Bilanz: Weniger Ausbildungsplätze 2020
Nachzügler trotzdem noch Chance auf freie Stelle – mehr digitale Angebote durch Corona
- Das Jahr 2020 ist von Corona geprägt – das zeigt sich auch bei den Ausbildungen. Zwar sind die Stellenangebote allgemein leicht zurückgegangen, trotzdem hätten junge Menschen aus der Region immer noch gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Das haben die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer und Agentur für Arbeit in einer Pressekonferenz am Dienstag bilanziert.
In einem Punkt sind sich Sylvia Scholz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rottweil-Villingen-Schwenningen, IHKPräsidentin Birgit Hakenjos und Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz, einig: Durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen – wie Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, geschlossene Berufsinformationszentren und der Wegfall von Messen und Veranstaltungen – war die Suche nach einem Ausbildungsplatz erschwert. „Auch die Betriebe hatten es in diesem Jahr nicht leicht, passende Azubis zu finden“, sagt Sylvia Scholz. Trotzdem gebe es nach wie vor gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Für das Ausbildungsjahr 2019/ 2020 bilanziert die Agentur für Arbeit einen Wert von 1,47 Stellen pro Bewerber. „Das ist ein leichtes Minus zu den Vorjahren. Trotzdem waren mehr Stellen als Bewerber gemeldet“, sagt Scholz.
Insgesamt sind der Agentur für Arbeit 4444 Ausbildungsstellen gemeldet worden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 3,7 Prozent, bilanziert Scholz. Allerdings hatten sich im Ausbildungsjahr auch 3025 Schüler als Bewerber vormerken lassen. „Das sind immerhin 3,4 Prozent mehr als noch im Vorjahr“, sagt die Vorsitzende der Agentur für Arbeit. Rund die Hälfte der gemeldeten Bewerber traten dann auch ihre Berufsausbildung an – also 1490 beziehungsweise 49 Prozent. Bis Ende
September waren es 91 Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten – allerdings stehen dem 395 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet waren.
Ein ähnliches Resümee zog auch IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos. „In den Landkreisen Tuttlingen, Rottweil und dem Schwarzwald-Baar-Kreis haben wir zum 31. Oktober dieses Jahres 2229 neue Ausbildungsverhältnisse registriert“, sagt sie. Ein Rückgang von rund 15 Prozent, denn im vergangenen Jahr waren es Ende Oktober 2643 Ausbildungsverhältnisse bei der IHK. Ganz besonders von der Krise betroffen seien Hotels und Gastronomie, Tourismus und große Teile des Einzelhandels und der Industrie. Trotzdem seien im vergangenen Jahr 70 neue Ausbildungsbetriebe in der Region dazugekommen – somit steigt die Zahl der aktiven IHK-Ausbildungsbetriebe auf 1337 an.
In den vergangenen Jahren sei die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse stetig gewachsen. „Angesichts der Demographie und dem Wandel vieler Berufsbilder durch die Digitalisierung haben wir erwartet, dass irgendwann ein Rückgang kommen wird“, sagt Hakenjos. So habe die IHK im vergangenen Jahr eine leichte Stagnation verzeichnet. „Es ist aber bis Anfang 2021 immer noch möglich, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Außerdem sind in der digitalen Stellenbörse schon jetzt viele Stellen für das kommende Ausbildungsjahr eingestellt“, erklärt die IHK-Präsidentin.
Dass das vergangene Ausbildungsjahr auch wegen Corona stark von der Digitalisierung geprägt war, betont Werner Rottler von der Handwerkskammer Konstanz. „Viele Messen konnte nicht wie üblich stattfinden, sondern mussten digital gemeistert werden“, erinnert er sich. Dadurch gab es weniger Kontakt zwischen den angehenden Auszubildenden und den Betrieben. „Wir verzeichnen in der Region ein Minus von 7,7 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr“, sagt Rottler. So hätten beispielsweise im Jahr 2019 noch 17 Bäcker eine Ausbildung begonnen, 2020 seien es nur noch fünf gewesen.
„Wir stehen im Bereich der Digitalisierung
noch ziemlich am Anfang, haben aber in diesem Jahr einen großen Schritt getan“, weiß Rottler. So seien digitale Ausbildungsmessen, wie die Startermesse, Chats oder Online-Bewerbungsgespräche, keine Seltenheit mehr. Die Angebote würden von den Jugendlichen gut angenommen werden, schildert Scholz. „Es ist gut, dass Jugendliche so eine Vorauswahl treffen können. Allerdings ersetzen solche Angebote keineswegs ein persönliches Gespräch“, betont Hakenjos.
„Insgesamt sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Scholz. Ein Anreiz, weiter auszubilden, sei zum Beispiel die Ausbildungsprämie des Bundesprogramms. Trotzdem hätten es vor allem kleine Firmen auch nach der Krise schwer.
Rottler: „Die bürokratischen Hürden sind groß. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es, die Ausbildungskosten allgemein zu senken.“Denn auch nach der Krise seien die Betriebe auf geschulte Fachkräfte und Azubis angewiesen, ist er sich sicher.