Neue Zerreißprobe für die EU
Ungarn will Finanzpaket nicht zustimmen
(dpa) - Der EU droht mitten in der Corona-Krise eine neue Zerreißprobe. Die ungarische Regierung hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den anderen Mitgliedstaaten angekündigt, dem gerade erst mit dem Europaparlament abgestimmten EU-Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre nicht zustimmen zu können. Hintergrund ist ein Streit um die Ahndung von Rechtsstaatsverstößen. Sollte die Regierung in Budapest Taten folgen lassen, könnten auch die geplanten EU-Corona-Hilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Konkreter Grund für die Ankündigung Ungarns ist nach Angaben aus EU-Kreisen die mit dem Finanzpaket geplante Konditionalitätsregelung, die bei bestimmten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit die Kürzung von EU-Mitteln ermöglichen soll. Sie wurde nach Ansicht der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán so konstruiert, dass sie Absprachen der Staats- und Regierungschefs aus dem Monat Juli widerspricht.
Das Verfahren würde darauf hinauslaufen, dass Mitgliedsländer wie Ungarn unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit von Brüssel „erpresst“werden könnten, erklärte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Budapest. Sollte die Regelung beschlossen werden, werde Ungarn nicht in der Lage sein, zum nötigen Konsens für das Finanzpaket beizutragen.
Eine in der Sache ähnliche Botschaft überbrachte Ungarn am Mittwochabend bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel. Die ungarische Justizministerin Judit Varga hatte bereits in der vergangenen Woche gedroht: „Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.“
Das Instrument soll zwar nur dann zum Einsatz kommen können, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Dies könnte aber schon der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten begründete Bedenken weckt, dass Entscheidungen über die Verteilung von EU-Mitteln nicht mehr unabhängig kontrolliert werden können. Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen.