Berlin bereitet sich auf gewalttätige Proteste vor
Bundestag stimmt über neue Infektionsschutzregeln ab – Staatsschutz durchsucht Wohnung von Attila Hildmann
Laut dem Verband der Akkreditierten Labore wurden in der Kalenderwoche zwölf, also Mitte März, 267 100 Tests ausgewertet. In der Kalenderwoche 45 dagegen, Anfang November, wurden 1,446 Millionen durchgeführt – mehr als das Fünffache. Dabei hat sich auch die Zahl der positiven Tests deutlich verändert. Ende März waren laut Robert-KochInstitut (RKI) 8,7 Prozent der Getesteten mit Corona infiziert. Dieser Wert sank danach deutlich ab. Mitte Juli hatten nur 0,6 Prozent der Getesteten Corona. In der ersten Novemberwoche dagegen lag die Zahl bei 7,9 Prozent. Die hohe Zahl an entdeckten Neuinfektionen hat also längst nicht nur mit den vielen Tests zu tun.
Das RKI meldete am Dienstag 14 419 neue Infektionen – knapp 1000 Fälle weniger als vor einer Woche. Damit liegen die Zahlen aktuell unter der Marke von 20 000, die in der zweiten Welle mehrfach überschritten wurde. Der Höchststand war am
(dpa) - Vor der Abstimmung über neue Regeln im Infektionsschutzgesetz an diesem Mittwoch bereitet sich die Polizei auf Demonstrationen und gewalttätige Proteste von Gegnern vor. Bundestagsabgeordnete wurden mit Tausenden Spammails bombardiert. Vertreter der Regierungsparteien wiesen Vergleiche des Infektionsschutzgesetzes mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz von 1933 scharf zurück. Damals hatte sich der Reichstag selbst entmachtet und die Gesetzgebung auf Reichskanzler Adolf Hitler übertragen.
Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte am Dienstag: „Völlig unabhängig davon, ob man sie für richtig hält: Die Coronamaßnahmen, die wir beschließen, haben nichts mit dem Ermächtigungsgesetz zu tun. Wer so infame Vergleiche anstellt, verhöhnt die Opfer des Nationalsozialismus und zeigt, dass er aus der Geschichte nichts lernt.“CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer böswilligen Lüge, wenn von den Kritikern von einem „Ermächtigungsgesetz“gesprochen werde. Es gehe nicht darum, dass die Rechte des Parlamentes ausgehebelt, sondern gestärkt werden sollten. Auch Vorwürfe, es gebe keine zeitliche Befristung, seien falsch – ausdrücklich seien Befristungsregelungen in das Gesetz eingearbeitet worden. Auch eine Impfpflicht sei nicht geplant.
Für Mittwoch sind in Berlin Demonstrationen angemeldet. Mehrere geplante Kundgebungen vor dem Bundestag dürfen dort allerdings nicht stattfinden. Der Sicherheitsbeauftragte des Bundestags hatte an die Abgeordneten geschrieben, dass das Berliner Landeskriminalamt Anlass zur Sorge sehe, „dass der Parlamentsbetrieb beeinträchtigt wird, weil sowohl mit Angriffen auf die Gebäude des Deutschen Bundestages und auch auf Personen“zu rechnen sei.
Bei den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes geht es unter anderem darum, das Verfahren bei der Verordnung von Corona-Maßnahmen zu regeln. Unter anderem soll ein neuer Paragraf 28a ins Gesetz eingefügt werden, der im Detail auflistet, welche Schutzmaßnahmen, von Landesregierungen und zuständigen Behörden gegen das Coronavirus verordnet werden können. Das sind etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote, eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum oder auch Beschränkungen oder Schließungen von Geschäften und Veranstaltungen – Vorgaben, die in der Pandemie auch bereits gemacht wurden. Opposition, Wirtschaftsverbände und Juristen kritisieren das Vorhaben. Sie sehen zu starke Eingriffe in die Grundrechte und fordern mehr Mitsprache der Parlamente.
Derweil wurde bekannt, dass Staatsschützer der Brandenburger Polizei am Dienstag die Wohnung des Vegan-Kochs Attila Hildmann in Brandenburg durchsucht haben. Hildmann, der sich selbst „ultrarechts“und einen Verschwörungsprediger nennt, ist scharfer Gegner der Corona-Maßnahmen. Die Durchsuchung sei zum Zweck der Gefahrenabwehr auf Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus vom Amtsgericht Bernau (Barnim) angeordnet worden, bestätigte der Sprecher des Polizeipräsidiums, Torsten Herbst, am Dienstag auf Anfrage.
In seinem Nachrichtenkanal bei Telegram bestätigte Hildmann den Polizeieinsatz. Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus laufen nach Angaben des Polizeisprechers Herbst mehrere Ermittlungsverfahren gegen Hildmann, unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Laut dem Register der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sterben 22 Prozent der Covid-19-Patienten, die auf eine Intensivstation kommen – bisher waren das 5886. Angesichts von 815 746 nachgewiesenen Infektionen und 12 814 Todesfällen mit dem Virus gibt es eine Sterblichkeit von 1,57 Prozent. Da es eine Dunkelziffer gibt, dürfte der Wert der Toten bezogen auf alle Infizierten allerdings niedriger liegen. Um daher abzuschätzen, wie tödlich eine Krankheit tatsächlich ist, wird die Übersterblichkeit herangezogen, man schaut, wie viele Menschen normalerweise sterben würden. So kam das RKI für die schwere Grippesaison 2017/18 auf 25 100 Tote, obwohl es nur 1700 laborbestätigte Fälle gab. Das Statistische Bundesamt hat gerade erste Corona-Daten bekannt gegeben. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „deutlich erhöhte Sterbefallzahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019“. In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) war die Abweichung mit 14 Prozent am größten. Danach normalisierte sich das Geschehen. Im September lagen die Zahlen dann fünf Prozent höher.