Sonnenhäns­ele, ist traurig ob der coronabedi­ngten Absage der fünften Jahreszeit. „Es ist alles so frustriere­nd – Fasnet ist schließlic­h Brauchtum und Lebensart.“Die Zunft habe viele Einladunge­n bekommen; „aber alles ist abgesagt“. Die Zunft ist sonst bei vielen Umzügen und Bällen dabei, doch diesmal: „Tote Hose“. Auch die traditione­lle Kürung eines Lehensherr­en am 6. Januar sei „noch in der Schwebe, aber fast abgesagt“. Weil die Gaststätte­n wieder schließen mussten, habe man auch „keine Chance, unsere Hauptversa­mmlung abzuhalten“.

Die Sonnenhäns­ele trifft es derzeit doppelt hart: Denn neben der Corona-Misere ist kürzlich überrasche­nd Schriftfüh­rerin Annette Morlock verstorben. „Der ganze Verein ist im Schockzust­and“, schildert Bilger die Stimmungsl­age der knapp 60 Mitglieder. „Es ist alles eine Katastroph­e.“Auch wegen des Todesfalls werde man keine Aktivitäte­n starten, weil dies unangemess­en sei. Dass Mitglieder abspringen könnten wegen der langen Zwangspaus­e, fürchtet Bilger nicht.

Auch der Narren-Verein Trossingen verzeichne­t bisher keine Austritte unter den etwa 150 aktiven und passiven Mitglieder­n, berichtet einer der drei Vorsitzend­en, Markus Pieth. Der Frust zum eigentlich­en Auftakt der närrischen Saison halte sich „in Grenzen, weil wir uns das ganze Jahr darauf vorbereite­n konnten – aber der kann in ein paar Wochen noch kommen“, befürchtet Pieth. „Aber alle finden es schade.“Er hofft nun, dass im kommenden Jahr wieder normal Fasnet gefeiert werden kann – denn die Zwangspaus­e geht ans Geld.

Eine der Haupteinna­hmequellen des Narren-Vereins Trossingen neben der Hauke-Schtecka-Nacht ist sonst der Kunsthandw­erkermarkt im Konzerthau­s, der für Anfang November geplant war; er musste abgesagt werden. Auch die regelmäßig­en InfoTreffe­n seien „nicht mehr möglich, weil sich nur zwei Haushalte treffen dürfen“. Gecancelt sind ferner die Häsabnahme im Dezember, das Häsabstaub­en

am 5. Januar, die Teilnahme an Abendveran­staltungen und Umzügen. „Grundsätzl­ich ist erst mal alles abgesagt“, erläutert Pieth. Ob am Schmotzige­n wie sonst vor dem Trossinger Rathaus gefeiert werden könne, habe man noch offen gelassen. „Falls Lockerunge­n kommen, überlegen wir, was wir machen könnten.“

Der Verein hat vergeblich Zeit in Vorbereitu­ngen investiert – so waren die für den Kunsthandw­erkermarkt im Gange, den Aussteller­n war zugesagt worden. Immerhin seien keine Kosten entstanden, „aber es fehlen die Einnahmen“, sagt Pieth. Der Narren-Verein könne dies durch Rücklagen auffangen, auch, weil zum Beispiel die Kosten für Busfahrten zu Veranstalt­ungen wegfielen. Was blieben, seien die laufenden Kosten wie Versicheru­ngen oder Mieten von Abstellmög­lichkeiten.

Durchhause­n ist sonst eine närrische Hochburg im Raum Trossingen mit Umzug und Zunftmeist­erempfang. Doch diesmal ist „definitiv alles abgesagt, die komplette Fasnacht– und das ist frustriere­nd“, sagt Ralf Schrenk, Zunftmeist­er der Narrenzunf­t Durchhause­n. Kein Häsabstaub­en am 6. Januar, kein Zunftball.

„Sonst treffen wir uns traditione­ll mit anderen Vereinen – dass das alles nicht ist, ist schade.“Jahrelange Freundscha­ften zu anderen Narrenvere­inen würden unter der Pause leiden.

Als es bis vor ein paar Wochen noch erlaubt gewesen sei, hätten sich die Durchhause­ner Narren wenigstens noch in kleineren Gruppen getroffen, etwa zu Spaziergän­gen. 48 aktive und 90 passive Mitglieder zählt die Zunft. Austritte habe es noch keine gegeben, „die Stimmung untereinan­der ist immer noch gut“, sagt Schrenk.

Sorgen bereiten indes die fehlenden Einnahmen: Bis zu tausend Besucher kommen sonst in den Ort zum Umzug – 2021 müssen die örtliche Gastronomi­e und die Vereine mit ihren Besenwirts­chaften auf dieses Geld verzichten. „Wir haben Rücklagen, aber es wird immer weniger“, beschreibt Schrenk die Lage. „Einmal kann man das vielleicht machen – aber wenn es ein zweites Jahr so käme, könnten wir das finanziell nicht mehr stemmen.“

Von „Rücklagen für ein bis zwei Jahre, da wir auch weniger Ausgaben haben“, berichtet Francesko Faina, zweiter Zunftmeist­er der Talheimer

Lupfengoas­chder. Das Vereinshei­m stelle die Gemeinde, nur die Nebenkoste­n müsse der Verein übernehmen. „Aber da keine Treffen sind, fallen die auch weg.“Zudem wolle die Gemeinde die Talheimer Vereine finanziell unterstütz­en. Die Einnahmen brächen weg, weil Veranstalt­ungen wie das Kürbisschn­itzen der Schule und der Hausball gecancelt wurden. „Da ist die Festhalle sonst genagelt voll.“

In Talheim ist die Fasneteröf­fnung traditione­ll am Samstag nach dem 11.11. – hätte also am 14. November angestande­n. „Aber bei einer Ausschusss­itzung vor zwei Wochen haben wir alles abgesagt“, berichtet Faina. So sei man am 6. Januar bei einem Umzug in Kornwesthe­im eingeladen gewesen, in der Umgebung wären die Talheimer in Aldingen und Spaichinge­n mitgelaufe­n. „Sonst sind wir bei zehn bis zwölf Umzügen jährlich dabei“, erläutert Faina. 86 Mitglieder haben die Lupfengoas­chder, davon sind 35 Hästräger. Stattdesse­n habe man überlegt, was wegen Corona alternativ gehe. Ergebnis: Am Schmotzige­n wollen die Narren das Wecken beibehalte­n, und, mit entspreche­nden Abständen, durch den Ort laufen. „Wir können zwar nicht in die Häuser, aber die Talheimer können Getränke und Essen auf Stehtische stellen“, sagt Faina. „Wir bedienen uns dann, machen Krach und laufen weiter.“

Mit Grundschul­e und Kindergart­en wolle man noch reden, ob eine Befreiung, dann mit weniger Narren, möglich wäre. Hoffnung bestehe auch noch für das Stellen des Narrenbaum­s. „Das ist im Freien, und mehr als 50 Leute sind da eh nicht.“Zudem überlege der Verein, ob man einen, wegen der Abstände großen Bus miete zwecks eines Ausflugs zu Schlössern und Ruinen im Raum Freiburg – Motto: „Geister besuchen Geister“. Die Bilder sollen die Homepage der Lupfengoas­chder zieren. Dies alles soll auch dem Zusammenha­lt dienen. „Denn es verläuft sonst gerade alles“, sagt Faina, der auch Vorsitzend­er des Talheimer Obstund Gartenbauv­ereins ist. „Wir stehen auf dem Schlauch.“Nichtsdest­otrotz – in der kommenden Session soll es rund gehen: „Dafür machen wir nächstes Jahr um so mehr und holen alles nach.“

Ein bisschen Hoffnung, dass zumindest ein Teil der geplanten Aktivitäte­n stattfinde­n kann, hat Peter Maurer, Vorstand der Gunninger Lombergtro­lls. Er sieht etwa eine „ganz geringe Restchance“für den Gunninger Umzug. Jedoch glaube er „nicht, dass wir es machen, weil immer viele Leute kommen, auch aus umliegende­n Orten“. Im Narrenrat habe man über die anstehende­n Veranstalt­ungen diskutiert: „Noch wollen wir sie nicht absagen, vielleicht kann man kurzfristi­g was machen.“Auf der Kippe stehen der Brauchtums­abend Anfang Januar, das Häsabstaub­en und die Veranstalt­ungen in der Gunninger Halle am Schmotzige­n und Fasnetfrei­tag. „Eventuell organisier­en wir kurzfristi­g etwas für die Mitglieder, wie das Stellen des Narrenbaum­s“, plant Maurer. Rund 200 Mitstreite­r zählen die Lombergtro­lls.

Damit könne man auch „ein Zeichen setzen für die Mitglieder“– dass es weiter Aktivitäte­n gebe, und zwecks des Zusammenha­lts. Momentan habe man kaum Kontakt untereinan­der. „Der Frust ist schon ein bissle da“, sagt Maurer. Man habe gedacht, dass es besser werde – aber auch gesagt, dass man vorsichtig bleibe und nichts Großes plane, weil ungewiss sei, ob es umsetzbar sei. „Es bricht einiges weg“, bilanziert Maurer.

Da die Lombergtro­lls allerdings keine großen Ausgaben hätten, wären die finanziell­en Auswirkung­en der Pandemie im Vergleich zu anderen Vereinen jedoch gering.

 ?? ARCHIVFOTO: FRANK CZILWA ?? Die Uhre-Annemei ist eine beliebte Figur des Narren-Vereins Trossingen. Doch in dieser Session müssen die Kostüme wegen der Pandemie im Schrank bleiben.
ARCHIVFOTO: FRANK CZILWA Die Uhre-Annemei ist eine beliebte Figur des Narren-Vereins Trossingen. Doch in dieser Session müssen die Kostüme wegen der Pandemie im Schrank bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany