Mehr als tausend Menschen in Quarantäne
Was darf man und was darf man nicht? Ortspolizeibehörden prüfen das Einhalten nach Stolpersteine putzen gegen das Vergessen
- Derzeit sind rund 1100 Menschen im Landkreis Tuttlingen wegen der Corona-Pandemie in Quarantäne. Entweder, weil sie nachweislich positiv auf das Coronavirus gestestet wurden, oder weil sie Kontaktperson der Kategorie eins zu einem Infizierten waren. Die Quarantäne-Regeln sind streng. Falls kein medizinischer Notfall auftritt, ist man ans Haus oder an die Wohnung gebunden.
Ende Oktober gab es laut Landratsamt Tuttlingen eine zweitägige Schwerpunktkontrolle der Ortspolizeibehörden. Dabei wurde geprüft, ob sich die Menschen, die die Anweisung des Gesundheitsamts auf Quarantäne, oder wie es im Amtsdeutsch heißt die „Absonderungsbescheinigung“bekommen haben, an die Bestimmungen halten. Das Ergebnis für die Stadt Tuttlingen: „Wir hatten keinen einzigen Fall, bei dem es Verstöße gab“, erklärt Stadtsprecher Arno Specht auf Nachfrage unserer Zeitung. 270 Menschen seien kontrolliert worden, allerdings ausschließlich telefonisch. Immer wieder seien die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes dabei auf Erstaunen der Angerufenen gestoßen, dass überhaupt nachgehakt werde.
Wird es, denn die Gefahr, das Coronavirus weiterzutragen, ist groß. Beim Landratsamt Tuttlingen wurden bis Anfang November elf Verstöße geahndet – ein Fall wurde nun bei der Staatsanwaltschaft Rottweil angezeigt, gibt Julia Hager, Pressesprecherin des Landratsamts, Auskunft. „Eine Person hat nachweislich gegen die Quarantäneverordnung verstoßen und dazu beigetragen, dass sich Covid-19 weiterverbreiten konnte“, erklärt sie den Sachverhalt. Weitere Informationen gibt das Landratsamt zum jetzigen Zeitpunkt nicht heraus. Nun ist es Sache der Staatsanwaltschaft, zu prüfen, ob es sich bei dem Vorfall um eine Straftat handelt oder um eine Ordnungswidrigkeit. Je nachdem kommt es zu einem Gerichtsverfahren.
Vermehrt sind mittlerweile ganze Schulklassen oder Kita-Gruppen von der Quarantäne-Verordnung betroffen, weil Mitschüler erkrankt sind. So wie eine Klasse einer weiterführenden Schule in Tuttlingen. Die Eltern erhielten ein Schreiben des Gesundheitsamtes mit Datum 26. Oktober, weil ihre Kinder gemeinsam Religionsunterricht mit einem Corona-Infizierten hatten. Im Schreiben heißt es: „Aus diesem Grund bleiben alle Kinder, die bei dem Religionsunterricht teilgenommen haben, zu Hause vom 20.10.2020 bis zum 3.11.2020.“Einige Eltern wunderten sich zum einen über die zeitliche Abfolge – der Brief des Gesundheitsamts kam erst Tage, nachdem die Schule die Familien bereits telefonisch informiert hatte. Zum anderen warf die Anweisung „zu Hause bleiben“Fragen auf: Bedeutet es nun Quarantäne oder darf das Kind nachmittags im Wohnviertel spielen?
Auch das sorgte bei den Eltern für
Erstaunen: „Falls Ihr Kind Erkältungserscheinungen hat oder bekannte chronische Erkrankungen, bitte melden Sie das der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer, damit sie/er uns informiert zwecks Terminvergabe für Test auf Corona.“Soll das etwa Aufgabe der Lehrkraft sein? Das
Landratsamt nimmt dazu Stellung: „Wir bedauern, dass sich besagte Eltern nicht gut informiert fühlen“, teilt Julia Hager mit. Mitte vergangener Woche sei eine Allgemeinverfügung erlassen worden, um weiteren Vorkommnissen in Schulen adäquat zu begegnen. Hager: „Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer unterstützen das Gesundheitsamt fortan in der Kommunikation, da diese deutlich besser mit den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern vernetzt sind und somit notwendige Informationen schneller und zielgerichteter adressiert werden können.“Betroffene Eltern könnten sich aber auch jederzeit direkt an das Gesundheitsamt wenden.
In der Regel wird die Quarantäne für Kontaktpersonen Kategorie I nach 14 Tagen wieder aufgehoben. Voraussetzung: Es gibt keine Krankheitsanzeichen. Für Infizierte gilt, dass die Isolation frühestens zehn Tage nach Krankheitsbeginn aufgehoben wird und nur dann, wenn seit mindestens 48 Stunden keine Krankheitsanzeichen vorliegen. Ist die Erkrankung schwer verlaufen, muss zudem ein negatives Testergebnis vorliegen.
(pm) - Gegen das Vergessen: Anna-Lena Hau, Jochen Teufel und Jens Metzger haben in Tuttlingen Stolpersteine geputzt. Ziel der Aktion war es, an die Ereignisse der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zu erinnern und den Opfern des Nazi-Regimes zu gedenken. Dieser Tag markierte den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden zur systematischen Vertreibung, welche schlussendlich zum Holocaust und damit zum Tod von Millionen Menschen führte. „Es ist wichtig, dass wir uns die schlimmen Ereignisse von damals immer wieder ins Gedächtnis rufen“, sagt der Tuttlinger Jens Metzger. Die Tuttlinger Stolpersteine werden seit Mai 2016 verlegt. Sie sind Teil der städtischen Erinnerungskultur an die Opfer des NS-Regimes. Weltweit gibt es mittlerweile mehr als 70 000 Stück – sie gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Die Pflege der Steine ist mittlerweile zu einem Symbol des Gedenkens geworden. 19 Stolpersteine an fünf Standorten haben Jens Metzger, Jochen Teufel und Anna-Lena Hau am Sonntag geputzt.